Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH, Bzw. BVwG) hat ein umstrittenes Urteil in Bezug auf die geplante dritte Piste des Flughafens Wien getroffen, und zwar unter Berufung auf ein Gutachten der TU Wien.
Dazu gab es auch eine Diskussion im ORF-Report:
Was mir auffiel: niemand, also weder Glawischnig noch Mitterlehner noch die Diskussionsleiterin, erwähnte das Chicago-Abkommen, das Kerosin-Besteuerung verbietet.
Nach dem, was ich über das TU-Gutachten gelesen habe, erscheint es mir möglicherweise problematisch: auch wenn durch den Bau einer dritten Piste der CO2-Ausstoss steigen sollte, so kann dieser Anstieg des CO2-Ausstosses Resultat eines internationalen Verlagerungsprozesses sein. D.h. die dritte Piste kann unter Umständen den rein flugverkehrbedingten CO2-Ausstoss in Österreichs Nachbarländern und den zubringerverkehrbedingten CO2-Ausstoss stark senken, obwohl der innerösterreichische CO2-Ausstoss, wie im Gutachten angeführt, steigen kann.
Der eigentlich springende Punkt ist aus meiner Sicht das Chicago-Abkommen: da es ca. 70 Jahre alt ist und aus dem Jahr 1948 stammt, wenn ich mich richtig erinnere, so sehe ich eine Möglichkeit, es als Rebus-sic-stantibus-ungültig zu betrachten.
Es stammt aus einer Zeit vor der Umweltverschmutzungproblematik, und ist daher, weil sich die Faktoren Weltbevölkerung, Weltverkehr, Umweltverschmutzung, etc. stark erhöht haben, die Umstände also so massiv geändert haben, als ungültig zu betrachten. (das ist zugegebenermaßen eine kontroversielle Position).
Zusätzlich stammt das Chicago-Abkommen aus einer Zeit der geringfügigen internationalen Kooperation. Die UNO war damals eine in der Anfangsphase befindliche Organisation. Die EU gab es gar nicht, zahlreiche internationale Organisationen gab es nicht. Das Chicago-Abkommen diente wohl primär dazu, in einer Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg zur Völkerverständigung beizutragen und Steuerstreitigkeiten zwischen verschiedenen Staaten, die wegen der praktischen Nichtexistenz internationaler Organisationen zu befürchten waren, zu verhindern. Auch die Argumente Versöhnung unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und Mangel an internationalen Organsationen haben sich in den 70 Jahren seither völlig geändert, was weitere Argumente sind, das Chicago-Abkommen als rebus-sic-stantibus-ungültig zu betrachten.
Wenn das Chicago-Abkommen nicht gelten würde, und grenzüberschreitender Flugverkehr besteuert würde, ähnlich wie bodengebundener Verkehr oder sogar noch stärker als bodengebundener Verkehr (was aus ökologischen Gründen argumentierbar ist), dann würde Flugverkehr teurer bzw. stark teurer, was alle Abschätzungen zukünftigen Flugverkehrs und damit auch der Notwendigkeitsschätzung einer dritten Piste völlig über den Haufen werfen könnte.
Auch eine Vorgehensweise, dass Österreich befristet, quasi als Vorreiter das Chicago-Abkommen vorläufig für ungültig erklärt (z.B. drei Jahre lang), in der Hoffnung, dass sich andere Staaten dem anschliessen werden, aber falls sich in den drei Jahren kein Staat anschliesst, wieder einen Rückzieher macht von der Ungültigerklärung des Chicago-Abkommens, ist möglich.
Auf jeden Fall: eine Diskussion, Gerichtsverfahren, Gutachten ohne Berücksichtigung der Möglichkeit, das Chicago-Abkommen für obsolet zu erklären, mitzubedenken, erscheint mir mangelhaft und anfechtbar.
Interessanterweise hat der VwGH laut Beschluss Revision ausgeschlossen, was mir seltsam erscheint. Dieser Revisionsausschluss ist möglicherweise kippbar, durch VfGH oder EuGH. Vielleicht dient der Revisionsausschluss auch nur dazu, jemanden auf das Chicago-Abkommen aufmerksam zu machen, und die Urteils-Schwachstellen (die vielen Änderungen, die man Verletzung von sic-stantibus betrachten kann) zu thematisieren.
Mitterlehner sprach die Möglichkeit einer außerordentlichen Revision an, ob er damit an eine außerordentliche Revision wegen Obsoleterklärung des Chicago-Abkommens dachte oder nicht, bleibt dahingestellt.

(Flughafen Zürich; Copyright wikipedia, if any)