Gen.Marshall, ICAN, Friedensnobelpreis und Nahostkonflikt

In der Sendung PunktEins vorvorgestern auf Ö1 ging es um den Friedensnobelpreis, den heuer ICAN, eine Initiative für eine atomwaffenfreie Welt, erhalten hatte. Auch wenn ich das Ziel von ICAN, eine völlig atomwaffenfreie Welt, nicht befürworte, so stimme ich doch insofern überein, dass die Zahl der Atomwaffen, insbesondere der USA und Russlands, aber auch von so manchem Kleinstaat, wie z.B. Nordkorea, zu hoch ist.

In dieser Sendung wurde auch von Vertreterinnen von ICAN, bzgl. mit dem Friedensnobelpreis sich beschäftigenden Politikwissenschafterinnen behauptet, George Catlett Marshall Junior würde den Friedensnobelpreis 1953 nicht verdient haben, weil er kein prinzipieller Gegner von Atomwaffen war.

Ich kann dieser Position absolut nicht zustimmen.

Erstens einmal ging die Entscheidung zum Einsatz der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki von Präsident Truman, also einem Zivilisten aus. Marshall wurde zwar als Berater beigezogen, wir wissen aber wenig über den Inhalt der Beratung. Aber man kann annehmen, dass das Argument, durch einen Atombombeneinsatz Japan zur Kapitulation zu zwingen und damit eine für beide Seiten opferreiche Invasion zu verhindern, ebenso eine Rolle gespielt haben mag, wie der Umstand, gegenüber Stalin die eigene Stärke zu demonstrieren. Auch das Argument, durch eine Kapitulationserzwingung zu verhindern, dass Japan in die Hände Stalins fällt, mag eine Rolle gespielt haben.

Zweitens war Marshall auch und wesentlich derjenige, der den Marshallplan vorgeschlagen hatte.

Der Marshallplan (ein anderer Name war European Recovery Project), also eine wirtschaftliche Hilfe der USA an West-, bzw. Mitteleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg, war insofern ein Paradigmenwechsel in der Weltgeschichte, als erstmals nicht die Sieger nach einem Krieg den Verlierern Reparationen abpressten, sondern umgekehrt die Gewinner den gewissermaßen kriegsbeginnenden Verlierern Wiederaufbauhilfe gewährten.

Der Marshallplan stand damit im krassen Gegensatz zum Versailles-Vertrag, bzw. das Versailles-Diktat, das der Weimarer Republik untragbare Bedingungen auferlegte, zum Untergang der Demokratie und zum Aufstieg der Nazis und Adolf Hitlers und damit zum Zweiten Weltkrieg beitrug.

Der Marshallplan war für die USA eine ziemliche Belastung: um ihn zu finanzieren, brauchten die USA einen Spitzensteuersatz von 90% und Negativrealzinsen, d.h. eine schleichende Enteignung der US-Sparer.

Meiner Meinung nach kann der Marshallplan und seine den dritten Weltkrieg verhindernde Wirkung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, und da Marshall der einzige und erste war, der in einer Rede eine derartige Förderung für Europa, die eine Belastung für die USA war, vorschlug, ist die Nobelpreisverleihung an ihn absolut gerechtfertigt.

Drittens: meiner Einschätzung nach hat das Gleichgewicht des atomaren Schreckens zwischen USA und Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg zum Frieden in Europa entscheidend beigetragen. Mit anderen Worten: ich vertrete die These, ohne Atomwaffen wäre ein konventioneller Krieg in Europa wahrscheinlicher, vielleicht sogar sicher gewesen. Auch deswegen, weil Diktaturen wie zum Beispiel die stalinistische viel leichter Millionen von menschen in den sicheren Tod schicken können, als Demokratien. Demokratien sind innovativer (so gesehen war es absolut kein Zufall, dass die USA als erste die Atombombe herstellten), allerdings weniger fähig zu konventioneller Kriegsführung.

Und nun zu etwas ganz anderem: nämlich die Friedensnobelpreisverleihung an ICAN und dem Nahostkonflikt.

Auch wenn ICAN und das Nobelpreiskomitee es niemals zugeben werden, so ist die These plausibel, dass Klein-Israel (ohne Jerusalem und Westbank/Galiläa-Samaria) ohne Atomwaffen nicht verteidigbar ist, insbesondere weil es eine Insel umgeben von arabischen Staaten ist, die viel bevölkerungsreicher sind.

Mit anderen Worten: die Friedensnobelpreisverleihung an ICAN dürfte schuld bzw. mitschuld an der Verschärfung des Nahostkonflikts sein. Israel braucht wahrscheinlich entweder Atomwaffen oder Ostjerusalem und Westbank, um militärisch verteidigbar zu sein.

Soweit ich mich erinnere, gibt es keine Judikatur internationaler Gerichtshöfe, ob Staaten, die konventionell nicht verteidigbar sind, Atomwaffen haben dürfen oder nicht. Weder in die eine Richtung (Atomwaffen in diesem Fall verboten) noch in die andere Richtung (Atomwaffen in diesem Fall erlaubt).

Es dürfte kein Zufall sein, dass die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem durch Präsident Trump kurz nach der Friedensnobelpreisverleihung an ICAN, das eine atomwaffenfreie Welt will, erfolgte: wenn Israel keine Atomwaffen mehr haben darf, braucht es eben Ostjerusalem und Westbank - rein militärisch betrachtet.

Weitere Links:

Liste aller Friedensnobelpreisträger

gemeinfrei, uploaded by Sheilah Creighead / US-Government https://de.wikipedia.org/wiki/Donald_Trump#/media/File:Official_Portrait_of_President_Donald_Trump.jpg

gemeinfrei, uploaded by US State Department https://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Netanjahu#/media/File:Israeli_Prime_Minister_Netanyahu_(32752985572)_(cropped2).jpg

US-Präsident Trump, israelischer Premierminister Netanjahu: Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem als richtige Reaktion auf die Friedensnobelpreisverleihung an die Anti-Atomwaffen-Initiative ICAN, weil Israel für Verteidigungsfähigkeit entweder Atomwaffen oder Ostjerusalem, Westbank und Gazastreifen braucht ?

Gemeinfrei, zur Verfügung gestellt von US Army https://de.wikipedia.org/wiki/George_C._Marshall#/media/File:General_George_C._Marshall,_official_military_photo,_1946.JPEG

George Catlett Marshall, US-General im Zweiten Weltkrieg und danach, Namensgeber des Marshall-Plans zum Wiederaufbau von Europa nach dem Krieg, Befürworter atomarer Bewaffnung und Friedensnobelpreisträger 1953

Laut dem Forschungsinstitut SIPRI hat sich die Zahl der weltweiten Atomwaffen von 70.000 (im Jahr 1988) auf 15.400 (im Jahr 2016) stark verringert, darunter je ca. 7.000 von USA und Russland.

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