LH Pröll, seine Stiftung und der verfassungswidrige Wahlkreis Wien-Umgebung

Landeshauptmann Pröll hat also seinen Rückzug angekündigt. Nach ca. 23 Jahren als Landeshauptmann keineswegs zu früh. Manchen politikwissenschaftlichen Theorien zufolge hat ein Politiker bzw. eine Politikerin nach 10 Jahren an der Spitze nicht mehr die Fähigkeit, neue Impulse zu setzen.

Und in einer so langen Zeit an der Spitze sammeln sich natürlich zahlreiche dubiose Fälle, zahlreiche Schwächen, zahlreiche Entscheidungen, die durchaus problematisch sind.

Die Erwin-Pröll-Privatstiftung, die Förderungsmittel angespart hatte, um eine Akademie für den ländlichen Raum anzusparen, dürfte problematisch sein. Wenn sie für die angesparten Gelder weniger Guthabens-Zinsen erhielt, als das förderungsgebende Land Niederösterreich für seine Schulden an Zinsen bezahlen musste, dann dürfte die Förderung nicht den Kriterien der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen, die Rechnungshöfe, egal, ob des Landes oder des Bundes zur Grundlage ihrer Prüfung machen.

Aber auch durch die Verfassungswidrigkeit des Wahlkreises/Bezirkes Wien-Umgebung, auf die ich schon in meinem Blob "Totalanfechtung Wien-Wahl" hingewiesen hatte, dürfte Pröll angeschlagen gewesen sein. Er argumentierte die Abschaffung des Bezirkes/Wahlkreises Wien-Umgebung, der gleichzeitig ein Wahlkreis aufgrund der Landtagswahlordnung von 1992 war, mit finanziellen Einsparungen und Ähnlichem.

Dass aufgrund der Verfassung Wahlkreise ein geschlossenes Gebiet darstellen müssen, erwähnte Pröll damals nicht.

Interessanterweise stimmten Grüne und Freiheitliche im niederösterreichischen Landtag gegen die Abschaffung des verfassungswidrigen Wahlkreises Wien-Umgebung, der gleichzeitig ein Bezirk ist.

Mit dem Argument, Pröll gehe überraschend und überrumpelnd vor.

Da ist was Wahres dran, aber soll die überraschend und schnelle Abschaffung eines verfassungswidrigen Wahlkreises problematisch sein ?

Im ersten Moment habe ich mich damals im Jahr 2015 sehr geärgert über die scheinbar unredliche Vorgehensweise von Erwin Pröll, die Abschaffung wegen Verfassungswidrigkeit vorzunehmen, aber mit Einsparungen öffentlich zu argumentieren.

Aber die spätere Reaktion von Grünen und Freiheitlichen war schon interessant: gegen die Abschaffung des verfassungswidrigen Wahlkreises/Bezirkes zu stimmen.

Kein Medium berichtete über die Verfassungswidrigkeit des kein geschlossenes Gebiet darstellenden Wahlkreises.

Links:

http://www.heute.at/news/oesterreich/noe/Bezirk-Wien-Umgebung-wird-aufgeloest;art23654,1209654

https://de.wikipedia.org/wiki/Bezirk_Wien-Umgebung

http://noe.orf.at/news/stories/2730923/

http://orf.at/stories/2297995/2298000/

http://diepresse.com/home/innenpolitik/4818594/BezirksAus_Aerger-in-Wien-Umgebung

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/773717_Bezirk-Wien-Umgebung-vor-dem-Aus.html

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000138

Bundes-Verfassungsgesetz Viertes Hauptstück Gesetzgebung und Vollziehung der Länder

§95 "(3) Die Wähler üben ihr Wahlrecht in Wahlkreisen aus, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss und die in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise unterteilt werden können. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise im Verhältnis der Bürgerzahl zu verteilen."

http://www.noe.gruene.at/themen/demokratie/aufloesung-des-bezirks-wien-umgebung-ist-fix

Zitat: "Der grüne Landesausschuss hat daher einstimmig beschlossen: Die Grünen im NÖ Landtag werden den ÖVP-Antrag auf Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung nicht zustimmen. Begründung: Kein Dialog mit Gemeinden, BürgerInnen und Blaulichtorganisationen im Vorfeld des Reformversuchs ist inakzeptabel."

Dialog worüber ? Ob man sich an die Verfassung hält, nachdem man eine Verfassungswidrigkeit erkannt hat ?

Was wäre denn die verfassungskonforme Alternative gewesen zur Auflösung des Bezirkes/Wahlkreises Wien-Umgebung ?

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/totalanfechtung-wien-wahl-dringend-11716

Zitat daraus: "Jede der niederösterreichischen Parteien hätte die Aufhebung der Niederösterreichischen Landtagswahlordnung wegen Verfassungswidrigkeit mit Erfolg begehren können, aber keine tat es - und das mehr als 20 Jahre lang."

Irgendwie ist Österreich schon ein seltsames Land.

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