Weil die Bezahlung für russisches Gas und russisches Öl, das insbesondere Österreich massiv importiert, in die Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie fliesst, wird nun nach dem (erweiterten) Ukrainekrieg und der damit verbundenen Wendezeit fast allüberall nach Alternativen zu russischen Rohstoffen gesucht.

In Deutschland wird in diesem Zusammenhang auch der Ausstieg aus dem Atomausstieg diskutiert.

Es gibt aber auch das Motto: "In Österreich findet alles 30 Jahre später statt - auch der Weltuntergang".

Und man kann daher annehmen, dass sich die Aktivitäten Österreichs auf die Ausweisung von ein paar russischen Diplomaten und ein bißchen Antichambrieren bei islamisch-fundamentalistischen Staaten, die rein theoretisch (aber eher nicht praktisch) als (sehr teure) Alternativen für Gas- und Öllieferungen in Frage kämen, beschränkt.

Eine Debatte über eine Aufhebung des Atomsperrgesetzes scheint in Österreich wie viele Debatten unmöglich zu sein, auch deswegen, weil zahlreiche Politiker (und insbesondere Politikerinnen) ihre politische Karriere eng mit einer "Bekämpfung" der Atomenergie und damit implizit mit einer Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie über Gas- und Öllieferungen verknüpft haben. Eine seltsame Allianz aus Grünen und Kronenzeitung hat darüber hinaus Wasserkraftwerke wie Hainburg 1984 heftig bekämpft und verhindert, und so die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas und Öl und die damit verbundene Kriegsfinanzierung stark gesteigert. EIne ähnliche Allianz aus Kronenzeitung und FPÖ skandalisierte z.B. das AKW Temelin, das aber sehr wesentlich über westliche Sicherheitstechnologie verfügt. Und auch die österreichische Doppelmoral, sich über Atomstrom zu beschweren, ihn aber gleichzeitig in der Nacht billig zu importieren, um damit die Speicherkraftwerke zu füllen und das dann am nächsten Tag zu Mittag z.B. als teuren Spitzenstrom wieder runter zu lassen, kann man als unehrlikch empfinden, und als Ökoschmäh, der Atomstrom in Wasserkraftstrom verwandelt. Auch der Bezug von Atomersatzstrom (also z.B. Wasserkraftstrom, den z.B. Frankreich nur deswegen exportieren kann, weil es soviele AKWe hat) ist nicht ehrlich.

Im Jahr 1978 gab es die sogenannte Zwentendorf-Abstimmung, also eine Abstimmung über die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf.

In klassischer Schildbürgermanier hatte die Regierung (Kreisky III) das Atomkraftwerk erst gebaut, und dann darüber abstimmen lassen, was immer das Risiko großer Bau-Fehlinvestitionen mit sich trägt. Insbesondere im Vergleich zur umgekehrten Vorgangsweise: erst abstimmen, und dann im Falle der Zustimmung bauen.

Und auch riskant und demokratiepolitisch problematisch war, dass Bundeskanzler Kreisky (SPÖ) die Ablehnung des AKW Zwentendorf mit seinem Rücktritt verband. So kam es, dass zahlreiche atomkraftbefürwortende ÖVP-Anhänger entweder gegen Atomkraft stimmten oder sich der Stimme enthielten, in der Hoffnung, so Kreisky loszuwerden. Eine Hoffnung, die sich allerdings nicht erfüllte, weil Kreisky sein Rücktrittsversprechen brach und auch nach der wegen der gegen Atomkraft stimmenden Atomkraftbefürworter knapp (50.5% zu 49.5%) gegen Atomkraft ausgegangenen Abstimmung blieb.

In der Folge der Abstimmung wurde das Atomsperrgesetz 1978 beschlossen, das den Betrieb von Atomkraftwerken (nicht nur des AKW Zentendorf) auf österreichischem Gebiet untersagte, nicht hingegen den Import von Atomstrom aus dem Ausland.

Die Halbherzigkeit, also die Erzeugung von Atomstrom im eigenen Land zu verbieten, den Import von Atomstrom aber nicht, passt zu Grillparzers Zitat aus dem "Bruderzwist im Hause Habsburg":

"Das ist der Fluch von unserm edeln Haus:

Auf halben Wegen und zu halber Tat

Mit halben Mitteln zauderhaft zu streben."

Die Halbherzigkeit und Unehrlichkeit wiederspiegelt sich auch im Widerspruch zwischen Titel ("Verbot der Nutzung der Kernspaltung in Österreich", was man auch so verstehen konnte, dass importierter Kernspaltungsstrom in Österreich nicht genutzt werden darf), und dem Text "Anlagen, mit denen zum Zwecke der Energieversorgung elektrische Energie durch Kernspaltung erzeugt werden soll, dürfen in Österreich nicht errichtet werden. Sofern jedoch derartige Anlagen bereits bestehen, dürfen sie nicht in Betrieb genommen werden".

Und es war vielleicht Rache von Kreisky an den Abstimmern, die nicht so abgestimmt hatten, wie Kreisky wollte, oder auch sozialistische Bruder-Mentalität. Aber in der Folge dieser Abstimmung beschloss die österreichische Bundesregierung den Abschluss von Atomstromlieferverträgen mit der Ukraine, die damals ein Teil der kommunistischen Sowjetunion war.

Man kann vermuten, dass die Notwendigkeit, mehr Strom auch für den Export nach Österreich zu liefern, mit ein Grund oder der alleinige Grund war, dass die Techniker des AKW Tschernobyl herumzuexperimentieren begannen, wie man mehr Strom aus dem AKW rausholen kann, was zur Kernschmelze und zur Reaktorkatastrophe 1986 führte, die dadurch verschärft wurde, dass die sowjetischen AKWs im Glauben an die kommunistische Perfektion auf ein Containment, also einen Betonmantel, der das AKW umschloss, verzichteten. Die westlichen AKWe besassen im Gegensatz zu den östlichen sehr wohl die Betonmäntel, die den Austritt radioaktiven Materials im Kernschmelzefall verhinderten.

Umso problematischer war die Ostorientierung der damaligen SPÖ-Regierung Kreisky, sich vertraglich Strom aus unsicheren sowjetischen AKWen ohne Betonmantel liefern zu lassen, nicht hingegen aus sicheren westlichen AKWen mit Betonmantel.

CC / Bwag https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Zwentendorf#/media/Datei:Zwentendorf_-_Kraftwerk_(1).JPG

AKW Zwentendorf: erst bauen, und hinterher fragen, ob der Bau überhaupt vom Volk gewünscht ist, und das noch dazu mit einer invaliden Fragestellung und einer Verquickung mit dem Kanzlerrücktritt - ein Sinnbild für die schildbürgerhafte Verhunzung der Demokratie durch Politiker.

Man kann auch annehmen, dass Kreiskys manchmal arrogante Art (wie zum Beispiel erst bauen und dann abstimmen lassen, ob man bauen soll) zur Ablehnung beitrug.

Diese Atomkraftablehnung wurde seither zu einer Art österreichischen Unique Selling Proposition. Aber mit der Finanzierung des Ukrainekriegs durch Bezahlung russischer Gas- und Öllieferungen sollte die Wendezeit, die im Rest von Europa ausbricht, eigentlich auch dazu führen, dass die Atomkraftfrage in Österreich neu diskutiert wird.

Der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) meinte in Zusammenhang mit den Ölschockkrisen der 1970er Jahre, Deutschland dürfe sich nicht abhängig von einem einzigen Energie-Lieferanten machen und nannte in diesem Zusammenhang 30% als Obergrenze. Dies entsprach der "Second source"-Theorie aus der Wirtschaftswissenschaft: man müsse immer einen potenziellen zweiten Lieferanten haben, um nicht vom ersten bzw. alleinigen Lieferanten abhängig und erpressbar zu sein.

Im Gegensatz dazu wurden in Deutschland 50-60% des Erdgases aus Russland bezogen, in Österreich sogar um 80%.

Die Einnahmen aus diesen Exporten lieferten Putin eine Möglichkeit, die russische Armee aufzurüsten, was vermutlich mit ein Faktor für den Krieg war.

Auch der Weltmarkt für Uran ist kein Argument gegen Atomenergie: Russland macht zwar 0.5% des Welturanexports aus, aber das ist eine geringfügige Größenordnung, die genügend andere Lieferanten offenhält.

Der genaue Text der Volksabstimmung 1978 war:

"Soll der Gesetzesbeschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1978 über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich (Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf) Gesetzeskraft erlangen?" (Quelle https://www.bmi.gv.at/410/Ergebnisse_bisheriger_Volksabstimmungen.aspx#pk_01 )

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