Über die Notwendigkeit der Obrigkeitsstaatlichkeit in Zeiten der Krise

Schon die antiken Griechen kannten sie: die Wahldiktatur auf Zeit in Zeiten der Krise.

Eines der Probleme der Demokratie beschrieb der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) so: "Ihr natürliches Fortbewegungstempo ist das Schneckentempo".

Aber in Zeiten der Krise kann man es sich oft nicht leisten, ewig zu diskutieren, so ähnlich, wie die Piratenpartei im Liquid Feedback solange diskutierte, bis das Thema nicht mehr aktuell war und während die anderen Parteien schon längst bei einem anderen, neuen Thema waren.

In Österreich, das aus der Tradition des habsburgisch-monarchistischen Beamtenstaat hervorging, wird diese Haltung oft als "Obrigkeitsstaatlichkeit" bezeichnet.

Diese Obrigkeitsstaatlichkeit kann für die Linke im Klassenbewusstsein bestehen, für die bürgerliche Rechte im Katholizismus mit seinen päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmen seit dem ersten Vatikanischen Konzil (um 1870).

Und es gab auch Leute, die beides waren: sowohl Sozialdemokraten wie auch Katholiken wie beispielsweise die ÖGB-Präsidenten Franz Olah oder Anton Benya (der ÖGB ist der österreichische Gewerkschaftsbund).

Wobei Olah eher den autoritären Aspekt verkörperte, hingegen Benya eher den Demutsaspekt.

Es mag sein, dass die Österreicher und Österreicherinnen ein bißchen obrigkeitshöriger sind als andere Staaten und Bürgerschaften.

Aber auf der anderen Seite hat das den Vorteil, dass es in Zeiten der Covid-19-Krise kaum oder gar nicht Erscheinungen wie Supermarktplünderungen gab.

Mögen auch Hyperkritiker sich über "Hände falten, Goschn halten" mokieren, in Zeiten der Krise ist es manchmal angebracht, zu schweigen und zu folgen, so wie antiken Griechen dem Wahldiktator auf Zeit.

Zeit für demokratisch-normale Kritik ist oft auch nach der Krise.

Und verglichen mit diesem Kritikmangel in Zeiten der Krise ist ein fundamentaloppositioneller Standpunkts des "Gegen-die-Regierung-Seins", egal, was sie tut, vielleicht das größere Übel.

Zahlreiche Bürgerkriege entstammen der Tendenz der Opposition, nicht das an der Regierung loben zu können oder zu wollen, wofür sie Lob verdient, sondern eben eine Justament-Dagegen-Politik zu betreiben, die den Kompromiss und die Konsenskultur ablehnt.

Auch tiefgehende ideologische Differenzen zwischen Kapitalismus und Kommunismus, zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft, können zu derartigen Bürgerkriegen beitragen.

Das angelsächsische "Right or wrong, my country" verkörpert sehr gut diesen Zusammenhalt über die Parteigrenzen hinweg, hier hauptsächlich auf dem Gebiet der Aussenpolitik.

Ein gewisser Zusammenhalt in Zeiten der Krise, ein gewisser Verzicht auf die oft dominierende selbstzweckhafte Opposition nur um der Opposition willen, kann durchaus eine Qualität sein.

Auch die Konzentrationsregierung, bzw. Konsensregierung, bzw. Allparteienregierung, die es noch in einigen österreichischen Bundesländern gibt, ist eine Basis für diesen parteienübergreifenden Konsens, der gleichzeitig eine Absage an fundamentaloppostionelle Übertreibungen und Exzesse ist.

In Großbritannien und den USA ist es in Zeiten großer Krisen wie z.B. den Weltkriegen, Tradition, große Koalitionen aus den beiden größten Parteien (Labour-Tories, Demokraten-Republikaner) zu beilden.

Auch wenn die Glorifizierung des Handschlags und der Handschlagqualität in Zeiten des Covid-19-bedingten Händedruckverbots irgendwie fehl am Platz erscheint, so sind Handschlagqualität und Kompromissfähigkeit und eine gewisse Konsenskultur durchaus positiv und wichtig in der Demokratie.

Dieses Foto ist ursprünglich ein Werbefoto einer Firma aus der Vor-Covid-19-zeit.

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Gerhard Novak

Gerhard Novak bewertete diesen Eintrag 14.04.2020 01:08:28

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