US-GB-F-Militärschläge in Syrien völkerrechtskonform wegen heimlichem Großmächtekonsens

Ich werde im folgenden Text die Gegenthese vertreten zu dem, was zahlreiche Völkerrechtler in den letzten Tagen vertreten haben, nämlich, dass die US-britisch-französischen Militärschläge mit Marschflugraketen, die sich primär gegen syrische Chemieanlagen richteten, in denen Giftgas hergestellt werden kann, völkerrechtswidrig gewesen seien.

Das bestehende Völkerrecht sieht fußend auf der Allianz des Zweiten Weltkrieg einen Konsens der betreffenden Großmächte vor, damit man völkerrechtskonformem Militäreinsatz sprechen kann; diese Großmächte sind USA, Großbritannien (GB), Frankreich (F), Russland (R) und China (Ch). Diese Staaten sind als Einzige ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats mit Vetorecht. China spielt wegen der östlichen Lage und weil es nicht militärisch in Syrien präsent ist, in diesem Fall keine bzw. eine untergeordnete Rolle.

Bleiben die drei Westmächte USA, GB, F sowie R, das zusammen mit dem Iran Assad und die alawitische Kriegspartei in Syrien unterstützt.

Bei der Frage nach der Existenz eines Großmächtekonsenses muß das Vorfeld, die Vorgeschichte und die Geschichte mitbetrachtet werden.

Auch wenn es auf den ersten oberflächlichen Blick, dem viele Völkerrechtler zum Opfer gefallen sind, so scheinen mag, als würde kein Großmächtekonsens bestehen, so ist in Wahrheit genau das Gegenteil der Fall.

Einige sehr wesentliche historische Fakten sprechen dafür, dass es einen heimlichen Großmächtekonsens gab:

1.) Vorwarnung, Effektivitätsverlust und Nicht-Protest Russlands in Zusammenhang mit Skripal-Affäre und wie sie hochgespielt wurde. Der Doppelagent Sergej Skripal war im Vorfeld vergiftet worden, und die britische Regierung bzw. Diplomatie spielte diesen Fall, bei dem niemand getötet wurde, auf eine Art und Weise hoch (auch mit Ansetzen einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu dem Thema), die aufhorchen liess, und die von jedem halbwegs intelligenten russischen Analytiker als Vorspiel zu einem Militärschlag in Syrien mit dem Ziel Chemieanlagen verstanden werden konnte. Dies war eine Art der verdeckten Kommunikation zwischen GB und R, und ein Element des Großmächtekonsenses, der entscheidend ist für die Völkerrechtskonformität. GB hatte damit sowohl Zeitpunkt als auch Ziel verraten und den Überraschungseffekt verspielt (ob absichtlich oder nicht, sei dahingestellt). Durch diese Vorwarnung konnten syrisch-assad-treue, russische und iranische Truppen Giftgas in Sicherheit bringen, Teile der Anlagen demontieren und abtransportieren und an Orte bringen, die die Westmächte nicht als Angriffsziel betrachteten. Durch die Vorwarnung und das Verspielen des Überraschungseffekts verlor der Militärschlag ca. zwei Drittel der Effektivität, die er hätte haben können. Und diese durch Vorwarnung und Überraschungseffektverlust überwiegend verspielte Effektivität ist ein Aspekt des Großmächtekonsenses und damit der Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht. Wenn Russland, Assad-Syrien oder der Iran unmittelbar nach der Skripal-Sitzung des UNO-Sicherheitsrats Protest eingelegt hätten gegen den sich ankündigenden Militärschlag von USA,GB,F, dann hätten die Westmächte möglicherweise bzw. normalerweise ihre Strategie und ihre Angriffsziele geändert und wesentlich effektiver zugeschlagen.

2.) Budapester Memorandum 1994 und Krim-Krise 2014: im Budapester Memorandum von 1994, das kein völkerrechtlich bindender Vertrag war, sondern nur schwammige Sicherheitszusagen enthielt, hatten USA, GB und R eine Art Pseudo-Sicherheitsgarantie für die Grenzen der Ukraine abgegeben. Für GB und die USA war die Annexion der Krim durch R daher ein schwerer Glaubwürdigkeitsverlust, den sie nicht ohne Reaktion hinnehmen konnten. Jeder offene Konsens von USA und GB mit R in Sachen Syrien (wie er idealerweise im Völkerrecht vorgesehen gewesen wäre) wäre daher als Verletzung der Sicherheitszusagen an die Ukraine und als Vertragsbrüchigkeit von USA und GB betrachtet worden, sowohl von Gegnern als auch Verbündeten und (wirklichen oder potenziellen) Garantieempfängern. In Sachen Syrien konnten USA und GB also wegen Budapest-Memorandum und Krim-Krise gar keinen offenen und transparenten Konsens mit R anstreben und eingehen (wie das laut UN-Charta eigentlich vorgesehen gewesen wäre), und waren zum heimlichen Konsens bei gleichzeitig inszeniertem Neuen Kalten Krieg gezwungen (und dieser heimliche Konsens entspricht dem Geist der UN-Charta). Ich persönlich stehe den sogenannten "Grenzgarantien" von ein bis drei Großmächten und niemandem sonst skeptisch gegenüber: weil sie erstens oft sowieso uneinlösbar und unverwirklichbar sind; weil sie zweitens zu Kriegen oder Konflikten führen, die ein gedeihliches Zusammenarbeiten der Großmächte schwierig bis unmöglich machen. Weil sie drittens oft einen kläglichen Versuch darstellen, gescheiterte Staaten künstlich aufrechtzuerhalten, statt gangbare Strukturen zu schaffen. So gesehen sollte man eher diese Grenzgarantien durch ein bis drei Großmächte und niemanden sonst zumindest in manchen Fällen als völkerrechtswidrig betrachten, und nicht heimlich-konsensuelle Militärschläge wie in Syrien.

3.) Dasselbe gilt umgekehrt auch für R: die Selbstinszenierung des russischen Präsidenten Putin in allen seinen Wahlkämpfen war der eines Anti-Jelzin, der russische Interessen stolz und auch gegen den Westen vertritt und der anders als der schwere Alkoholiker Jelzin, kein Sklave des Westens ist. Wenn Putin einen offenen Konsens mit dem Westen in Sachen Syrien eingegangen wäre, so hätte er sich selbst unglaubwürdig gemacht und seiner eigenen Wahlkampflinie und seinen eigenen Wahlversprechen (nämlich anders als Jelzin russische Interessen auch gegen den Westen durchzusetzen) widersprochen. Daher war auch R mehr oder weniger gezwungen, einen Scheinkonflikt bei gleichzeitigem heimlichem Konsens mit dem Westen einzugehen. Dass Russland gegen die kommenden sich gegen Chemieanlagen richtenden Militärschläge in Syrien nicht protestierte, obwohl R durch die Skripal-Affären-Sitzung im UNO-Sicherheitsrat (und vielleicht weitere Maßnahmen) vorgewarnt war, kann als stillschweigende Zustimmung gesehen werden, womit der Großmächtekonsens, der für Völkerrechtskonformität vorgesehen ist, gegeben ist.

4.) Möglichkeit eines heimlichen russisch-syrischer Zwist: die heimliche Kooperation zwischen GB und R sowie der Nicht-Protest Russlands trotz Vorwarnung wirft die Frage auf, inwieweit es Meinungsunterschiede zwischen Russland und Assad-Syrien gibt.

5.) Ich weise darauf hin, dass laut UN-Charta (z.B. Art. 11 / 3) keine Beweise notwendig sind, um im Falle des Großmächtekonsenses militärisches Handeln zu rechtfertigen. Eine Gefährdung des Weltfriedens ohne eindeutige Beweise ist laut UN-Charta ausreichend; dieses Handeln bereits bei Gefahr, und nicht erst nach Vorliegen eindeutiger Beweise entspricht auch den beweislosen Verfahren im innerstaatlichen Recht, z.B. der Haft bei Verdunkelungsgefahr oder bei Fluchtgefahr. Und dieses Handeln bei Gefahr ohne Beweise entspricht auch den Handlungen der Alliierten Mächte im Zweiten Weltkrieg. Beweisbeschaffung und Fact-Finding-Missions in Kriegsgebieten, die vom Feind beherrscht werden, sind eine Unmöglichkeit, weshalb man immer "Keine eindeutigen Beweise" sagen kann, was auf völlige Untätigkeit hinauslaufen würde und letztlich eine Kapitulation der internationalen Staatsgemeinschaft vor einem einzigen Rechtsbrecher bedeuten würde.

https://www.unric.org/de/charta

6.) Ich weise auch darauf hin, dass es im Völkerrecht kein generelles Gewaltverbot gibt, sondern zahlreiche Ausnahmen: die individuelle oder kollektive Selbstverteidigung (bei der nicht einmal klar ist, ob Staaten oder Völker oder Parteien oder Gesellschaftsschichten als Kollektive gemeint sind) und miltärisches Handeln im Großmächtekonsens, idealerweise mit UNO-Sicherheitsratsmandat.

Das gegenteilige Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags im Auftrag der Linkspartei entstand möglicherweise durch Bestechung, Erpressung oder Unterwanderung.

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