Anna, schick diesen Manager in die Wüste!

Als ich nach den Olympischen Spielen von Nagano 1998 als ehemaliger Weltranglistenerster der Pro-Tour zum ÖSV wechselte, um mich aus strategischen Gründen freiwillig diesem System unterzuordnen, habe auch ich meine Kämpfe mit dem Verband gehabt. Ich kenne den erfolgreichsten Sportverband Österreichs also in- und auswendig und seit Jahrzehnten. Dass am Ende eines Streitgespräches, womöglich im Smalltalk, ein amikales „privat kannst du ja fahren was du willst“ rüberkommt, ist für mich schon schwer vorstellbar. Zeitungsberichten zufolge hatte einer der Anwälte sogar bereits den Raum verlassen, als das Thema Autosponsor besprochen wurde. Wie es Manager Kärcher schaffte seine Sportlerin davon zu überzeugen, dies als Zusage zu einer Medienkampagne für den Konkurrenten eines Hauptsponsors ihres Arbeitgebers zu interpretieren, verschliesst sich meiner Logik. Eine definitive Zusage zu einer derart noch nie dagewesenen Aktion ist absolut denkunmöglich! Branchenexklusivität ist im Sportmarketing oberstes Gebot.

Beim VfB Stuttgart wurde ein Fussballer schon einmal zu € 15.000,- Strafe verdonnert, weil er zum Training mit seinem privaten Rennwagen angetanzt ist, ein Konkurrent des Hauptsponsors. Hat der Manager ihr eingeredet, Sie, als Person von höchstem öffentlichem Interesse, könne privat für etwas anderes werben als beruflich? Wie hat er argumentiert um ihr eine Zusage abzuringen? Hat er ihr eingeredet man werde einfach intern behaupten es handle sich um eine unentgeltliche Charity und der Verband wird das schon schlucken? Zur Erinnerung: Bei der Verhandlung ging es in erster Linie darum, wie ihr zweiter Privattrainer finanziert wird. Hier konnte also eine Einigung erzielt werden – denn sonst hätte der beisitzende Anwalt nicht schon den Raum verlassen gehabt, als dann doch wieder von Mercedes die Rede war. Ein Wiederauffrischen eines bereits abgehakten Themas, nachdem Kopfsponsoring schon vor Beginn dieser Verhandlung kategorisch vom Tisch war? OK, zugegeben, ich war nicht dabei - also alles spekulativ. Aber wie glaubwürdig ist Fenninger in ihrer Kommunikation? Sie postet auf Facebook es sei ihr nie um Geld gegangen…. Ein guter Manager ist auch ein Kommunikationsberater, und auch hier hat Kärcher kläglich versagt!

Anna, bitte schick den Typen so schnell es geht in die Wüste! Wie aber hätte ein guter Manager handeln sollen? Die Athletenerklärung, ohne die es keine Startberechtigung gibt, gibt den Nationalverbänden fast uneingeschränktes Recht über den Sportler zu verfügen. Einmal für irgendein Land unterschrieben, egal ob im Kinder-, Jugend- oder Spitzensport, gibt es ohne Zustimmung des Verbandes keine Möglichkeit mehr seinen Arbeitgeber zu wechseln. Das FIS-Reglement sieht Sperrfristen von bis zu zwei Jahren vor! Das gibt es in keiner anderen Branche weltweit, und das ist arbeitsrechtlich sicher nicht mehr haltbar. In FIS-Sportarten ist ein „Bosman-Urteil“ längst überfällig. Zur Erklärung: Sperrt ein Verband einen Sportler, so darf man in der Frist kein Rennen bestreiten. Danach fängt man mit null Punkten ganz neu an, zuerst FIS-Rennen, dann Europacup und Weltcup. So arbeitet man sich sukzessive in der Startreihenfolge wieder nach vorne. Und weil man eben im Skisport mit der letzten Startnummer nicht gewinnen kann, so dauert die Punktesammlerei wiederum mindestens ein Jahr. Oder denkt ihr die Anna Fenninger würde einen Europacup Riesentorlauf gewinnen können, wenn sie mit Startnummer 87 aus dem Starthaus springt? Nicht zu vernachlässigen ist auch, was eine zweijährige Abwesenheit von der Weltspitze mit dem Selbstvertrauen macht. Solche Nationenwechsel haben in der Geschichte defacto immer ein Karriereende bedeutet.

Beispiele gibt es viele: Pepi Strobl, Kilian Albrecht oder Elfi Eder seien erwähnt. Nationenwechsel haben aber sehr wohl gefruchtet, wenn der Ursprungsverband keine Sperrfrist verlangt hat. Ein Botwinow war für uns im Langlaufen erfolgreich und hat auch unseren Jungen geholfen schneller an die Weltspitze zu kommen. Vic Wild holte für Russland im Snowboarden zweimal Gold in Sochi und hob dadurch Russland an die Spitze des Medaillenspiegels. Dies tut dem Snowboardsport sehr gut, nämlich wenn möglichst viele Nationen sich an der Weltspitze abwechseln. Internationales Sponsoring und Medienpräsenz werden gefördert. Während Ski Alpin daran erkrankt, daß ein kleines Land alles abzockt – dies aber schon bei unseren deutschen Nachbarn im TV keine Erwähnung mehr findet. Auch im Skispringen ist es besser, also multinationaler, und deshalb ist die Disziplin Skispringen auch die lukrativste Sparte des ÖSV. Da alle nationalen Verbände per Statuten an das FIS-Reglement gebunden sind, und sich auch verpflichtet haben diese Regeln zu schützen, so sollte man genau bei diesem Regelwerk ansetzen. Als guter Manager hätte man Allianzen mit anderen Sportlern aus diversen Ländern und unterschiedlichsten Disziplinen der FIS finden können, um mit einer gut vorbereiteten Sammelklage beim EuGH die FIS zu einem Vergleichsangebot samt Regelentschärfung zu zwingen. Manche Statuten dieses Regelwerks könnte man getrost, gemeinsam vielleicht mit der Politik Nordkoreas, als die letzten Artefakte eines von der Weltoberfläche verschwindenden und gescheiterten Kommunismus bezeichnen.

Es muss möglich sein „Ausbildunskosten“ monetär abzugelten. Der Schlüssel hierzu könnte nach Zeit oder auch nach Erfolg (Ranking) ausgehandelt werden. Selbst wenn die Sperrfrist von maximal einem Jahr erhalten bleiben könne, so sollten danach die Athleten zumindest ein teilweises „protected ranking“, also ein Einfrieren der Punkte wie es beispielsweise bei Verletzungen angewendet wird, fordern können. Ein Jahr Berufsverbot bei durchschnittlichen Karrieredauern von weniger als zehn Jahren ist doch immer noch ein erheblicher Einschnitt. Daß Nationalverbände irgendwann mal wie Fussballvereine über Ablösesummen diskutieren mag grotesk erscheinen, tatsächlich findet dies aber bereits vielerorts regelmäßig statt. Auch wir haben Botwinow gekauft – oder denkt ihr die Russen hätten uns den geschenkt ohne eine Gegenleistung zu verlangen?? Was bringt das nun unseren Athleten, was hätte Fenninger davon? Nun, die Machtverhältnisse würden etwas ausgeglichener werden. Schröcksnadel würde wissen: wenn er den Topsportlern zu viel abknöpft, dann können sie sich schlimmstenfalls auch freikaufen. Das ändert vieles. Kein Monopol zu haben macht unglaublich gesprächsbereit und weniger abgehoben. Ich wünsche Anna alles Gute, bis Oktober ist ja noch etwas Zeit. Dieter Krassnig

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