Auch Journalisten und Demoskopen, weil distanzlos auf der Seite Hillarys, gehören zu den Verlierern

Das Entsetzen über Trumps Sieg zeigt, dass der Journalismus in Amerika wie hierzulande den Draht zu weiten Teilen der Gesellschaft verloren hat. Hillary wurde als Inkarnation der verhassten Eliten wahrgenommen. Der Journalismus muss wieder zum Volk hinausgehen, hineinhören und gleichzeitig eine kritische Distanz zu den Eliten halten. Er muss einen offenen Blick auf die Gründe des Volkszorns richten.

Schockstarre bei den US-Qualitätsmedien und auch in Europa, wo die Medien primär Hillary unterstützt haben. Die Mehrheit der Amerikaner freut sich also heute – oder empfindet zumindest Genugtuung. Vermutlich auch ein gar nicht so unbeträchtlicher Teil der Deutschen, der Franzosen und anderer Nationen.

Journalisten können oder wollen dieses Wahlergebnis kaum fassen. Vermutlich auch, weil sie zwar über Trump schreiben, aber kaum jemals mit seinen Anhängern sprechen. Für französische Journalisten und den Front National gilt das ähnlich wie für deutsche und die AfD oder Rechtspopulisten in Österreich. In westlichen Gesellschaften hat sich ein Graben aufgetan und die große Mehrheit der Journalisten steht auf der selben Seite, wo auch die politischen Eliten stehen.

"Unser Land ist tiefer gespalten, als wir dachten"

Hillary Clinton hat beim ersten Auftritt nach der Wahlniederlage Fassung gewahrt. Sie bedankte sich beim amerikanischen Volk dafür, dass sie Kandidatin sein durfte - und bot Wahlsieger Donald Trump ihre Zusammenarbeit an.

Diese Diskrepanz zwischen dem medialen Urteil und der Wahlentscheidung der Mehrheit der Amerikaner ist ein wichtiger Teil des Ereignisses, dessen Zeugen wir geworden sind. Ein „Stern“-Journalist schrieb: "Der Siegeszug der Populisten zeigt, dass sich die politische Tektonik verschoben hat, ohne dass wir es mitgekriegt oder auch nur um Ansatz begriffen hätten.“ Da hat er zweifellos recht. Nicht nur das politische, sondern auch das publizistische Establishment hat offensichtlich den Draht zu einem großen Teil der Gesellschaft verloren. Im Westen überfordert die Globalisierung viele Menschen und es fehlt an Politik-Vertrauen.

Den Draht verloren haben allerdings auch die Demoskopen. Ihre Vorhersagen werden immer unzuverlässiger – in den USA wie in Europa. Die falschen Voraussagen für den Sieg des Remain-Lagers in Großbritannien und jetzt Clintons in den USA dürften Indizien dafür sein, dass die Befragten ahnen, welche Antwort dem Demoskopen sympathischer ist und sagen oft nicht die Wahrheit. („Shy Trump Effekt“).

Wenn eine Machtelite an Autorität verliert und neue Wettbewerber auftreten, die ihr die Macht streitig machen, so muss man die Gründe dafür vernünftigerweise bei den bisherigen Eliten suchen. Doch ganz offensichtlich haben die überkommenen politischen Eliten die Bürger in einem Ausmaß enttäuscht, welches diese bislang nicht wirklich wahrgenommen haben.

Der Aufstieg der so genannten Populisten wurde nicht als das erkannt, was er im Kern ist, nämlich ein Aufstand gegen das Establishment. Ein Mangel an grundlegendem Selbstzweifel, Selbstreflexion und Bereitschaft zur offenen Selbstkritik innerhalb dieser Washingtoner Eliten wurde ihnen zum Verhängnis.

Statt die Gründe im offensichtlichen Versagen der Regierenden zu suchen, stürzte man sich auf die Rüpel Trump.

Die Quelle des Zorns waren die Eliten. Der Wunsch, Hillary als Inkarnation der Eliten bloßzustellen, sie verlieren zu lassen, überwiegte. Offenbar waren und sind all die von Journalisten offen gelegten Makel Trumps nicht entscheidend für den Wählerwillen. Entscheidend war offenbar vielmehr das Versagen der etablierten Eliten, gegenüber denen sich Trump als radikale Alternative präsentierte.

Radio-Vatikan-Leiter sieht "Niederlage des Journalismus":

Leiter der deutschsprachigen Redaktion, P. Hagenkord, zieht "vier Lehren" aus Wahlergebnis: "USA-Versteher" hatten Unrecht, Instrument der Meinungsumfragen "taugt nicht", Sieg "postfaktischer" Politik und Eliten müssen wieder Kontakt zu Menschen suchen

http://blog.radiovatikan.de/

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