Rilke, Hesse - hinhören und innere Ruhe finden

"Ein Tag ohne Gedicht ist ein verlorener Tag"

RILKE: "Abschied"

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.

Wenn das Zufällige und Ungefähre

verstummte und das nachbarliche Lachen,

wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,

mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:

Dann könnte ich in einem tausendfachen

Gedanken bis an deinen Rand dich denken

und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),

um dich an alles Leben zu verschenken

wie einen Dank.

Hesse: "STUFEN"

Veröffentlicht am 05.03.2014/Dichtung von Hermann Hesse (1941) /Rezitation: Gottfried John /Musik. Arrangement: Schönherz&Fleer - HesseProjekt- /

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend

Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,

Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend

Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

Uns neuen Räumen jung entgegen senden,

Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Rilke (Oskar Werner): "Herbsttag"

Herr, es ist Zeit

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;

gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

dränge sie zur Vollendung hin, und jage

die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

und wird in den Alleen hin und her

unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Hermann Hesse Originalaufnahme 1905: "Im Nebel"

Seltsam im Nebel zu wandern...kein Mensche kennt den anderen...

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den andern,

Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,

Als noch mein Leben licht war;

Nun, da der Nebel fällt,

Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,

Der nicht das Dunkel kennt,

Das unentrinnbar und leise

Von allen ihn trennt.

Seltsam, Im Nebel zu wandern!

Leben ist Einsamsein.

Kein Mensch kennt den andern,

Jeder ist allein.

Rilke (Oskar Werner):

"Du musst das Leben micht verstehen,

dann wird es werden wie ein Fest"

Du musst das Leben nicht verstehen,

dann wird es werden wie ein Fest.

Und lass dir jeden Tag geschehen

so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen

sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,

das kommt dem Kind nicht in den Sinn.

Es löst sie leise aus den Haaren,

drin sie so gern gefangen waren,

und hält den lieben jungen Jahren

nach neuen seine Hände hin.

Hesse: "Schlafengehen":

Veröffentlicht am 29.08.2016/Dichtung von Hermann Hesse /Rezitation: Ulrich Mühe /

Nun der Tag mich müd gemacht,

soll mein sehnliches Verlangen

freundlich die gestirnte Nacht

wie ein müdes Kind empfangen.

Hände, laßt von allem Tun

Stirn, vergiß du alles Denken,

Alle meine Sinne nun

wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele unbewacht

will in freien Flügen schweben,

um im Zauberkreis der Nacht

tief und tausendfach zu leben.

Hesse auf die Frage:

Was das wichtigste im Leben sei, meinte dabei bei Konfuzius nachschauen zu müssen, nämlich:

"Treue zu sich selbst und Güte zu den anderen"

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/der-weise-benoetigt-kein-ziel-er-ist-ueberall-angekommen-eine-persoenliche-siddharta-interpretation-14475

Rilke: "Ich finde dich in allen diesen Dingen"

Veröffentlicht am 11.08.2013/Dichtung von Rainer Maria Rilke /Rezitation: Gudrun Landgrebe /Musik: Robert Haig Coxxon-longing- /Video: MyHPTube /

Ich finde dich in allen diesen Dingen,

denen ich gut und wie ein Bruder bin;

als Samen sonnst du dich in den geringen

und in den großen giebst du groß dich hin.

Das ist das wundersame Spiel der Kräfte,

dass sie so dienend durch die Dinge gehn:

in Wurzeln wachsend, schwindend in die Schäfte

und in den Wipfeln wie ein Auferstehn.

RILKE: "Herbst"

HERBST Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

RILKE(Oskar Werner):

"Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort"

RILKE (Gudrun Landgreb): alles Leben wird gelebt.

Veröffentlicht am 23.03.2016/Dichtung von Rainer Maria Rilke - Das Stundenbuch - /Rezitation: Gudrun Landgrebe /Musik: Antonio Vivaldi /

Und doch, obwohl ein jeder von sich strebt

wie aus dem Kerker, der ihn hasst und hält, -

es ist ein großes Wunder in der Welt:

ich fühle: alles Leben wird gelebt.

Wer lebt es denn? Sind das die Dinge, die

wie eine ungespielte Melodie

im Abend wie in einer Harfe stehn?

Sind das die Winde, die von Wassern wehn,

sind das die Zweige, die sich Zeichen geben,

sind das die Blumen, die die Düfte weben,

sind das die langen alternden Alleen?

Sind das die warmen Tiere, welche gehn,

sind das die Vögel, die sich fremd erheben?

Hesse: "Manchmal, wenn ein Vogel ruft"

Veröffentlicht am 09.07.2016/Dichtung von Hermann Hesse /Rezitation: Gottfried John /Sitar: Gaurav Mazumdar /Arrangement: Schönherz&Fleer /

Manchmal, wenn ein Vogel ruft

oder ein Wind geht in den Zweigen

oder ein Hund bellt im fernsten Gehöft,

dann muß ich lange lauschen und schweigen.

Meine Seele flieht zurück,

bis wo vor tausend vergessenen Jahren

der Vogel und der wehende Wind

mir ähnlich und meine Brüder waren.

Meine Seele wird Baum

und ein Tier und ein Wolkenweben.

Verwandelt und fremd kehrt sie zurück

und fragt mich. Wie soll ich Antwort geben?

Hesse: "Glück"

Veröffentlicht am 18.09.2014/Dichtung von Hermann Hesse /Rezitation: Juliane Köhler /Musik.-Arrangement: Schönherz&Fleer /

Solang du nach dem Glücke jagst,

Bist du nicht reif zum Glücklichsein,

Und wäre alles Liebste dein.

Solang du um Verlornes klagst

Und Ziele hast und rastlos bist,

Weißt Du noch nicht, was Friede ist.

Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,

Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,

Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,

Dann reicht dir des Geschehens Flut

Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.

Oskar Werner, Ausnahmetalent, liest

Goethe, Schiller,etc...

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Gerhard Novak

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Petra vom Frankenwald

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