Mit 30 Milliarden musste Uniper 2022 vor dem Konkurs gerettet werden, weil es zu sehr in der Abhängigkeit von Gas stand. Der Konzern wurde verstaatlicht und erfolgreich von den Schulden befreit.
Also nochmal in die Sackgasse!
Es gibt in der Wirtschaft jene besondere Form der Innovation, bei der man nichts Neues schafft, sondern das Alte als Zukunft verkauft. Uniper, einst Symbol deutscher Energieversorgungssicherheit, später Mahnmal des fossilen Größenwahns, nun Staatsbesitz, hat beschlossen, den „grünen Umbau“ zu bremsen und stärker auf Gas zu setzen (General-Anzeiger, 08.08.2025). Das klingt nach Realismus, ist aber in Wahrheit die Kunst, aus einer Sackgasse eine Schnellstraße zu machen.
Der Konzern argumentiert, er handle im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung. Diese Regierung hat sich Klimaneutralität bis 2045 verordnet (BMWK, Klimaschutzgesetz 2021), ruft zum massiven Ausbau erneuerbarer Energien auf, investiert Milliarden in Wasserstoffstrategien – und toleriert nun, dass ihr eigener Mehrheitsbetrieb das Gegenteil praktiziert. Man kann das Doppelmoral nennen, oder – in der Sprache des Berliner Politikbetriebs – „pragmatische Anpassung“.
Die Begründung für mehr Gas lautet Versorgungssicherheit. Doch diese Sicherheit ist jene Sorte, die man mit einer Fessel verwechselt: Deutschland hat seine Abhängigkeit von Russland zwar reduziert, aber bezieht weiter den Großteil seines Gases aus Norwegen, den Niederlanden und per LNG aus Katar und den USA (BMWK, Energie-Importbericht 2024). Wer die geopolitische Erpressbarkeit für ein überwundenes Problem hält, sollte sich daran erinnern, wie schnell ein „verlässlicher Partner“ in eine politische Geiselhaft verwandeln kann.
Besonders grotesk ist die historische Erinnerungslücke: 2022 musste der Staat Uniper mit über 30 Milliarden Euro stützen, weil das Unternehmen in russischem Gas badete, bis der Markt sich abkühlte (FAZ, 21.12.2022). Nun, von Schulden befreit und unter staatlicher Aufsicht, beschließt derselbe Akteur, wieder auf fossile Exzellenz zu setzen. Man könnte das als mutig bezeichnen, wenn man unter Mut das Anzünden einer Tankstelle versteht, um zu prüfen, ob Benzin brennt.
Die ökonomische Kurzfristlogik – Gas bringt jetzt Rendite, Erneuerbare erst später – ist das geistige Fossil, das diesen Kurs trägt. Später, das wissen wir, ist der Ort, an dem die Verantwortung verschwindet. Während Investoren auf sichere Dividenden hoffen, wird das Land technologisch abgehängt, weil Innovationen nicht auf den Feldern der Zukunft, sondern in den Gräbern der Vergangenheit gesät werden.
Der Skandal bleibt aus, weil er längst ritualisiert ist. Medien berichten, Politik erklärt, Experten warnen, und am Ende des Zyklus steht das nächste Jahr mit denselben Schlagzeilen. Man hat sich daran gewöhnt, dass Klimaschutz ein frommer Wunsch ist, der sich im warmen Atem der Erdgasleitung auflöst. Der Zynismus besteht darin, dass diese Entscheidungen im Namen der Bürger gefällt werden – jener Bürger, die den Preis nicht nur in Euro, sondern in Zukunftschancen zahlen werden.
Wer dabei noch von einer „Energiewende“ spricht, verwechselt die Richtung mit der Drehbewegung. Und so dreht sich das Land, festgezurrt an seinen fossilen Partnern, weiter im Kreis, bis der Kreis sich schließt.