Fotomontage Manfred Breitenberger
Zbigniew Brzezinski (1928 Polen - 2017 USA) war Professor für Außenpolitik, der Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, Berater am „Zentrum für Strategische und Internationale Studien“, Autor politischer Analysen und gilt als Vater der NATO-Osterweiterung. Brzeziński war der Architekt der Operation Cyclone. Die Operation hatte das Ziel, die islamistischen Mudschahedin Afghanistans zu stärken, um die säkulare, kommunistisch ausgerichtete Regierung zu stürzen
Die Blaupause für die Politik der USA in Osteuropa lieferte Brzezinski in seinem Buch von 1997 „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“. Der englische Titel ist: „The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives. “ In der Tradition von Sir Halford John Mackinder (1861–1947) und dessen Heartland-Theorie (1904) ist Brzeziński davon überzeugt, dass die Kontrolle des zentralen eurasischen Raums die Grundlage für die Weltherrschaft ist. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren die USA die einzige noch verbliebene Supermacht. In seinem Buch legt Zbigniew Brzeziński dar, welche Strategie die USA verfolgen sollten, um ihre globale Vormachtstellung zu behalten. Brzeziński formuliert eine aus der Geographie abgeleitete außenpolitische Roadmap für die nächsten 30 Jahre und leitet die Notwendigkeit ab, Russland weiter zu schwächen. Die NATO-Osterweiterung war von zentraler Bedeutung für die amerikanische Führungsrolle auf dem eurasischen Kontinent, der Heimat bedeutender Bodenschätze. Eurasien ist laut Brzezinski das Schachbrett, auf dem sich der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.
Brzezinski beschreibt das globale Ordnungssystems der USA wie folgt: „Kurz, Amerika steht in den vier entscheidenden Domänen globaler Macht unangefochten da: Seine weltweite Militärpräsenz hat nicht ihresgleichen, wirtschaftlich gesehen bleibt es die Lokomotive weltweiten Wachstums, selbst wenn Japan und Deutschland in einigen Bereichen eine Herausforderung darstellen mögen (wobei freilich keines der beiden Länder sich der anderen Merkmale einer Weltmacht erfreut); es hält seinen technischen Vorsprung in den bahnbrechenden Innovationsbereichen, und seine Kultur findet trotz einiger Missgriffe nach wie vor weltweit, vor allem bei der Jugend, unübertroffen Anklang. All das verleiht den Vereinigten Staaten von Amerika eine politische Schlagkraft, mit der es kein anderer Staat auch nur annähernd aufnehmen könnte. Das Zusammenspiel dieser vier Kriterien ist es, was Amerika zu der einzigen globalen Supermacht im umfassenden Sinne macht.“
Eurasien ist laut Brzezinski Amerikas geopolitischer Hauptgewinn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. „Ein halbes Jahrtausend lang haben europäische und asiatische Mächte und Völker im Ringen um die regionale Vorherrschaft und dem Streben nach Weltmacht die Weltgeschichte bestimmt. Nun gibt dort eine nicht-eurasische Macht den Ton an – und der Fortbestand der globalen Vormachtstellung Amerikas hängt unmittelbar davon ab, wie lange und wie effektiv es sich in Eurasien behaupten kann.“
Eurasien ist der größte Kontinent der Erde und geopolitisch von enormer Wichtigkeit. Wer Eurasien beherrscht, beherrscht zwei der drei höchstentwickelten und wirtschaftlich produktivsten Regionen des Planeten. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um zu erkennen, dass die Kontrolle über Eurasien automatisch die über Afrika nach sich zöge und damit die westliche Hemisphäre und Ozeanien gegenüber dem zentralen Kontinent der Erde geopolitisch in eine Randlage brächte. Nahezu 75 Prozent der Weltbevölkerung leben in Eurasien, und in seinem Boden wie auch seinen Unternehmen steckt der größte Teil des materiellen Reichtums der Welt.
Brzeziński weiter: „Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Transformation Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. (..) Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangte Russland automatisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden. Verlöre die Ukraine ihre Unabhängigkeit, so hätte das unmittelbare Folgen für Mitteleuropa und würde Polen zu einem geopolitischen Angelpunkt an der Ostgrenze eines vereinten Europas werden lassen.“
Russlands innenpolitische Erholung und die Handreichung Putins in Richtung Europa, EU und NATO bereiteten Brzezinski große Sorgen: „Sollte Russland als Anwärter auf eine Mitgliedschaft in einer dieser beiden Strukturen in Betracht gezogen werden? Und was wäre dann mit der Ukraine? Bei einem Ausschluss Russlands könnte der dafür zu entrichtende Preis hoch sein – die Russen würden sich in ihren Vorurteilen und Ängsten bestätigt fühlen, eine Art von selbsterfüllender Prophezeiung griffe um sich –, aber eine Aufweichung der EU oder der NATO könnte sich nicht minder destabilisierend auswirken. Eine weitere große Unsicherheit droht im geopolitisch im Fluss befindlichen zentraleurasischen Raum, die durch die potenzielle Verwundbarkeit der Dreh- und Angelpunkte Türkei und Iran noch verstärkt wird. Im auf der folgenden Karte eingezeichneten Gebiet von der Krim im Schwarzen Meer geradewegs entlang der neuen südlichen Grenzen Russlands nach Osten bis zur chinesischen Provinz Xinjiang, von da südlich zum Indischen Ozean hinab, weiter nach Westen bis zum Roten Meer, nach Norden zum östlichen Mittelmeer und zurück zur Halbinsel Krim leben an die 400 Millionen Menschen in etwa 25 Staaten, die fast allesamt sowohl ethnisch als auch in ihrem religiösen Bekenntnis heterogen und politisch weitgehend instabil sind. Einige dieser Staaten sind womöglich gerade dabei, sich Atomwaffen zu beschaffen. In diesem von leicht entflammbaren Hassgefühlen zerrissenen und von miteinander konkurrierenden mächtigen Nachbarn umgebenen Raum werden sich vermutlich Kriege zwischen Nationalstaaten wie auch, was noch wahrscheinlicher ist, langwierige ethnische und religiöse Konflikte abspielen. Deren regionale Ausdehnung wird maßgeblich davon abhängen, ob Indien als Hemmnis wirkt oder ob es von der einen oder anderen Gelegenheit Gebrauch macht, Pakistan seinen Willen aufzuzwingen.“
Brzezinski beschreibt Amerikas zentrale Ziele: „1.Das Engagement der USA für die Sache der europäischen Einigung ist vonnöten, um die moralische und Sinnkrise, die Europas Lebenskraft geschwächt hat, wieder wettzumachen, um den weit verbreiteten Verdacht der Europäer, Amerika wolle letztendlich gar keine wirkliche europäische Einheit, zu entkräften und um dem europäischen Unterfangen die notwendige Dosis demokratischer Begeisterung einzuflößen. Dies erfordert ein klares Bekenntnis Amerikas, Europa als seinen globalen Partner zu akzeptieren. 2.Kurzfristig ist eine taktische Opposition gegen die französische Politik und eine Unterstützung der deutschen Führungsrolle gerechtfertigt; langfristig wird ein geeintes Europa zu einer klareren politischen und militärischen Identität finden müssen, wenn ein echtes Europa tatsächlich Wirklichkeit werden soll. Dies erfordert eine gewisse Annäherung an den französischen Standpunkt hinsichtlich der Machtverteilung in den transatlantischen Institutionen. 3.Weder Frankreich noch Deutschland sind stark genug, um Europa nach ihren Vorstellungen zu bauen oder mit Russland die strittigen Probleme zu lösen, die eine Festlegung der geographischen Reichweite Europas zwangsläufig aufwirft. Dies erfordert ein energisches, konzentriertes und entschlossenes Einwirken Amerikas besonders auf die Deutschen, um die Ausdehnung Europas zu bestimmen und um mit – vor allem für Russland – derart heiklen Angelegenheiten wie dem etwaigen Status der baltischen Staaten und der Ukraine innerhalb des europäischen Staatenbundes fertig zu werden.“
Brzezinski forderte 1997 den Beitritt der baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen sowie Slowenien, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei und zuletzt auch die Ukraine zur EU und zur NATO: „Angesichts des besonderen geopolitischen Interesses, das Deutschland und Polen an der Unabhängigkeit der Ukraine haben, ist auch durchaus denkbar, dass die Ukraine allmählich in das Sonderverhältnis zwischen Frankreich, Deutschland und Polen eingebunden wird. Bis zum Jahr 2010 könnte sich die 230 Millionen Menschen umfassende deutsch-französisch-polnisch-ukrainische Zusammenarbeit zu einer Partnerschaft entwickelt haben, die Europas geostrategische Tiefe verstärkt“
Brzeziński schreibt über Russland: „Der Raum, den jahrhundertelang das Zarenreich und ein Dreivierteljahrhundert lang die von Russland dominierte Sowjetunion eingenommen hatte, sollte nun von einem Dutzend Staaten gefüllt werden, die in der Mehrzahl (außer Russland) auf eine echte Souveränität kaum vorbereitet waren und größenmäßig zwischen der relativ großen Ukraine mit ihren 52 Millionen Einwohnern und Armenien mit einer Bevölkerung von 3,5 Millionen lagen. Ihre Existenzfähigkeit erschien fraglich, während man ebenso wenig vorhersagen konnte, ob Moskau gewillt sein würde, sich auf Dauer an die neue Realität anzupassen. Der historische Schock, den die Russen erlitten, wurde noch durch den Umstand vergrößert, dass an die 20 Millionen russischsprachiger Menschen nun Bürger ausländischer Staaten waren, deren Politik zunehmend von nationalen Eliten dominiert wird, die nach Jahrzehnten mehr oder weniger erzwungener Russifizierung entschlossen sind, die eigene Identität zur Geltung zu bringen. Im eigentlichen Zentrum Eurasiens hinterließ der Zusammenbruch des russischen Imperiums ein Machtvakuum. (..)
Ein Dreivierteljahrhundert kommunistischer Herrschaft hatte der russischen Bevölkerung beispiellose Opfer abverlangt. Millionen seiner begabtesten und erfindungsreichsten Menschen wurden ermordet oder kamen in den Gulags ums Leben. In diesem Jahrhundert hatte das Land obendrein die Verwüstungen des Ersten Weltkriegs, das Gemetzel in einem langwierigen Bürgerkrieg und die Grausamkeiten und Verluste des Zweiten Weltkriegs erdulden müssen. Das herrschende kommunistische Regime zwang dem Land eine erstickende doktrinäre Orthodoxie auf und isolierte es von der übrigen Welt. Seine gegenüber ökologischen Belangen völlig gleichgültige Wirtschaftspolitik hat sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit der Menschen erheblich in Mitleidenschaft gezogen. (..) Die Schrecken und die Heimsuchungen, denen das russische Volk im Lauf dieses Jahrhunderts ausgesetzt war, lassen sich schwerlich überschätzen. Kaum eine russische Familie hatte die Möglichkeit, ein normales bürgerliches Leben zu führen. Man bedenke die sozialen Folgen der folgenden Ereignisse: Der russisch-japanische Krieg von 1905, der mit einer für Russland demütigenden Niederlage endete; die erste »proletarische Revolution« von 1905, die in den Städten in größerem Ausmaß Gewalt entzündete; der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1917 mit Millionen von Opfern und massiver wirtschaftlicher Erschütterung; der Bürgerkrieg von 1918 bis 1921, der abermals etliche Millionen Menschenleben forderte und das Land verwüstete; der russisch-polnische Krieg von 1919 bis 1920, der mit Russlands Niederlage endete; die Einführung der Straflager in den frühen 1920er-Jahren einschließlich der Dezimierung der vorrevolutionären Eliten und deren Massenflucht aus Russland; die Industrialisierungs- und Kollektivierungsschübe Anfang und Mitte der 1930er-Jahre, in deren Gefolge verheerende Hungerkatastrophen in der Ukraine und Kasachstan Millionen Opfer forderten; die großen Säuberungen und der Terror in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre, bei denen Millionen von Menschen in Arbeitslager gesperrt, über eine Million erschossen wurden und mehrere Millionen an den Folgen von Misshandlung und Hunger starben; der Zweite Weltkrieg von 1941 bis 1945 mit seinem in die Millionen gehenden Blutzoll von Gefallenen und Zivilisten und der ungeheuren wirtschaftlichen Verheerung; die Neuauflage des stalinistischen Terrors in den späten 1940er-Jahren, bei denen es wieder zu Massenverhaftungen und zahlreichen Hinrichtungen kam; der jahrzehntelange Rüstungswettlauf mit den Vereinigten Staaten, der vom Ende der 1940er- bis Ende der 1980er-Jahre dauerte und zur Verarmung der Gesellschaft führte; (..) Die Auflösung der Sowjetunion hat die Grenzen Russlands nach Westen auf höchst einschneidende Weise verändert und sein geopolitisches Einflussgebiet beachtlich schrumpfen lassen."
Mit der Unabhängigkeit der Ukraine wurden mehr als 300 Jahre russischer Reichsgeschichte plötzlich gegenstandslos. Durch den Verlust einer potenziell reichen industriellen und agrarischen Wirtschaft sowie von 52 Millionen Menschen, die den Russen ethnisch und religiös nahe genug standen, verlor Russland seinen imperialen Status. Die Unabhängigkeit der Ukraine beraubte Russland zudem seiner beherrschenden Position am Schwarzen Meer, wo Odessa das unersetzliche Tor für den Handel mit dem Mittelmeerraum und der Welt jenseits davon war. Unter geopolitischem Aspekt stellte der Abfall der Ukraine einen zentralen Verlust dar, denn er beschnitt Russlands geostrategische Optionen drastisch.
Brzeziński weiter: „Da die EU und die NATO sich nach Osten ausdehnen, wird die Ukraine schließlich vor der Wahl stehen, ob sie Teil einer dieser Organisationen werden möchte. Es ist davon auszugehen, dass sie, um ihre Eigenständigkeit zu stärken, beiden beitreten möchte, wenn deren Einzugsbereich einmal an ihr Territorium grenzt und sie die für eine Mitgliedschaft notwendigen inneren Reformen durchgeführt hat. Obwohl dies Zeit brauchen wird, kann der Westen – während er seine Sicherheits- und Wirtschaftskontakte mit Kiew weiter ausbaut – schon jetzt das Jahrzehnt zwischen 2005 und 2015 als Zeitrahmen für eine sukzessive Eingliederung der Ukraine ins Auge fassen. Dadurch vermindert er das Risiko, dass die Ukrainer befürchten könnten, Europas Erweiterung werde an der polnisch-ukrainischen Grenze haltmachen. Trotz seiner Proteste wird sich Russland wahrscheinlich damit abfinden, dass die NATO-Erweiterung im Jahre 1999 mehrere mitteleuropäische Länder einschließt, zumal sich die kulturelle und soziale Kluft zwischen Russland und Mitteleuropa seit dem Zusammenbruch des Kommunismus beträchtlich vertieft hat. Im Gegensatz dazu wird es Russland unvergleichlich schwerer fallen, sich mit einem NATO-Beitritt der Ukraine abzufinden, denn damit würde Moskau eingestehen, dass das Schicksal der Ukraine nicht mehr organisch mit dem Russlands verbunden ist. Doch wenn die Ukraine als unabhängiger Staat überleben soll, wird sie eher mit Mitteleuropa als mit Eurasien zusammengehen müssen. Soll sie zu Mitteleuropa gehören, wird sie an den Bindungen Mitteleuropas zur NATO und der Europäischen Union voll teilhaben müssen. Akzeptiert Russland diese Bindungen, dann legt es sich damit in seiner Entscheidung fest, selbst Teil von Europa zu werden. Russlands Weigerung wäre gleichbedeutend mit dem Eingeständnis, dass es Europa zugunsten einer eurasischen Identität und Existenz den Rücken kehrt. Der springende Punkt ist, und das darf man nicht vergessen: Ohne die Ukraine kann Russland nicht zu Europa gehören, wohingegen die Ukraine ohne Russland durchaus Teil von Europa sein kann.“
Kurzfristig liegt es laut Brzeziński im Interesse Amerikas, „den derzeit herrschenden Pluralismus auf der Landkarte Eurasiens zu festigen und fortzuschreiben. Dies erfordert ein hohes Maß an Taktieren und Manipulieren, damit keine gegnerische Koalition zustande kommt, die schließlich Amerikas Vorrangstellung infrage stellen könnte, ganz abgesehen davon, dass dies einem einzelnen Staat so schnell nicht gelänge. Mittelfristig sollte die eben beschriebene Situation allmählich einer anderen weichen, in der auf zunehmend wichtigere, aber strategisch kompatible Partner größeres Gewicht gelegt wird, die, veranlasst durch die Führungsrolle Amerikas, am Aufbau eines kooperativeren transeurasischen Sicherheitssystems mitwirken können. Schließlich, noch längerfristiger gedacht, könnte sich aus diesem ein globaler Kern echter gemeinsamer politischer Verantwortung herausbilden. Ausschlaggebend für die Dauer und Stabilität der amerikanischen Weltmachtstellung wird sein, wie die Vereinigten Staaten die wichtigsten geostrategischen Spieler auf dem eurasischen Schachbrett einerseits steuern und ihnen andererseits entgegenkommen und wie sie mit den entscheidenden geopolitischen Dreh- und Angelpunkten umzugehen verstehen. In Europa werden Deutschland und Frankreich auch weiterhin die Schlüsselfiguren sein, und Amerika sollte sich bemühen, den bestehenden demokratischen Brückenkopf an der westlichen Peripherie Eurasiens zu festigen und zu erweitern. Im Fernen Osten Eurasiens wird wahrscheinlich China immer stärker in den Mittelpunkt des Geschehens treten, und Amerika wird auf dem asiatischen Festland politisch nicht Fuß fassen können, wenn es nicht erfolgreich auf einen geostrategischen Konsens mit China hinarbeitet.“
Die Konzentration hegemonialer Macht in den Händen eines einzigen Staates wird, laut Brzeziński auf Dauer gesehen, immer weniger in die weltpolitische Landschaft passen. Daher ist Amerika nicht nur die erste und die einzige echte Supermacht, sondern wahrscheinlich auch die letzte: „Kurz, die Politik der USA muss unverdrossen und ohne Wenn und Aber ein doppeltes Ziel verfolgen: die beherrschende Stellung Amerikas für noch mindestens eine Generation und vorzugsweise länger zu bewahren und einen geopolitischen Rahmen zu schaffen, der die mit sozialen und politischen Veränderungen unvermeidlich einhergehenden Erschütterungen und Belastungen dämpfen und sich zum geopolitischen Zentrum gemeinsamer Verantwortung für eine friedliche Weltherrschaft entwickeln kann.“
Brzezinskis Analysen und Forderungen waren offensichtlich der Leitfaden für das Handeln des Westens in Osteuropa in den letzten 30 Jahren. Nachdem Deutschland 1941 die Sowjetunion überfiel und 27 Millionen Sowjetbürger ermordete, mehr als die Hälfte davon wurden hinter der Front von NS Einsatzgruppen und den Banden von Stephan Bandera ermordet, schenkten die Russen 1990 den Deutschen die Wiedervereinigung für das Versprechen die NATO würde sich nicht nach Osten ausdehnen. Die Zusagen und die Versprechen und die Verträge, wie der 2+4-Vertrag wurden innerhalb weniger Jahre vom Westen gebrochen. Die Tinte des 2+4 Vertrages war wenige Jahre trocken, da startete am 24.03.1999 die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder den Angriffskrieg gegen Jugoslawien, unter Missachtung des Grundgesetzes, des Völkerrechts, der Genfer Konvention, des NATO-Vertrages und eben gegen die Zwei-plus-Vier-Verträge. Im Jahr 2000 wurde Slobodan Milosevic in Serbien gestürzt. Am 25. 9. 2001 machte Wladimir Putin dem Westen in seiner Rede im deutschen Bundestag ein Angebot für eine enge Partnerschaft. Die ausgestreckte Hand wurde aber zurückgewiesen. Am 13. Dezember 2001, zwei Monate nach dem 11. September, traten die USA aus dem ABM-Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen aus. Kurz darauf wurden die Pläne für einen Raketenabwehrschild, der in Polen und Rumänien an der Westgrenze Russlands sowie seegestützt auf den Zerstörern der Arleigh-Burke-Klasse aufgestellt werden sollte, immer konkreter. Dieser Schild sollte nach einem nuklearen Erstschlag der USA die russische Zweitschlagskapazität abfangen können. Damit versuchten die USA, das Gleichgewicht des Schreckens zu durchbrechen und sich in die Position zu bringen, mit nur geringem eigenen Risiko einen nuklearen Erstschlag durchführen zu können.
Nun folgten die Regime-Change-Aktionen des Westens, zuerst im Jahr 2003, die Rosenrevolution in Georgien, 2004 die Orangene Revolution in der Ukraine und 2005 die Tulpenrevolution in Kirgisistan. Auf der Sicherheitskonferenz in München im Jahr 2007 warnte Putin: Eine Nato Erweiterung in die Ukraine würde Europa unsicher machen und Russlands Kerninteressen verletzen. Der Westen ignorierte Putins Warnung und setzte seine Politik fort. Bereits im Jahr 2006 gründete sich BRICS – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, um die Dominanz des Westens zu brechen. Die Finanzkrise von 2008 intensivierte das Zusammengehen von BRICS, die US-Staatsanleihen wurden nicht mehr als neutrale Reserveanlagen bewertet.
Auf dem NATO-Gipfel im April 2008 in Bukarest wurden der Ukraine und Georgien eine NATO-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Dann kam das entscheidende Jahr 2014, der rechtsextreme Maidan-Putsch. Das von der EU durchgepeitschte Assoziierungsabkommen, dass den wirtschaftlichen Bruch mit Russland bedeutet hätte wurde von Wiktor Janukowytsch nicht unterschrieben. Der demokratisch gewählte Präsident wurde mit rechtsextremer Gewalt und mit Milliardengeldern der USA und der EU weggeputscht. Die Menschen des Donbass, der Krim und der Ostukraine waren mit dem Umsturz nicht einverstanden und spalteten sich von Kiew ab. Kiew marschierte mit seinen rechtsextremen Regimentern in die Ostukraine ein und bombardierte die eigene Bevölkerung. Rund zwei Drittel der ukrainischen pro-russischen Soldaten der Ostukraine liefen zu den Separatisten mit ihren Waffen und Fahrzeugen über. Dieser Bürgerkrieg von 2014 bis 2022 kostete über 14.000 Menschen, überwiegend pro-russische Zivilisten das Leben. Als sich die Bombardierungen und die Truppenaufmärsche im Winter 2021 intensivierten und Wladimir Selenskyj androhte nun die Krim zurückzuerobern, marschierte Russland mit 180.000 Soldaten ein.
Die NATO-Staaten lieferten im folgenden Stellvertreterkrieg Waffen, Panzer, Munition und die Logistik, das NATO-Logistikzentrum für den Krieg gegen Russland liegt in Wiesbaden. Der Westen hat alle seine Militärarsenale geleert und hunderte Milliarden an die Ukraine überwiesen. Deutschland hat alleine im letzten Jahr 1000 Milliarden Euro Sonderschulden für diesen Krieg aufgenommen. Mehr Geld und mehr Waffen waren nicht möglich, die EU und Deutschland sind wirtschaftlich am Ende. Europa ist machtlos, europäische Soldaten haben keine Kriegserfahrung, keine Erfahrung im Drohnenkrieg, sie würden keine Woche an der Front überleben. Europa könnte Russland mit Marschflugkörpern und Raketen im Hinterland über die Ukraine angreifen, aber Russland könnte konventionell mit einer nicht zu verteidigenden Hyperschallrakete auf Wiesbaden antworten und dann bliebe für Europa nur die atomare Antwort und dieser Antwort würde eine Antwort folgen.
Die USA, die EU, Deutschland und die westlichen Verbündeten haben den Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem SWIFT-System beschlossen. Rund 20.000 Sanktionspakete sollten Russlands Wirtschaft ruinieren. Das Gegenteil ist eingetreten. Durch die Sanktionen war Russland gezwungen seine Wirtschaft umzustellen und diverse Waren selbst zu herzustellen, da man sie nicht mehr importieren konnte. Der Westen verlor nicht nur die für die eigene Produktion lebenswichtigen russischen Rohstoffe. Der Westen verlor den russischen Markt und statt Swift nutzt Russland wie nun auch viele andere Staaten alternative Zahlungssysteme und bezahlt statt dem Petrodollar aktuell mit der eigenen Währung und in der Zukunft mit einer goldgedeckten BRICS-Währung.
Der BDI-Präsident Peter Leibinger sagte am 2. Dezember 2025 der Nachrichtenagentur dpa, er sieht den Standort Deutschland „im freien Fall!“ Die Industrie wandert seit 2022 ins Ausland ab. Jedes Jahr meldet der deutsche Mittelstand rund 30.000 Insolvenzen. Deutschland größter Einzelexport nach China sind nicht mehr Autos, sondern Gold. Die deutsche Autoindustrie des einstigen Exportweltmeisters steht vor dem Zusammenbruch. Die Arbeitslosigkeit wird sich im nächsten Jahr dramatisch steigern. Die europäische, vor allem die deutsche und französische Wirtschaft steht im Gegensatz zu Russland am Abgrund. Die Staatsschuldenquote von Russland ist bei 16,4% des Bruttoinlandsprodukts. Im EU Raum liegt sie im Durchschnitt bei 81 %, in Frankreich liegt sie bei 113 %, Deutschland 62%, Italien 135% in den USA bei 124%. Das deutsche Sozialsystem, die Renten, das Gesundheitssystem, die Infrastruktur steht vor dem Zusammenbruch. Die Inflation treibt die Menschen in die Armut. Europa ist auf dem Weg von der ersten zur zweiten Welt.
Für Russland war dieser Krieg existenziell. Todbringende NATO-Raketen wenige Kilometer von Moskau an der Grenze zur Ukraine entfernt hätten die Sicherheit Russlands massiv und existentiell bedroht. Für Europa war der Krieg ein imperialistisches Abenteuer, wie der Afghanistankrieg oder der Krieg für die Zerschlagung Jugoslawiens. Russland hat den Krieg militärisch und wirtschaftlich gewonnen. Der Westen hat den Krieg militärisch, wirtschaftlich und moralisch verloren. Der Verlierer eines Krieges kann nicht die Zukunft schreiben, die Bedingungen für den Frieden stellt Russland. Die USA unter Donald Trump versuchen nun die Reißleine zu ziehen und werben für einen Frieden in der Ukraine. Die USA wollen sich peinliche Bilder wie in Afghanistan ersparen. Europa dagegen will den Krieg bis zum letzten Ukrainer weiterführen. Weitere Milliarden für die korrupte Ukraine sind Gelder in ein Fass ohne Boden. Für den kommenden Haushalt fehlen der Ukraine 120 Milliarden Dollar. Wer soll die bezahlen? Für die europäischen Politiker wäre der Frieden eine persönliche Katastrophe, sie müssten alle um ihre Ämter und ihre Macht bangen. Wie soll man den Bürgern die Niederlage erklären? Wie soll man den wirtschaftlichen Zerfall, die Milliarden an Ausgaben, die hunderttausenden Toten an der Front rechtfertigen?
Das beinahe unterschriftsreife Abkommen von Istanbul 2022 wurde von Boris Johnson und den USA abgelehnt, Russland hätte sich damals noch komplett zurückgezogen. Der ursprüngliche 28 Punkte Plan ist schlechter für die Ukraine als das Abkommen von 2022. Sollte es Europa und der Ukraine gelingen den Frieden zu verhindern wird man dem 28 Punkte Plan genauso nachtrauern wie man heute Istanbul nachtrauert.
Der Stellvertreterkrieg USA gegen Russland war auch ein Kulturkrieg, ein Krieg der Postmoderne gegen die Moderne. Der Westen hat seit den 1970er Jahren seine Kultur modernisiert und so kam es zu einem Werteriss exakt an der Linie des Eisernen Vorhangs. Die heutigen Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern oder in Ungarn zeigen dies deutlich. Laut Hauke Ritz vertritt Russland auch heute noch die Werte der Moderne, während der Westen angefangen hat, ganz neue Werte zu entwickeln, postmoderne Werte, die teilweise im Gegensatz zu den Errungenschaften der Moderne stehen. Der Westen hat seit dem Siegeszug der Identitätspolitik und nun speziell im Krieg gegen Russland längst seine Werte der Aufklärung verraten. Frauen und Juden sind beispielshalber in Europa Freiwild im öffentlichen Raum. Aufgrund der eigenen Sowjetvergangenheit lehnt Russland aber konsequent die Postmoderne ab. Sexualität beispielsweise ist im Westen nicht mehr privat, sondern wird öffentlich verhandelt. In Russland werden zwar Homosexuelle verfolgt, aber über ein Selbstbestimmungsgesetz wodurch ein Mensch jedes Jahr sein Geschlecht wechseln kann wird in Russland und im Rest der nichtwestlichen Welt nur der Kopf geschüttelt. In der Postmoderne setzte sich zum Beispiel die Idee durch, dass die Wahrheit subjektiv ausgelegt werden kann. Zur Postmoderne gehört die Dekonstruktion. Die Wahrheit wird dekonstruiert, täglich zu bewundern in den öffentlich-rechtlichen Medien. Die Geschichtsvergessenheit gegenüber Israel und Russland ist unerträglich geworden. Wie es den „Israelgegnern“ nie um die Palästinenser geht, sondern nur um ihren Hass auf Israel, so geht es den Ukraine-Unterstützern kaum um die Ukrainer, sondern immer um die verhassten Russen. Das Versprechen „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ scheint angesichts der Kumpanei mit einem Staat der den antisemitischen Massenmörder Stephan Bandera als Nationalheiligen verehrt vergessen zu sein. Ebenso der Artikel 26 des Grundgesetzes und dessen Sinn, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen soll.
Ob der Frieden nun bald kommt oder der militärische Zusammenbruch der Ukraine erst im Jahr 2026, mit der Niederlage der NATO, der EU und der Ukraine und dem Sieg Russlands wird die Welt bald eine andere sein. Pokrowsk ist das Stalingrad des Westens und wird bald wieder Krasnoarmiisk heißen. Die Politische Landschaft wird sich in Europa mit dem Zerfall der Wirtschaft, den Schuldenbergen und dem moralischen Bankrott grundlegend verändern. Die politische Elite in Europa wird über kurz oder lang abgelöst werden, die Postmoderne wird sich hoffentlich wieder auf ihre Wurzeln der Aufklärung besinnen. Die NATO wird ihre bisher schwerste Niederlage höchstwahrscheinlich nicht überleben. Die Ukraine wird sich langfristig den BRICS-Staaten anschließen. Europa kann den Wiederaufbau finanziell nicht leisten. Die Ukraine und der Krieg gegen Russland war der letzte Nagel zum Sarg der EU. Die Ukraine hatte 55 Millionen Einwohner bei seiner Gründung im Jahr 1991, heute sind es rund 20 Millionen. Viele Ukrainer werden in den Donbass und in die anderen russischen Oblaste der ehemaligen Ukraine fliehen um dort ein besseres Leben zu leben. Viele Ukrainer werden nicht in die Ukraine zurückkehren, im Gegenteil weitere werden nach Europa fliehen. Der Westen hat das Schachspiel politisch, wirtschaftlich und moralisch verloren. Das Blut, dass die Unterstützer der Waffenlieferungen, die Taurus-Forderer, die Sanktionenjunkies gegen Russland, das Blut an den Händen der Kriegstreiber wird nie trocknen, die Hände können noch so oft gewaschen werden, das Blut wird ewig haften bleiben.
Das Spiel ist aus. Schach matt.
Quellen: Zbigniew Brzeziński, – Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft und der Kampf um Eurasien Nomen Verlag | Hauke Ritz – Vom Niedergang des Westens zur Neuerfindung Europas, Promedia Verlag | Emmanuel Todd – Der Westen im Niedergang: Ökonomie, Kultur und Religion im freien Fall, Westend Verlag | Peter Scholl-Latour – Rußland im Zangengriff: Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam, Ullstein | Grzegorz Rossolinski-Liebe – Stepan Bandera, Leben und Kult, Wallstein Verlag, 2025 | Klaus Kellmann – Dimensionen der Mittäterschaft, Die europäische Kollaboration mit dem Dritten Reich – Böhlau Wien | Saul Friedländer – Das Dritte Reich und die Juden, 1933-1945, Beck Verlag 2010 | Peter Scholl-Latour – Rußland im Zangengriff: Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam, Ullstein, 2007
Gleichzeitig veröffentlicht bei Mission Impossible