Selbstermächtigung der «Antifaschisten»: In Giessen sammelten sich 30.000 Linke in dem Glauben, einen neuen Nationalsozialismus verhindern zu müssen – mit allen Mitteln

Kurz bevor sie turnusgemäss aus dem Amt schied, dachte die damalige Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, laut darüber nach, ob ihr Milieu (und eher nicht sie persönlich) zu den Waffen greifen müsste, sollte es zu einer ersten Regierungsbeteiligung der AfD kommen. Auf die Bemerkung ihrer Jungendorganisations-Funktionärin reagierten die Politiker der grünen Mutterpartei und andere linke Mandatsträger mit dem milden Urteil, hier handle es sich um einen klaren Fall von imageschädlichem, aber zum Glück sowieso nicht ernst gemeintem Verbalradikalismus.

Der 29. November, der Tag, an dem sich in Giessen eine andere Jugendorganisation gründete – die der AfD –, vermittelt eine erste Ahnung, dass es den Kräften, für die Nietzard spricht, nicht nur um Worte geht. Die Zielsetzung der 30.000 aus ganz Deutschland nach Giessen angereisten linken bis linksextremen Truppen lautete eben nicht, gegen die Gründung der AfD-Organisation «Generation Deutschland» zu protestieren – was ihr gutes Recht gewesen wäre –, sondern, die Veranstaltung mit allen verfügbaren Mitteln zu unterbinden. Dazu gehörten schon zwei Wochen vor dem Datum Drohungen gegen Mitarbeiter der Messe Giessen und Aufforderungen an Hotels, AfDlern keine Zimmer zu vermieten, und an dem Tag selbst die Blockade von grösseren und selbst kleinen Zufahrtsstrassen, Stein- und Flaschenwürfe auf Polizisten, ein Angriff auf nichtlinke Journalisten und eine körperliche Attacke auf den AfD-Politiker Julian Schmidt.

Den entscheidenden Satz formulierte das Linksaussen-Bündnis «Widersetzen» am Ende des Tages, an dem sich die «Generation Deutschland» dann doch formieren konnte, aber eben unter dem Schutz eines Polizeiaufgebots, wie es bisher in der Bundesrepublik noch für keine Tagung irgendeiner Parteijugend nötig war: «Wir haben heute wieder gesehen: Wir können uns auf den Staat im Kampf gegen den Faschismus nicht verlassen.» Daraus spricht der Wille der Selbstermächtigung: Beseitigt die Staatsmacht die AfD und deren Organisationen nicht selbst, so der Subtext, müssen Vorkämpfer des speziellen progressiv-deutschen Demokratieverständnisses die Sache eben selbst in die Hand nehmen.

In ihrer Vorstellung, an einem Reenactment von 1933 teilzunehmen, diesmal selbstverständlich auf der exklusiv richtigen Seite, dürfen sich die Blockierer und Strassenkämpfer von Giessen von höchsten staatlichen Stellen bestätigt fühlen. In seiner Rede zum 9. November nahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine ausdrückliche Engführung von NSDAP und Alice Weidels Partei vor – für Geschichtsbewusste hanebüchen, aber durchaus wirksam. Vizekanzler Lars Klingbeil bezeichnete die AfD-Mitglieder bekanntlich als «Faschisten»; etliche Journalisten gefallen sich immer wieder darin, Parallelen zur Endzeit der Weimarer Republik zu beschwören.

Wenn sich der hessische Innenminister Roman Poseck gegen die Linksextremen wendet, die in Giessen das Recht in die eigenen Hände zu nehmen versuchten, dann meint er das wahrscheinlich ehrlich. Aber mit seinen Worten steht er ziemlich verlassen gegen viele Mitglieder der politisch-medialen Klasse, die «Haltung» fordern, womit sie meinen, die richtige Gesinnung im Zweifel über das Recht zu setzen.

Gibt Giessen einen Vorgeschmack auf den Bürgerkrieg, den Kader wie Nietzard offenbar unter bestimmten Umständen für legitim halten? Zum Glück nicht. Ein Bürgerkrieg setzt immer voraus, dass sich Teile der bewaffneten Staatsmacht jeweils auf antagonistische politische Seiten schlagen. Dafür gibt es bisher keine Anzeichen. Es fehlt auch an der Bereitschaft auf der rechten Seite, die gleichen Kampfmittel anzuwenden wie die fast um neunzig Jahre verspäteten Nationalsozialismus-Verhinderer. Damals standen sich mit Hitlers und Thälmanns Gefolgsleuten zwei Blöcke gegenüber, die jeweils das Ziel verfolgten, mit kaltblütigem Gewalteinsatz eine Diktatur zu errichten. Diese Konstellation kennt das Deutschland von 2025 nicht.

" Man muss das Geschehen von Gießen mit militärischen Augen betrachten: Die Demonstranten fielen in einer Stärke von drei Divisionen über den Ort her. Dafür braucht es generalstabsmässige Planung und Kommandostrukturen. So sieht keine Demonstration sondern ein organisierter Krieg gegen den Staat und seine Bürger aus"

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Gulaschkoch

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trognon de pomme

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Miki

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