"Endlich einer, der es so sagt wie es ist"

Sprache ist, so mein persönliches Gefühl, in den letzten Jahren zum Gradmesser für PolitikerInnen geworden. Natürlich war es immer schon wichtig, wie sich jemand präsentiert hat und ob sein Akzent und seine Wortwahl zu seiner Klientel gepasst haben. Aber der Vorwurf des "Politikersprechs" scheint eine Waffe zu sein, derer sich der moderne Populismus, bei uns vor allem rechts, in Italien, Frankreich und den USA aber auch links, neuerdings besonders gerne bedient.

Die Gründe dafür sind nachvollziehbar, natürlich hören wir es lieber, wenn uns jemand sagt, dass wir allein recht haben. Natürlich fühlen wir uns wohl, wenn jemand in ein Mikrofon sagt, was wir uns selbst genauso oder so ähnlich denken. Scheinbar direkt, unumwunden, ohne Rücksicht auf falsche Zurückhaltung. Authentisch und ehrlich ist so eine/r dann.

Nein, eben nicht. Zuspitzungen, Meinungen, Diskussionen - alles immer schon Teil einer lebendigen demokratischen Kultur auf allen Ebenen, aber wenn jemanden eine politische Spitzenposition inne hat oder diese anstrebt, dann muss er oder sie wissen und auch kommunizieren, dass es nicht eine Meinung und nicht eine Lösung gibt. Das ist keine Politikersprech, das ist echte Ehrlichkeit. Situationen ändern sich ständig, müssen neu bewertet und angegangen werden, als man das vor ein paar Wochen noch vermutet hat. Anderen Meinungen und Sichtweisen muss in der Praxis Platz eingeräumt werden, Konsens nennt man das.

Öffentliche Rede und private Rede sind zwei Paar Schuhe, in Zeiten von Facebook und Twitter vergessen wir das manchmal. Wenn ich etwas öffentlich kundtue, kann ich das nicht mehr zurücknehmen, das Internet vergisst nicht. Die Kaste der Spitzenpolitiker hat sich diese Erkenntnis angeeignet und verinnerlicht und das ist auch gut so. Wir sehen am Beispiel Donald Trump was passiert, wenn man das nicht tut. Wenn man einfach redet und redet und twittert ohne abzuwägen, dass jedes Wort Konsequenzen hat. Plötzlich ist unklar welche Linie die USA gegenüber der EU einnehmen oder welche Lösung sie in Israel/Palästina anstreben. Justiz, Medien und Wissenschaft werden als ganzes in Frage gestellt, nicht von ein paar Freaks im Internet, die gerne Verschwörungsvideos auf youtube stellen, sondern von jemandem, der Entscheidungen trifft, die die ganze Welt beeinflussen. Extreme Meinungen - teilweise in völliger Ignoranz der Fakten - werden plötzlich breit kommuniziert und diskutiert.

Fingerspitzengefühl, Achtung vor der Meinung des Gegenübers, Respekt vor der immer bevorstehenden Veränderung, die mich dazu zwingt, vielleicht auch meine eigene Meinung zu überdenken - das sind keinesfalls Anzeichen von mangelndem Rückgrat oder Distanz zu den eigenen Leuten, es sind lediglich Eigenschaften, die eine wahre Führungspersönlichkeit ausmachen.

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Gerhard Novak

Gerhard Novak bewertete diesen Eintrag 23.02.2017 17:15:23

polyopini

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