Fünf gute Gründe am Sonntag Norbert Hofer zu wählen

Ein Beitrag für alle, die sich noch nicht sicher sind.

Es ist bestimmt der hundertste, tausendste, millionste Beitrag zur Bundespräsidentenwahl am Sonntag. Jede/r gibt seinen Senf dazu, jede/r hat eine Meinung. Zeitungen, Nachrichten im Fernsehen und im Internet und so ziemlich jeder zweite Beitrag auf Facebook, twitter und co scheint sich nur darauf zu konzentrieren.

Warum also Beitrag Nummer eine Million plus 1?

Weil ich das Gefühl habe, dass ganz viele immer noch nicht so genau wissen, was sie eigentlich machen sollen am kommenden Sonntag. Und vielleicht ist es ja ein ganz einfacher, kurzer Blick, der dem einen oder der anderen ein Stückchen weiter hilft.

Ich habe dabei versucht, mich aus meiner üblichen "linksliberalen Gutmenschenblase" heraus zu bewegen und meine eigene Meinung zum Thema Zuwanderer, Minderheiten, Liberalismus, Moral, Lebensentwürfe, etc. einfach mal außenvorzulassen.

Ein einfacher, kurzer Blick, auf fünf Punkte, Slogans, Aussagen mit denen die FPÖ in diesem Wahlkampf gearbeitet hat und die ich persönlich grundsätzlich sehr ansprechend fände:

1, Macht braucht Kontrolle

Das Amt des Bundespräsidenten ist in Österreich mit ungewöhnlich vielen Kompetenzen ausgestattet. Tatsächlich kann er die Gesetze, die der Nationalrat verabschiedet auf ihre Verfassungsmäßigkeit kontrollieren und auf die Regierungsbildung Einfluss nehmen, denn er erteilt den Auftrag dazu und gelobt die Regierungsmitglieder an oder auch nicht. (Beispielweise lehnte Thomas Klestil 2000 Hilmar Kabas und Thomas Prinzhorn als Minister ab.(1)) Allerdings sollte man bedenken, dass bereits 2018 wieder Nationalratswahlen sind. Ein mehr als gutes Abschneiden der Freiheitlichen und damit eine Regierungsbeteiligung ist nach derzeitigem Umfragestand sehr wahrscheinlich. Norbert Hofer wäre dann keine Kontrolle der Macht, sondern das alte System in einer neuen Farbe.

2, Unser Geld für unsere Leut'

"Unsere Leut'", das kann man interpretieren als Einsatz für Arbeitnehmerrechte. Das Geld soll an die österreichischen Arbeiter und Angestellten gehen, nicht an irgendwelche Manager, die in irgendwelchen Konzernzentralen sitzen. Tatsächlich greift die Strategie der FPÖ hier jedoch wesentlich kürzer. Herkunft, Nationalität, Ethnie und sogar Religion sollen bei Sozialversicherung, Arbeitslosengeld bzw Mindestsicherung (2) und Vergünstigungen wie dem Weihnachtsgeld (3) wieder eine Rolle spielen. Wer sich daran nicht aus moralischen Gründen stößt, in dessen Ohren mag das zunächst gut klingen. Wenn für die Anderen, die Fremden weniger Geld ausgegeben wird, dann bleibt doch mehr für die 'Alteingesessenen' über, oder?

Nein - selbst wenn wir ignorieren, dass eine solche Trennung auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes rechtlich gar nicht möglich ist - wenn ein Moslem kein Weihnachtsgeld bekommt, wird er für den Arbeitgeber schlicht billiger und damit attraktiver, vor allem bei gleicher Qualifikation. Das Ende vom Lied wäre, dass auch 'echte Österreicher' Lohneinbußen hinnehmen müssten. Letzlich würde also kein einziger Arbeitnehmer von einer solchen Regelung profitieren, egal welcher politischen Weltanschauung oder Religion, sondern ausschließlich die Arbeitgeber. Auch eine Trennung der Sozialversicherung wäre nicht nur rechtlich mehr als fragwürdig. Sie ist ökonomisch nicht sinnvoll, denn die Abgaben der in Österreich lebenden Migranten würden der allgemeinen Sozialversicherung vorenthalten. Außerdem würden die von der FPÖ vorgeschlagenen niedrigeren Abgaben eine weitere Kostenersparnis für die Arbeitgeber und weiteres Lohn- bzw Sozialdumping für ALLE bedeuten. Da könnten Verantwortliche aus allen Parteien ganz schnell auf andere grandiose Ideen kommen. Eine Trennung nach Geschlechtern, schließlich leben Frauen statistisch gesehen länger. Oder eine eigene Kasse für Raucher oder Übergewichtige. Oder eine Annäherung an das privatwirtschaftliche Modell, wer mehr bezahlt, bekommt auch mehr. Irgendwann erwischt es dann jeden.

Grundsätzlich gilt, wer Präzedenzfälle für die Aushöhlung von Arbeitnehmer- und Versichertenrechten schafft, wird erreichen, dass die Rechte von uns allen in Frage gestellt werden. Wer daran zweifelt, muss sich einfach nur in die Rolle eines Unternehmers versetzen und sich fragen, wen er selbst anstellen würde.

3, Schluss mit den Befehlen aus Brüssel

Die EU und Brüssel sind den Freiheitlichen schon lange ein Dorn im Auge. Und das ist nachvollziehbar. Die Europäische Union ist ein bürokratischer, undemokratischer, dringend zu reformierender Koloss. Auch mir stellt sich innerlich alles quer, wenn in Brüssel entschieden wird, welche Form Gurken haben dürfen. Oder wenn Staaten wie Griechenland, Portugal und Spanien quasi jede finanzpolitische Automie abgesprochen wird. Aber die EU und ihre Vorgänger sind die Grundlage für die längste friedliche Phase, die es in West- und Mitteleuropa seit Jahrhunderten gab und gibt. Dieser Umstand ist ist nicht hoch genug zu bewerten, besonders, wenn es Politiker gibt, die plötzlich wieder das Wort (Bürger-)Krieg in den Mund nehmen. Natürlich ist nicht gesagt, dass ein Europa der Nationalstaaten sofort wieder in Gewalt und Chaos versinken würde. Aber riskieren muss man es ja auch nicht unbedingt. Außerdem haben gerade kleine Staaten nur im Verbund eine Chance auf einem globalisierten Weltmarkt zu bestehen. Wie hoch mögen wohl die Chancen eines acht Million Einwohner zählenden Landes sein, sich in Verhandlungen über egal was gegen eine Macht wie China, Russland oder die USA durchzusetzen? Und zu guter Letzt, ja, es nervt, wenn Brüssel Kompetenzen hat, von denen wir glauben, dass sie in Österreich besser aufgehoben wären. Aber ganz ehrlich, seit ich mich erinnern kann, sind alle Nicht-Wiener davon überzeugt, dass die Regierung in Wien eh keine Ahnung von nix hat und dass man so viel wie möglich im Land entscheiden sollte, nicht im Bund. Und das kann man dann ohne weiteres noch einmal auf Bezirksebene runterbrechen. Trotzdem, an eine Trennung von Österreich hat bisher kein Bundesland gedacht. Oder diskutieren wir demnächst über den NÖÖXIT, wenn jemand aus Wien die Frechheit besitzen sollte, Landeskaiser Pröll doch einmal zu sagen, dass er das eine oder andere vielleicht doch nicht so machen kann, wie er will?

4, Respekt vor unseren PensionistInnen und unseren Frauen

Die FPÖ und Norbert Hofer werden nicht müde zu erwähnen, wie sehr ihnen die Pensionisten, die unsere Land mit harter Arbeit und Entbehrungen nach 1945 wieder aufgebaut haben, am Herzen liegen.(4) Und auch die Frauen, die eine schwere gesellschaftliche Last tragen, als Mütter und oft als pflegende (Schwieger-)Töchter, haben in den Freiheitlichen (übrigens fast ausschließlich Männer) Verteidiger ihrer Rechte gefunden, vor allem gegen fundamentalistische muslimische Unterdrücker.(5) Soweit so richtig. Abgesehen davon, dass meine persönliche Definition eines fundamentalistische Moslems vermutlich eine gänzlich andere ist, als die von Norbert Hofer, bin auch ich der Meinung, dass hart erkämpfte Frauenrechte verteidigt und an kommende Generationen und Migranten vermittelt werden müssen. Ich glaube, dass wir der älteren Generation ganz genau zuhören sollten, von ihr lernen und ihr mit Respekt begegnen.

Nur, die FPÖ meint das was sie sagt nicht ernst. Realität und Anspruch können nicht im Geringsten vereinbart werden. So fordert der Klubobmann der FPÖ Steiermark die "sehr geehrten Herren Asylanten" auf, Frauen nicht zu bedrängen oder zu begrapschen.(6) Gleichzeitig lehnt die FPÖ aber ein Gesetz, dass genau dieses Verhalten unter Strafe stellt als überzogen ab.(7) Und wenn sich Frau Gertrude an ihre Kindheit erinnert, an damals in den 30ern, als sich die Rhetorik radikalisierte und die Menschen ihre Empathie verloren, dann ist plötzlich nichts mehr übrig vom Respekt. Da wird aus der Frau mit der unschätzbaren Lebenserfahrung und der zu würdigenden Leistung für unser Land plötzlich eine gehirngewaschene Öko-Links-Faschistin.(8) Würde jemand so mit oder über meine Oma sprechen oder schreiben, nur weil sie ihre Meinung sagt, nur weil sie sich laut an etwas erinnert, was wir heute nicht mehr nachvollziehen können, - unabhängig davon, ob das meine eigene Meinung wäre - dieser Mensch hätte keine ruhige Minute mehr, so würde ich ihn und seine Facebook-Seite zutrollen.

5, 'Einer, so wie wir.' und 'Mehr direkte Demokratie'

Klingt gut, nicht? Norbert Hofer, ein einfacher Mann aus dem Burgenland. Kein Studierter. Keiner, der sich schon längst von der Gesellschaft entfernt hat. Ein einfacher Mechaniker, der die Sorgen des Volkes versteht. Ich ignoriere hier einfach einmal die Tatsache, dass Norbert Hofer seit 2006 Mitglied des Nationalrates und damit seit mehr als zehn Jahren Bezieher eines Monatsgehalts im Bereich von 8000 Euro ist.(9) Wir tun einfach so als würde dieses Bild stimmen. Es klingt verlockend, jemanden an der Spitze des Staates zu haben, der mit der gleichen Stimme spricht wie man selbst. Den die gleichen Sorgen und Nöte plagen. Der verspricht, das Volk durch mehr direkte Demokratie stärker einzubinden.

Aber warum eigentlich? Wann wurde 'Der ist so wie ich' zu einem Qualitätsmerkmal? Warum haben wir so einen Graus davor, dass der, den wir da wählen, bei vielen Dingen vielleicht oder sogar sicher besser Bescheid weiß als wir selbst? Fänden wir es gut, wenn der Pilot plötzlich eine direktdemokratische Durchsage machte 'Wir landen in wenigen Minuten. Diejenigen, die dafür sind, dass wir das Fahrwerk ausfahren, heben jetzt bitte die Hand.'? Oder wenn die OP am offenen Herzen nicht die ausgebildete Chirurgin machte, sondern die Schwesternschülerin, weil die viel authentischer ist? Wir haben doch auch kein Problem damit, dass unsere Mathematiklehrerin mehr übers Rechnen weiß als wir, dass sich unser KFZ-Mechaniker besser mit Verbrennungsmotoren auskennt und dass die Supermarktkassiererin nach einer Minute in der 250 Quadratmeter-Filiale den Bio-Voralpenland-Blauschimmelkäse findet, nachdem wir ihn zwanzig Minuten gesucht haben. Wir Frauen lassen uns von unserem Gynäkologen unsere Gebärmutter erklären, obwohl wir eine haben und er nicht. Wir vertrauen auf Experten, aus gutem Grund, weil wir nicht alles wissen können. Wir bezahlen sie dafür, dass sie ihre Arbeit machen und zwar sehr viel besser als wir das selber könnten. Und wir verlangen das auch von ihnen. Warum also haben wir gerade bei Politikern das Bedürfnis, dass der genau so ein Trottel sein muss wie ich? Und dass er bitte auch bei der kleinsten Verordnung über die Entsorgung von Hasenpemmerln noch eine Volksbefragung machen soll, anstatt selbst zu entscheiden, was das Richtige ist. Denn dafür bezahlen wir ihn ja eigentlich. Es ist eine psychologische Tatsache, dass wir diejenigen am meisten lieben, in denen wir die größte Ähnlichkeit zu uns selbst entdecken. Wir brauchen aber keinen Präsidenten, den wir lieben. Wir brauchen einen, der seinen Job erledigt und zwar so kompetent, wie alle anderen auch, die wir mit etwas beauftragen, das wir selbst nicht können.

(1) http://derstandard.at/2000032230118/Was-der-Bundespraesident-darf-und-was-nicht

(2) ua http://www.fpoe-bildungsinstitut.at/documents/10180/13608/Handbuch_freiheitlicher_Politik+(2).pdf S.113

(3) https://kurier.at/politik/inland/kein-weihnachtsgeld-fuer-muslime-freiheitliche-lassen-abstimmen/232.869.947 Ich hätte gerne das Original - die Facebook-Seite der "Freiheitlichen Arbeitnehmer Öberösterreich" - zitiert, dort wurde der Beitrag aber mittlerweile wieder entfernt.

(4) zB http://www.fpoe.at/artikel/neubauer-die-pensionisten-sind-keine-almosenempfaenger/

(5) zb https://www.facebook.com/norberthofer2016/photos/a.1653668578243770.1073741832.1650580648552563/1844044549206171/?type=3&theater

(6) www.youtube.com/watch?v=smwsVwplyDc

(7) "Problematisch sah [Philipp] Schrangl [FPÖ-Mandatar] auch die Nachschärfung im Sexualstrafrecht, wobei er meinte, bei Po-Grapschen wäre es überzogen, mit der scharfen Keule des Strafrechts zuzuschlagen." https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2015/PK0789/

(8) https://www.facebook.com/319420358263194/photos/a.319427858262444.1073741828.319420358263194/552788928259668/?type=3&theater

(9) https://www.norberthofer.at/

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