Über Häuslbauer und den Versuch einer Partei, Schikaniererei und Querulantentum als staatstragend zu verkaufen

Stellen Sie sich vor, sie haben einen Nachbarn, zu dem Sie, wie man so schön sagt, ein korrektes Verhältnis pflegen. Der ist aus Ihrer Sicht zwar ein wenig seltsam und Sie würden ihn auch nie zur Hochzeit der Kinder oder zu einer Geburtstagsfeier einladen, aber Sie sagen sich: Leben und leben lassen, man muss ja nicht alle Menschen lieben, aber man sollte sie respektieren und achten.

Dann bauen Sie ein Haus. Genauer: Sie wollen eines bauen. Zu diesem Behufe gibt es eine Bauverhandlung, zu der auch der Nachbar geladen ist. Alles geht gut, es gibt keinen Einspruch, sie bekommen Ihre Genehmigung mit ein paar Auflagen (wie Mindestabstand des Hauses zum Nachbargrundstück zum Beispiel). Und Sie übergeben die Verantwortung über Ihren Bau einem Ziviltechniker. Der ist immerhin ein Spezialist, Akademiker, sogar ein Mitglied der Ziviltechniker-Kammer, wird gut bezahlt und der sollte sich mit all dem, was beim Bauen zu beachten ist, perfekt auskennen.

Leider stellt sich Ihre Einschätzung des Ziviltechnikers und der von ihm zu beaufsichtigenden Baufirma als etwas zu optimistisch heraus: Weil der Baggerfahrer den Bagger versehentlich zwei Meter zu nahe an die Grundstücksgrenze herangefahren hat, er eh schon spät dran ist und es eigentlich eh wurscht ist und man in der Gemeinde gewohnt ist, fünf gerade sein zu lassen, beginnt er dort, wo er gerade steht, den Keller auszuheben.

Ihr Nachbar bemerkt das. Er kommt sogar öfter bei der Baustelle vorbei, plaudert mit den Arbeitern, auch mit dem Baggerfahrer und wird, wie halt so üblich, auch auf das eine oder andere Bier eingeladen. Er ist freundlich, verbindlich, sagt Ihnen sogar, dass das ein sehr schönes Haus werden wird.

Hinter Ihrem Rücken jedoch geht er zu einem befreundeten Rechtsanwalt und während noch der Mörtel zwischen den Ziegeln trocknet wälzen beide die Bauordnung sowie über www.ris.gv.at entsprechende Entscheidungen der Gerichte, studieren Artikel in den Fachzeitschriften.

Und dann kommt der große Tag: Die Gleichenfeier!

Es gibt eine Party, auch der Nachbar ist eingeladen, schließlich hat er ja unter dem Baulärm, dem unvermeidlichen Dreck auf der Straße usw. ein paar Monate lang gelitten. Ein Löffel wird gegen ein Glas geschlagen, der Nachbar möchte eine Rede halten.

In der Rede eröffnet er Ihnen, dass ihm der Baggerfahrer erzählt habe, dass das Haus zu nahe an der Grenze steht. Er, der Nachbar sei ein rechtschaffener Bürger, es sei seine staatsbürgerliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden. Und deshalb müsse er, so leid es ihm tue, leider bei der Baubehörde vorstellig werden und die Beseitigung des bescheid- und rechtswidrigen Zustandes fordern, sprich, einen Abbruchbescheid für Ihren gerade fertiggestellten Rohbau erwirken. Niemand bedaure das mehr als er, aber Recht müsse Recht bleiben und nur, weil er bei kleinen Verstößen gegen die Bauordnung bei älteren Bauten in der Nachbarschaft bisher nichts gesagt habe (genauer gesagt habe er von diesen Mängeln bis dato gar keine Kenntnis gehabt), heiße nicht, dass er Ihren Verstoß tolerieren könne.

Gleichzeitig versichert der Nachbar ausdrücklich, nur Recht und Gerechtigkeit im Sinne zu haben. Ja, er schwört, dass er, wäre ihm das gleiche bei seinem Hausbau passiert, er aus Prinzip nicht gezögert hätte, Selbstanzeige zu erstatten und in weiterer Folge sein eigenes Haus hätte schleifen lassen.

Und so kommt es auch: Sie bekommen Ihren Abbruchbescheid. Und alle Nachbarn, Freunde und Bekannten sagen, dass der Nachbar ja leider Recht gehabt habe. Gleichzeitig fluchen alle auf den Bürgermeister bzw. dann den Gemeinderat als Baubehörde 1. und 2. Instanz, die sich unverständlicherweise auf die Buchstaben des Gesetzes berufen und sagen, dass sie, ohne sich selbst (Stichwort Amtsmissbrauch) strafbar zu machen, gar nicht anders hätten handeln können.

Wer noch immer nicht genau weiß, warum ich diese Geschichte erzähle, der sei auf das Interview im aktuellen Falter mit Verfassungsrichter Schnizer verwiesen.

Dieses Interview (und daher sei Florian Klenk und dem Falter dafür gedankt, es gratis zum Lesen online zur Verfügung gestellt zu haben) wird meiner Meinung nach in die Geschichte eingehen.

Und Johannes Schnizer muss man dafür dankbar sein, den Verfassungsgerichtshof und seine Richterinnen und Richter durch diese, in allgemein verständlicher Form gehaltenen, Ausführungen den Menschen sehr viel näher gebracht zu haben.

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