Abschied in Raten

Ein lautes Klopfen an der Tür reißt mich aus dem Schlaf. Ich versuche, einen Blick auf die Uhr zu werfen, finde meine Brille nicht und kneife die Augen zusammen. Es ist 03:42. Das Klopfen wird energischer. Eine panische Stimme ruft nach Josef. Josef ist mein Mann und schläft neben mir den Schlaf der Gerechten.

Bevor sie das ganze Haus weckt, eile ich zur Tür. Draußen steht meine Mutter, gerade im Begriff wieder an die Tür zu hämmern. Ihre Haare sind zerzaust, der Haargummi hat sich gelockert und irgendwo zwischen ihrem Bett und der Tür wird sich wohl die Pyjamahose finden. Die hat sie ausgezogen. Wenn ich Glück habe, finde ich den einen Socken auch gleich, den anderen hat sie noch an. Ich wünsche ihr einen guten Morgen. Sie fragt mich, wer ich bin, fragt nach Josef und danach, ob sie noch ein bisschen schlafen kann.

Ich beantworte geduldig ihre Fragen. Ich bin ihre Tochter, Josef schläft noch und es ist noch viel zu früh um aufzustehen. Sie kann also beruhigt wieder ins Bett gehen. Meine Mutter fragt mich, wo ihr Bett ist - ich unterdrücke den Impuls dahingehend zu antworten, dass sie doch grad aufgestanden sei und dies doch wissen müsste. Stattdessen bringe ich sie zu ihrem Bett. Die Pyjamahose findet sich wirklich am Weg dahin, der Socken ist futsch. Ich krame nach einem neuen Paar Socken, ziehe ihr den einen verwaisten Socken aus und das neue Paar an. Die Pyjamahose will sie partout nicht anziehen. Es wäre zu warm.

Sie fragt mich, nach Josef. Ich setze mich zu ihr und erzähle ihr, dass es noch ganz finster sei. Josef sei noch müde. Er würde noch schlafen.

Sie ist einigermaßen zufriedengestellt. Als ich aus ihrem Zimmer rausgehen will, fragt sie mich, ob ich sie nie alleine lassen würde. Ich sage ihr, dass ich auch noch ein bisschen schlafen werde. Die Kinder würden ja auch noch schlafen, und die Katze auch und der Hund auch. Und ich sage ihr, dass sie auch noch ein bisschen schlafen könnte. Sie müsse sich keine Sorgen machen, zum Frühstück wecke ich sie bestimmt wieder auf.

Ich versuche nochmals aus dem Zimmer zu gehen. Meine Mutter fragt mich, wo denn die Katze schlafen würde. Da ich es nicht weiß, behaupte ich, dass die Katze draußen schlafen würde - draußen vorm Haus. Irgendwo halt. Die Katze ist ja flexibel. Die Antwort stellt meine Mutter zufrieden.

Ich schleiche wieder zu meinem Bett. Josef bewegt sich ein bisschen, ich ziehe im die Decke über die nackte Schulter.

Gähnend suche ich nach meiner Brille, finde sie auch und schau auf die Uhr. Es ist 04:11. Eigentlich sollte ich noch ein bisschen schlafen. Aber jetzt bin ich munter.

Meine Mutter nimmt mir die Entscheidung ab. Sie steht wieder an der Tür und klopft.

Ich gehe also wieder raus.

Sie fragt mich, wer ich bin und wo Josef sei.

Ich bugsiere sie aus dem Türrahmen. Wir müssen ja nicht alle um diese Zeit aufstehen.

Ich erkläre ihr, dass ich ihre Tochter bin, und dass Josef noch schläft. Es sei ja noch ganz finster und auch die Kinder, die Katze und der Hund würden noch schlafen. Meine Mutter fragt mich, ob sie noch schlafen könne, was ich bejahe - wenn das Frühstück fertig sei, würde ich sie bestimmt aufwecken.

Ich bringe sie wieder ins Bett, decke sie zu und sage ihr, dass ich auch noch ein bisschen schlafen werde. Es wäre ja noch viel zu früh, um aufzustehen.......

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Claudia Braunstein

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Steirermadl

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Silvia Jelincic

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Reinhard Hödl

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