Abschied in Raten - Kapriolen vom Wetter und meiner Mutter

Hallelujah! Es sind Wolken da. Noch regnet es zwar nicht, aber die Sonne brennt nicht mehr so gnadenlos vom Himmel wie in den letzten Tagen. Zwar war die Nacht immer noch verhältnismäßig heiß, aber das derzeigte Panorama verspricht wenigstens ein wenig Abkühlung.

Meiner Mutter Wortschatz verringert sich zusehends. Die vergangene Woche war mehr oder weniger von den Worten geprägt, mit denen meine Mutter mitteilte, dass es ihr zu warm wäre. Abhilfe dagegen zu schaffen ist schwierig. Das, was für uns eine gute Alternative darstellt, wie die Beine ist kühle Wasser zu halten, ist leider für meine Mutter nicht mehr im Bereich des Möglichen. Ich habe den Verdacht, dass alleine das Aussprechen diverser Anwendungen sofort eine Blasenentzündung bei meiner Mutter hervorruft. In Verbindung mit einer Demenz ist eine Blasenentzündung eine wenig unterhaltsame Angelegenheit. Vor allem verfügt meine Mutter über ein schier unermüdliches Durchhaltevermögen, die Toilette zu suchen, zu finden und bereits beim Verlassen der Toilette wieder darüber nachzudenken, wo die Toilette ist. Gepaart mit dem eingeschränkten Wortschatz, diese Tätigkeiten auch monoton zu kommentieren, ist das eine Belastungsprobe. Josef erträgt es gelassen, wie immer. Er wird nicht überdrüssig, jede Frage mit einer mehr oder weniger absurden Geschichte zu beantworten. Für mich ist es schon ein Highlight, wenn meine Mutter die falsche Tür erwischt, das Bidet zur Toilette umfunktioniert und dann, der Ordnung halber doch noch die Toilettenspülung tätigt.

Wie gesagt - Abkühlung ist schwierig. Wer je einen dementen Menschen betreut hat, der weiß vielleicht auch um die Schwierigkeit, diesen Menschen zum Trinken zu animieren. Das ist ein Geduldsspiel, bei welchem ich regelmäßig versage.

Sonne in dieser Intensität ist also nichts für meine Mutter.

Regen mag sie auch nicht. Seltsamerweise mobilisiert sie bei Regenwetter regelmäßig einen überdurchschnittlichen Bewegungsdrang. Da kommt es schon mal vor, dass sie um 4 Uhr morgens übers ganze Gesicht strahlt und wissen will, wo wir hingehen. Meine zwar logische, aber für sie wenig erfreuliche Mitteilung, dass sie um diese Zeit lediglich ins Bett gehen kann, quittiert sie mit einer gewissen Hartnäckigkeit, was diese Frage betrifft, weil sie keine zehn Minuten später abermals an der Tür steht. Wenn wir dieses Spiel oft genug gespielt haben, gebe ich meistens auf und stehe auf. Wahrscheinlich ist es ohnehin nur ein Mhytos, dass man bei Regen besser schläft - ich könnte es derzeit nicht bestätigen.

Offensichtlich hat meine Mutter ein Haustier - eine Tsetse Fliege, von der sie sich, kaum dass ich aufgestanden bin, stechen lässt. Dann verzieht sie sich wieder ins Bett und gönnt sich ihren wohlverdienten Schlaf. Da meine Mutter nun also des öfteren beschlossen hat, dass die Zeit um fünf Uhr morgens für mich eine gute Zeit zum Aufstehen ist, musste ich mir ein stilles Hobby zulegen. Erst habe ich es mit Lesen versucht, aber Lesen macht in Ermangelung von Koffein um diese Zeit müde. So habe ich begonnen Grannys zu häkeln. Meine Schwester hat inzwischen schon 2 gehäkelte Bettüberwürfe fürs Doppelbett, drei meiner Kinder haben ebenso Grannydecken bekommen - das vierte ist sich wegen der Farben noch nicht so sicher. Zwischen fünf und halb zehn oder zehn, wo die Wirkung der Tsetse Fliege dann nachlässt, bringt man schon was weiter. Ich arbeite gerade an meiner zweiten Riesendecke für mich.

Logischerweise bringt meine Mutter keinerlei Verständnis für mich auf, wenn ich mit ihrer guten Laune, die sie dann am Vormittag heraushängen lässt, nicht mithalten kann, weil ich müde bin. Ich sehe mich des öfteren mit der vorwurfsvollen Frage, was ich denn in der Nacht machen würde, konfrontiert. Eine wahrheitsgemäße Beantwortung dieser Frage ist nicht zweckdienlich , da meine Mutter mir nicht folgen kann. Vor allem - sie ist keineswegs das auslösende Übel für meine nächtlichen Tätigkeiten - das weist sie strikt und vehement zurück.

Hagel oder Gewitter sind auch so eine Sache. Beides ruft keinerlei Wohlbefinden bei meiner Mutter hervor. Vor Gewittern habe sie schon immer Angst gehabt, behauptet sie unnachgiebig, auch wenn ich mich an diese Angst nicht erinnern kann. Das läge an meiner Vergesslichkeit, belehrt mich meine Mutter und erachtet das Thema somit als beendet. Den Hagel erträgt sie leichter, auch wenn sie alle 2 Minuten wissen will, was da aufs Dach kracht. Unverzeihlicherweise habe ich in meiner mir angeborenen, und bis dato auch nicht abgelegten Dummheit einmal die Tür aufgemacht um für Demonstrationszwecke ein Hagelkorn ins Haus zu holen.

Kaum war die Tür offen und die Geräusche unwesentlich lauter, hat sich meine Mutter an Josef geklammert und um Hilfe gerufen. Das Hagelkorn musste ich sofort wieder entfernen, sie wollte es nicht ansehen und auf keinen Fall angreifen. Bis dahin war ich mir der Gefährlichkeit eines einzelnen Hagelkorns, das ich von der Wiese aufgehoben habe, nicht bewusst. Es war offensichtlich so erschreckend, dass meine Mutter die Umklammerung von Josef erst aufgab, als der Hagel schon geschmolzen und die Wiese nahezu wieder trocken war. Glücklicherweise hagelt es nicht so oft, aber mir ist aufgefallen, dass Josef seitdem einen gewissen Sicherheitsabstand zu meiner Mutter einhält. Sicher ist sicher.

Wettertechnisch bleibt also nicht viel übrig, womit man meiner Mutter eine Freude machen kann. Vielleicht Schnee - aber da kann es durchaus sein, dass mich meine Erinnerung im Stich lässt.

Vielleicht ist meine dann Mutter zufrieden, wenn es gar kein Wetter gibt. Als sie eben wieder darüber lamentierte, dass es ihr viel zu warm sei, habe ich ihr mitgeteilt, dass ich ihr zuliebe das Wetter abschaffen werde.

Seitdem überlege ich, ob sie nun vollends den Wortschatz verloren hat - sie sitzt nur mehr da und schüttelt den Kopf.....

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Hansjuergen Gaugl

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