Bleibt daheim! - Notizen aus dem Krankenbett

Nach Monaten harten Gegensteuerns mit Neocitran, Aspirin, Aspirin C, Aspirin Komplex und allen anderen möglichen Drogen hat mich der grippale Infekt doch noch erwischt. Das Gebundensein ans Krankenbett lässt die Gedanken streifen.

1 Meine Gedankengänge haben zum Teil ein Standpunktproblem

Das möchte ich gleich nachschießen. Ich arbeite als männlicher Pädagoge im Volksschulumfeld und als Journalist – plus/minus muss ich mir null Sorgen darum machen, ob mich irgendwer wegen eines Krankenstandes kündigt. Das gilt sicherlich für viele andere nicht. Darum entschuldige ich mich ehrlich bei allen, die die weiteren Punkte lächerlich finden, weil sie sich aus berechtigter Sorge um den eigenen Job mit Fieber und Co. in die Arbeit schleppen müssen.

2 Ich bin nicht unersetzbar

Ich glaube, ich bin ein braver Angestellter und Auftragnehmer. Was ich so mache, kann ich recht gut. Das gilt wohl für so gut wie jeden anderen Menschen auch. Aber unersetzbar? Wer nicht gerade Ellen Degeneres oder Roger Federer oder irgendwer in dieser Preisklasse ist, ist ersetzbar. Und so sehr ich mich (und ich nehme an, viele von euch auch) in Allmachtsphantasien bade, hilft diese Erkenntnis dabei, das nächste Mal den Krankenstand nicht von Ende November bis Anfang März hinaus zu zögern.

3 Mein Haushaltszeitbudget gehört aufgestockt

Wer kommt denn auch gerne von einem anstrengenden Arbeitstag heim und putzt dann auch noch stundenlang? Ich jedenfalls nicht, meistens erledige ich das Nötigste und putze anlassbezogen. Also wenn ich irgendwann einmal Zeit habe, Freunde und Familie einzuladen. Binge-Aufräumen quasi. Dabei sollte ich mir echt viel mehr Zeit nehmen, die Wohnung in Schuss zu halten. Aber bei all der Arbeit...es ist zum Haareraufen.

4 Trotzdem kommt man auf die irrsten Ideen

Unter Fiebereinfluss ist die Wahrnehmung immer ein bisschen eingeschränkt. Darum hält man es, weil der horror vacui überhand nimmt und es ja sonst nix zu tun gibt, die gesamte Tupperware eingepackt wie das Michelinmännchen händisch zu waschen. Und drauf zu kommen, dass die Anzahl der Deckel jene der Gefäße in unglaublichem Ausmaß übersteigt. Allerdings könnte es ja sein, dass die noch irgendwo sind. (Spoiler: Sind sie nicht. Hab die Deckel aber trotzdem freilich nicht weg geworfen.)

5 Was stopfe ich eigentlich an Mist als „Essen“ in mich rein?

Da kann ich mich für noch so intelligent halten – nach einem anstrengenden Arbeitstag muss das Essen einfach da sein und sonst nix. Sprich, das Zeug ist recht ungesund. Ich futtere es wider besseren Wissens. Vielleicht wäre ich ja jetzt auch gar nicht krank, würde ich endlich wirklich was daran ändern. Wenn man so den Küchenmüll mit etwas Aufmerksamkeit entsorgt, sind da erschreckend viele Fertigprodukte und erschreckend wenige Vitamine und sonstiges, gutes Zeugs drinnen.

6 Diskussionen im Internet sind fad

Wenn man so auf der Ersatzbank sitzt und für jedes Posting und jeden Tweet unbegrenzt viel Nachdenkzeit bekommt, sind die meisten Onlinediskussionen komplett wurscht. Normalerweise ist man ja so zwischen zwei Terminen, schnappt seine Keywords auf, die einen in die Diskussion ziehen – und schon ist man dabei. Schließlich will man das ja auch. Helfen diese – fast immer recht sinnlosen – Unterhaltungen durch den Arbeitsalltag, so sind sie mit genügend Zeit zum Nachdenken wirklich fad. Einerseits, weil die besprochenen Themen ohnehin recht belanglos oder durch eine Onlinediskussion nicht abänderbar sind. Andererseits, weil die Positionen sowie im Vorhinein abgesteckt sind.

7 Ich habe das Internet fertig gelesen

Abgesehen von Breaking News, das ohnehin meistens marginal Einfluss aufs tägliche Leben hat, vergeht irgendwann schlichtweg die Lust, sich wirklich mit dem neuesten Genderwahn-, Impf- oder Steuerreformartikel zu befassen. Ändert sich dadurch etwas? Vielleicht würde es die ja alle nicht mehr geben, wenn wir alle mal eine Woche krank wären? Eine kühne Behauptung!

8 Mein Leben ist in gewissen Punkten überarbeitungswert

Nachdem sich der gesamte, gerade genannte, Ramsch ins Nichts aufgelöst hat, kommt unweigerlich der Gedanke daran, dass die sonstigen Erlebnisse einer Arbeitswoche nicht nur redundant, sondern in gewisser Weise auch höchst unbefriedigend sind. Das fällt dir vielleicht nicht auf, wenn du in den Zeitabschnitten Arbeit – Wochenende – Arbeit – Urlaub denkst. So gefesselt ans Krankenbett schon. Zeit, viele Dinge anders zu machen.

9 Irgendwas wird schon hängen bleiben...

...und einmal im Jahr tut es mir und dem Körper sicherlich gut, einmal die Pausetaste zu drücken.

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Herbert Erregger

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