Das Hot Pants-Verbot ist ein Lehrbeispiel für...

Long story short: Eine Schulleiterinin Baden-Württemberg hat Hot Pants verboten. Es folgte der obligatorische Shitstorm. Wer mit „aufreizender" Kleidung in die Schule kommt, muss nun ein großes T-Shirt tragen. Aus dieser Geschichte kann man nun einiges lernen.

Das ist einfach nur sexistisch

Die Schulleiterin schreibt in dem Elternbrief davon, dass gewisse Werte gesellschaftlicher und sozialer Natur hoch gehalten werden sollen. Bullshit. Die ganze Aktion bei Temperaturen jenseits der 30 Grad zielt freilich nur auf die Mädchen ab. Punkt. Im Elternbrief wird ja explizit von Hotpants und bauchfreien T-Shirts gesproche, welche sich bei männlichen Jugendlichen noch nicht durchgesetzt haben. Insgesamt zeigt es an, wie Herrschaftsverhältnisse ablaufen. Unter dem Deckmäntelchen irgendwelcher Werte sollen Mädchen zu züchtigen Frauen erzogen werden. Gleichberechtigung ist nicht Gleichbehandlung. Lineale raus, wir messen wieder Rocklängen.

Wer sexualisiert, ist das Problem

Realschulen werden von Jugendlichen bis 16 Jahren besucht. Abgesehen davon, dass Jugendliche sich in einer sensiblen Phase ihrer Entwicklung befinden und ihre Rolle in der Gesellschaft suchen: Wer zum Teufel empfindet Temperatur-gerechte Kleidung bei 14-Jährigen als aufreizend, vor allem für wen? Vielleicht sollte man schon beim Begriff „Hot Pant" ansetzen, was ja auf Sexyness abzielt. Es hat draußen 35 Grad, Himmelarschundzwirn!, da will man sich eben nicht in all zu viel Stoff wickeln. Das ist nicht aufreizend, sondern praktisch. Oder sind die Jungs das Problem und nicht die Erwachsenen? Denn wer als erwachsener Mensch 14-Jährige in Hotpants sexy findet, sollte sich schleunigst Hilfe suchen. Und die Buben? Denen sollte ebenfalls beigebracht werden, dass Frauen und/oder Mädchen keine Sexobjekte sind, die man nach Lust und Laune angaffen kann. Aber auch da scheint Hopfen und Malz verloren, sprachen sich doch vor einiger Zeit 200.000 Landesbürger*innen GEGEN einen modernen Sexualkundeunterrichtaus.

Gebiaste Umfragenartikel sind Bullshit

Dem ist natürlich nicht genug, nein, YouGovmuss dann noch eine Umfrage mit 1.500 Menschen durchführen, die die „Zeit" dazu verleitet, auf dieser Basis zu titeln, dass die „Mehrheit der Bürger Hotpants verbieten" will. Das ist auf vielen Ebenen dümmlich. Zunächst einmal, da die Umfrage nach wie vor auf der Homepage prangt; dementsprechend: was soll das bitte? Ich meine, das erwartet man sich vielleicht von Bild oder Österreich und Co. Schon klar, laut Recherche war YouGov bei englischen Wahlen nah dran am Ergebnis, aber bei einer allgemein frei zugänglichen Umfrage im Internet ist doch fraglich, wer da worüber abstimmt. Warum lässt sich also der Redakteur oder Redakteurin darauf ein? Das ist unwürdig. Aber ja: Vermutlich wollte man genau DAS aussagen.

Was der Bild die Nackerten...

...ist dem Feuilleton die Wertediskussion. Schon klar, man kann auch eine angebliche Qualitätszeitung nicht ausschließlich mit dem großen Weltgeschehen und den wichtigsten Dingen der Welt füllen. Es braucht nun einmal Softnews. Und was dem Boulevardblatt halt das Promistrand/-abnehme/-whatever-Foto auf Seite 3 ist, ist dem Qualitätsmedium, das etwas auf sich hält, halt irgendwas mit Gender, Werten und sonstigen Geschwurbs. Zieht immer, geht immer, „früher war alles besser".

Ablenkung legitimiert

Und dann war da noch Griechenland. Da haben sich die deutschen Medien ja mehr als negativ ausgezeichnet. Wenn ich aber die ganze Zeit über den Werteverfall schreibe, bleibt ja wenigstens etwas über, das ich verteidigen kann. Wie sonst könnte die Unterdrückung der anderen legitimiert werden, als durch die Konstruktion eines eigenen Wertemodells, das a) streng konservativ ist und b) unbedingt und ur verteidigt werden muss? Bingo. Ich kann ja nicht hergehen und auf Seite 1 „den nervigen Griechen" (frei nach CDU-Vize Strobl) verbal verprügeln und dann dem braven Deutschen nichts geben, wovor er Angst hat es zu verlieren...

Das Hot Pants-Verbot ist ein Lehrbeispiel für die Verkommenheit der modernen Medien. Weit hergeholt? Von mir aus. Aber es zeig schon ganz schön, wie so manches Medium tickt.

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Silvia Jelincic

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