Oder: Warum mich der braune Mob nicht überrascht

Jetzt ist es also soweit – Köln, Leipzig – der braune Mob formiert sich auf den Straßen. "Bürgerwehren" schießen aus dem Boden, und immer mehr Menschen rüsten privat auf. Richtig überrascht bin ich von dieser Entwicklung nicht im Gegenteil, ich kann sie sogar verstehen.

Warum funktioniert Demokratie?

Freie Wahlen alleine machen noch keine Demokratie. Um Bestand zu haben, müssen noch mehrere – von uns allerdings mittlerweile als selbstverständlich empfundene – Faktoren hinzukommen:

  • Eine Demokratie als Friedensordnung setzt ein Gewaltmonopol des Staates voraus. Das bedeutet, dass nur der Staat "Gewalt" ausüben kann; "Selbstjustiz" oder das "Recht des Stärkeren" sind verpönt, stattdessen können sich die Bürger auf den Staat als Beschützer und Konfliktschlichter verlassen. Ein auf Selbstjustiz basierender Staat, in dem Bürger ihre Konflikte untereinander mit Waffengewalt austragen, kann niemans zu einer friedlichen Demokratie heranreifen!
  • Ergänzt und begrenzt wird das Gewaltmonopol des Staates durch den Rechtsstaat – die "Gewalt" des Staates ist dadurch gezäumt, dass ihre Anwendung nur im ausdrücklich gesetzlich erlaubten Ausmaß erlaubt ist. Kein Richter kann frei urteilen; kein Polizist jemanden nach Lust bestrafen. Vor dem Gesetz sind – theoretisch – alle gleich.
  • Weitere Voraussetzung zum Funktionieren einer Demokratie ist ein gewisses Grundvertrauen in die Institutionen des Staates – im Großen und Ganzen müssen die Bürger überzeugt sein, dass der Staat funktioniert. Zwar mag so mancher Politiker in den Augen des Bürgers "ein Volldepp" sein, mancher Beamter voreingenommen und manches Urteil unrichtig, aber das Vertrauen in die Institution – den Nationalrat, die Behörden, die Gerichte muss vorhanden sein.
  • Unablässig ist aber auch, dass der Bürger als eigentliches Souverän von den Politikern, von den Institutionen des Staates ernst genommen wird, ihm mit Respekt und Verständnis begegnet wird und er die Möglichkeit hat, am öffentlichen Leben teilzunehmen.

Theorie und Realität

Wir erleben derzeit eine massive Erodierung dieser Grundvoraussetzungen. Die Flüchtlingskrise ist nicht ursächlich für diese Entwicklung, wirkt derzeit aber als Katalysator und beschleunigt die bereits vor einiger Zeit eingetreten Entwicklung. Aus der Flüchtlingskrise lässt sich jedoch diese Erodierung dieser Voraussetzungen sehr schön nachvollziehen:

Wie soll ein Bürger an den Rechtsstaat glauben, wenn sein Leben bis ins kleinste Detail staatlicher Kontrolle und Reglementierungen unterworfen ist (von der Registrierkasse bis hin zur Parkordnung), die er brav einhält – während zugleich tausende Menschen täglich nahezu ohne Kontrolle, in Widerspruch zu internationalem Recht, zum Fremdenrecht, Staatsgrenzen unbeachtend durch Europa ziehen, nach Belieben verschwinden, untertauchen, Asyanträge mehrfach, mit falschen Dokumenten oder ohne stellen, das alles jedenfalls konsequenzenfrei?

Wie soll ein Bürger dem Staat das Gewaltmonopol weiter anvertrauen, wenn dieser nicht in der Lage ist, im Zentrum einer seiner Städte am Silvesterabend einen Mob zu bändigen, der für einige Stunden (egal, ob koordiniert oder nicht) fröhliche Jagd auf Frauen veranstaltete? Der Staat war machtlos, als seine Bürger es dringend benötigten – nur um wenige Tage, als PEGIDA in einer angekündigten Demonstration gegen die Missstände jener Nacht demonstrierte, vollste Präsenz zu zeigen und mit einer Tausendschaft auszurücken. Wie soll ein besorgter Bürger dies verstehen?

Wie soll ein Bürger einem Staat vertrauen, der bewusst die Unwahrheit verbreitet, Statistiken erkennbar falsch interpretiert, sich in Widersprüche und verzweifelte Dementis verstrickt ("Ruhige Silvesternacht." -> "Sicher keine Flüchtlinge!" -> "Kein Zusammenhang mit Flüchtlingsankünften!";)?

Und wie verarscht sollen sich die Bürger fühlen, wenn bekannt wird, dass teilweise Informationen bewusst zurückgehalten wurden, damit er sich nicht "verwählt" (zB in Schweden, wo erst unlängst bekannt wurde, dass es seit 2014 zu massiven gruppenweisen Belästigungen durch Flüchtlinge im Zuge eines Festivals gekommen ist, die absichtlich geheimgehalten wurden)? Wie verraten muss sich ein Bürger fühlen, wenn einem der Chef des AMS erklären will, dass die Flüchtlinge allesamt "besser ausgebildet sind als Österreicher" – und auf den ersten Blick erkennbar ist, dass weder die überprüften Flüchtlinge repräsentativ sind und noch dazu verlautbart wird, dass deren Angaben nicht überprüft wurden (..."haben keinen Anlass zur Annahme, dass sie lügen"...)?

Der Mob auf den Straßen

Ich kann die Entwicklungen verstehen – gerade auf "rechter" Seite muss die Frustration groß sein: zuerst werden die geäußerten Warnungen als "unbegründete Hetze" bezeichnet. Dann tritt das ein, wovor immer gewarnt wurde – und noch immer "darf" dem "rechten Rand" nicht nachgegeben werden und man eingestehen, dass möglicherweise ein Fehler gemacht wurde?

Ich kann die Frustration, den Unmut, die Enttäuschung verstehen. Ich kann verstehen, dass Medien als "Lügenpresse" bezeichnet werden, man Politikern nichts mehr glaubt, man den Vertrauen an den Rechtsstaat und die Fähigkeit des Staates, für Ordnung zu sorgen, verliert. Auch ich fühle mich verraten, wenn wieder eine leicht durchschaubare Lüge von den Medien nicht hinterfragt übernommen wird, nur um wenig später durch eine noch dümmere Aussage ersetzt zu werden – und ich fühle mich beleidigt, wenn unsere Politiker glauben, dass ihnen derartige Aussagen überhaupt irgendwer abnimmt. Die Machtlosigkeit, nichts dagegen unternehmen zu können, und die unbändige Wut, die aus dieser Hilflosigkeit resultiert.

Man verstehe mich nicht falsch – das soll keine Entschuldigung für den braunen Mob sein, der wahllos Ausländer attackiert oder Flüchtlingsheime abfackelt. Ich mag deren Gefühle verstehen, aber deren Taten deswegen noch lange nicht gutheißen - gerade in Zeiten wie diesen muss man für die Demokratie mit den Mitteln der Demokratie eintreten.

Die Zukunft...

Wenn die derzeitigen Entwicklungen so weiter gehen, sehe ich schwarz für unsere Demokratie. Das Vertrauen der Bürger schwindet in dem gleichen Ausmaß, in dem die Politik den Bürgern Schwachsinnigkeiten vorlügt und die Medien dies ohne zu hinterfragen übernehmen.

Den Abwärtstrend aufhalten kann nur eine verantwortungsvolle Politik, die den Bürger ernst nimmt, und ihm die Wahrheit nicht vorenthält. Eine mutige Politik, die zu den Folgen ihrer Handlungen steht und keine Angst hat, auch einmal eine Wahl zu verlieren. Eine Politik, die geäußerte Sorgen nicht einfach als "Hetze" abtut, sondern mit ehrlichen Fakten versucht, zu entkräften – und wenn sie das nicht kann, dann diese Sorgen als berechtigt anerkennt.

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Gerhard Novak

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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