Zum erstenmal gesehen habe ich sie am Schulball meiner Tochter. Sie ist mir gleich aufgefallen. Mit Sicherheit die attraktivste Frau am Ball - und das obwohl meine Ex auch da war - die war ja mit mir da. Groß, schlank, dunkle Haare - kein klassisch schönes Gesicht - aber sehr apart. Schlichtes, schwarzes Ballkleid. Ruhige, elegante Bewegungen. Sie hat mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern die Eröffnung des Balles geleitet. Natürlich dachte ich, sie ist eine Lehrerin.

Der Ball war dann noch sehr lustig. Aber sie habe ich nicht mehr gesehen. Mit der Tochter legte ich sogar eine wilde Polka aufs Parkett. Meine Ex-Frau und ich haben uns dann noch köstlich amüsiert. Das ganze letzte Jahr während unserer Ehe hatten wir nicht mehr soviel Spaß mitsammen. Wir sind dann sogar noch gemeinsam nach Hause gegangen.

Am nächsten Tag habe ich dann meine Tochter ganz diskret nach der ”Lehrerin” ausgefragt.

Dabei war sie gar keine Lehrerin, sondern die Mutter einer Schulkollegin. War mir aber auch egal. Und - so ein Zufall - stellt sich heraus, sie ist auch erst seit kurzem geschieden.

”Besorg mir ihre Telefonnummer” forderte ich die Tochter auf. Ein schmutziges Grinsen huscht über ihr Gesicht. ”Mißbrauchst jetzt sogar mich für Deine Weibergeschichten” war die verdiente Antwort. Aber die Tochter ist ja eine ganz liebe und fragt natürlich bei der Schulkollegin. Und auch die findet die Idee witzig und fragt die Mutter.

Also, ich habe die Handy-Nummer bekommen. Nach einigen ergebnislosen Anrufen hätte ich beinahe aufgegeben. Aber dann meldet sie sich doch. Trotz der mehr als schlechten Verbindung erfahre ich, dass sie im Waldviertel eine Schulung durchführt. Wir vereinbaren ein Treffen am Wochenende in zwei Wochen. Die genaueren Details klären wir dann noch bei einem weiteren Anruf.

Samstag vormittag. Ich rufe wie vereinbart an. Ja, es bleibt dabei. Wir treffen uns um Fünf im Landtmann. Ich werde Sie schon finden, ich weiß ja wie sie ausschaut. Sie allerdings nichts von mir. Ein kleiner Vorteil für mich. Ich muß ihre Neugier geweckt haben. Als ich dann im Landtmann auftauche, sitzt sie schon da, im Garten. Ein angenehmer Frühsommertag. Die Sonne wärmt die Haut und die Stimmung in der Luft ist wie gemacht für ein Rendevouz. Besser hätte ich es nicht bestellen können.

Sie ist genauso attraktiv wie am Ball. Weiße, ärmellose Bluse, dunkelblauer, kurzer Rock. Die Kostümjacke über den Sessel geworfen. Und eine Brille. Eine rote modische Hornbrille. Eine stilvolle Erscheinung.

Ich stelle mich vor und erfahre, dass sie Uli heißt. Sie findet meine Frechheit interessant und meint, dass sie sich eigentlich normalerweise nicht mit wildfremden Männern auf einen Kaffee trifft. Hab ich ein Glück, dass ich so hemmungslos bin. Beim Plaudern erfahre ich, dass sie als Personal-Coach arbeitet und selbständig ist. Die anfängliche Unsicherheit auf beiden Seiten verschwindet schnell. Wir haben ja ein gemeinsames Thema. Die Töchter und die Schule. Es tut beiden gut zu hören, dass nicht nur das Zimmer der eigenen Tochter ein einziges Chaos ist und Ordnung soetwas ähnliches wie ein Fremdwort ist. Wir finden uns sympathisch. Natürlich kommt das Gespräch auch auf die Beziehungen. Sie ist noch viel frischer geschieden als ich. Erst seit Faschingdienstag. Ein einprägsames Datum. Die Zeit vergeht und es wird Zeit abzuklären, was wir weiter machen. Vorsichtig erkunde ich ihre Pläne für den Abend. Schon wieder Glück, sie hat noch nichts vor. Also eigentlich wollte Sie bügeln und den Haushalt in Orndung bringen, aber die von mir angebotene Alternative erscheint ihr dann doch interessanter. Ich bringe sie nach Hause und wir vereinbaren, dass ich sie gegen Acht zum Abendessen abhole. Ich kenne da ein nettes Lokal, das Vinzenc, mit ausgezeichneter Küche und ruhigen, romantischen Nischen. Liegt sogar ganz in der Nähe unserer Wohnungen. Schnell fahre ich noch vorbei und suche mir einen geeigneten Tisch aus.

Dann nach Hause duschen und umziehen. Der Tochter bereitet es eine diebische Freude an meiner Kleidung herum zu nörgeln. Nein dieses Hemd paßt nicht zur Hose. Und wenn dieses Sakko, dann muß die schwarze Hose sein. Und überhaupt Hemd! T-Shirt ist doch viel besser.

Pünktlich um Acht steh ich vor ihrem Haustor. Sie hat sich auch umgezogen. Klassische, relativ flache Schuhe, schwarzer Mini-Rock. Sie hat Beine, um die sie viele Jüngere beneiden könnten. Dazu ein schwarzer, ärmelloser Rollkragenpulli. Den passenden Blazer hat sie über den Arm gehängt. Die knallrote Handtasche ist die Ergänzung zu den Brillen.

Die wenigen Minuten Fahrt zum Restaurant tauschen wir nur belanglose Freundlichkeiten aus.

Das Lokal ist in eine schummrige, von Kerzlicht dominierte Stimmung getaucht. Perfekt.

Wir bestellen die Speisen und dazu eine gute Flasche Rotwein. Aber mehr als ein Viertel wird sie nicht trinken. Sie verträgt keinen Alkohol. Soll mir auch recht sein.

Und dann, gleich nach der Bestellung, sagt sie: ”Aber ich habe einen Freund”. Was soll ich mit dieser Information anfangen. Ist mir eigentlich egal, heiraten will ich sowieso nicht.

Oder will sie nur abtesten, welche Intensionen ich habe? Ich tu auf alle Fälle so, als ob mich das gar nichts anginge. Und ihr Freund ist sicher kein Thema, das mich interessiert.

Das Essen ist vorzüglich und der Wein auch. Natürlich trinkt sie nicht nur ein Vierterl. Die Stimmung zwischen uns wird immer entspannter. Wir plaudern über ihren und meinen Job, den Ärger mit dem Finanzamt und die ungeliebte Buchhaltung. Wir entdecken ein Menge Gemeinsamkeiten. Und obwohl es hier alles andere als ungemütlich ist, schlage ich vor, noch in irgendeiner Bar einen Drink zu nehmen. Und ich weiß auch schon ganz genau wo.

Wir fahren in die Brodway-Bar. Eine kleine, nicht zu überlaufene Bar im Herzen von Wien. Vielleicht vier meter breit und zehn Meter lang. Ein größeres Wohnzimmer. Roter Plüsch, wohin das Auge reicht, aber nicht zwielichtig oder halbseiden. Weiche, dicke Sofas in die man versinken und kuscheln kann. Im hinteren Teil eine Bar. Und in der Mitte ein Konzertflügel. Oft treffen sich hier Künstler nach ihren Vorstellungen. Der Chef ist offensichtlich in Künstlerkreisen kein Unbekannter.

Normalerweise sind maximal drei oder vier Tische besetzt. Aber heute ist absolut kein Sessel mehr zu kriegen. Von den Sofas ganz zu schweigen. Gerade hinten an der Bar ist noch ein Platzerl zu ergattern. Und ein Barhocker. Natürlich biete ich den Uli an.

Am Klavier sitzt der Chef persönlich und spielt Jazzimprovisationen. Das eine oder andere erkenne ich. ”As times goes by” aus Casablanca zum Beispiel. Und natürlich ”Rapsodie in blue” von Gershwin. Uli ist begeistert. Ich auch. Von der Musik und von Uli.

Der Chef fordert jetzt einen der Gäste auf, neben ihm beim Klavier Platz zu nehmen. Ein junger Mann mit schelmischen Blick, der sofort in die Tasten greift. Boogie-Woogie - vierhändig. Der Rhytmus ergreift das ganze Lokal. Die Beiden spielen jetzt nicht für die Gäste, die Zwei spielen für sich. Der Spaß, den die dabei haben ist nicht nur zu hören und zu sehen. Jeder hier fühlt, dass da etwas Besonderes abläuft. Unglaublich, soetwas habe ich noch nie gehört und gesehen.

Leider enden auch besondere Erlebnisse. In dem Fall bin ich gar nicht so böse, schließlich möchte ich mich ja auch Uli widmen. Deswegen bin ich ja hier. Und das tue ich jetzt. Sie ist in hervorragender Stimmung. Die ersten Körperkontakte haben wir schon hinter uns und ich lege meine Hand um ihren Körper. Ich flüstere ihr ins Ohr, welch Glück ich habe, hier mit ihr zu sein. Offensichtlich empfindet sie genau so. Meine Hand liegt jetzt auf ihrem Oberschenkel. Vorsichtig beginne ich ihre Beine zu streicheln. Keine Gegenwehr, ganz im Gegenteil, ihre Augen teilen mir mit, dass sie nur darauf gewartet hat. Ich flüster ihr wieder etwas ins Ohr und küsse dabei ihren Hals. Es ist sehr heiß hier herinnen. Uli schlägt vor, ein ruhigers, bequemeres Lokal zu suchen. Wir gehen.

Beim Auto öffne ich zuerst ihre Wagentüre. Bevor sie einsteigt, nehme ich sie in die Arme und sage: ”Das muß jetzt sein” und dann küsse ich sie, leidenschaftlich und begeherend.

Wir fahren jetzt in kein anderes Lokal mehr. Wir fahren in mein Büro.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 25.01.2017 11:22:55

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 24.01.2017 16:45:55

26 Kommentare

Mehr von hagerhard