Eine Liebesromanze? Beinahe..

Es begann mit einem Rascheln im Raum, während "Easy Rider" über den Bildschirm flimmerte.

Easy Rider - gar nicht mehr wahr, schon so alt.

Das laute Rascheln im Raum war noch jung, war Realität. Eine Maus? Aber nein! Mäuse gibt es in meiner Sweet Lounge nicht!

Ich ging hinaus und holte eine Tafel Schokolade. Schokolade gegen Coronavirus.

Wieder zurückgekehrt, hatte ich ein großes, schwarzes Etwas auf meiner weißen Socke sitzen. Rechter Fuß. Wie kam es dorthin?

Ein Schrei gellte durch den Raum und sicher auch durch die Nacht.

Männerfüße trampelten die Treppe herunter. "Was ist passiert? Hat dich eine Hornisse gestochen?"

"Schaut, was auf meinem Fuß sitzt!"

Ooooohhhh, das Etwas war schnell identifiziert: Eine schwarz glänzende, wunderschöne Hirschkäfer-Dame. Ruhig saß sie auf meiner Socke und dachte sich wohl, warum diese so weiß ist. Auf ihren geliebten Eichen gibt es nichts, das weiß ist. Können große Käfer Farben sehen?

Easy Rider brausten durch die Nacht. Ich bettete die schwarze Dame auf ein rotes Samttuch und überlegte, was ich mit ihr anstellen sollte. Ich könnte eine Sammlung seltener, vom Aussterben bedrohter Flugkäfer eröffnen. Dafür müsste ich die Dame aber töten. Oh nein! Sie war viel zu kostbar. Im Zuge von Rettungsprogrammen werden ganze Wälder umgegraben, um alte, saftelnde Eichen für Hirschkäfer-Bruten zu erhalten.

Ich zog das Samttuch neben mich hin und gemeinsam haben wir zwei Stunden Filme geschaut. Einmal kitzelte ich die Käferdame unter dem Kinn, da senkte sie den Kopf. Ein anderes Mal kitzelte ich sie an den Hinterbeinen. Da hob sie einmal das linke Bein und einmal das rechte Bein, als wollte sie tanzen.

Als es Zeit zum Schlafengehen war, musste die Käferdame in ihre Welt zurückkehren. Wie sie aus dieser zu mir gekommen war, bleibt ein Rätsel, weil alle Fenster mit Netzen geschützt sind.

Ich trug die Schöne hinaus vor die Türe und setzte sie in einen der großen Oleandertöpfe. Schützend stülpte ich einen kleinen Karton über sie, damit sie nicht von nächtlichen Räubern belästigt wird.

Bei einer Kontrolle zehn Minuten später war sie nicht mehr zu sehen. Entweder hatte sie sich in die nahrhafte Erde des Oleandertopfes eingegraben - dann werde ich eines Tages einer Flut von Engerlingen begegnen und werde den betroffenen Oleander wieder einmal retten müssen - oder sie war weggeflogen, hinaus in die Nacht. In diesem Fall wünsche ich ihr, dass sie eine schöne Eiche im Wald gefunden hat, obwohl es schon so dunkel war.

Ich habe zur Erinnerung Fotos von der Hirschkäfer-Dame gemacht. Leider bin ich technisch zu dumm, um Privatbilder hier hereinzustellen. Hirschkäfer-Weibchen sind kleiner als die Männchen und haben nicht dieses imposante Geweih, mit dem Männchen gegen Rivalen kämpfen.

Der seltene Besuch war letztlich eine große Freude. In meiner Kinderzeit gab es noch viele Hirschkäfer..

Alles, alles zerstört der Mensch. Seine anschließenden Rettungsversuche können vieles nicht mehr wiedergutmachen.

Was zerstört ist, ist zerstört.

Eines Tages wird man das verschwundene Leben künstlich nachbauen können, kann man zum Teil heute schon. Aber wie viel Leben besitzt ein künstlich geschaffenes Lebewesen noch?

4
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Zaungast_01

Zaungast_01 bewertete diesen Eintrag 16.07.2021 16:14:42

berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 16.07.2021 09:52:34

decordoba1

decordoba1 bewertete diesen Eintrag 15.07.2021 11:28:12

Don Quijote

Don Quijote bewertete diesen Eintrag 15.07.2021 11:22:33

Noch keine Kommentare

Mehr von Iris123