"Rottweiler beißt Kind in den Kopf und verletzt es schwer". Eine Nachricht die, darauf kann man sich getrost verlassen, eine Reaktion der versammelten "Experten" nach sich zieht: "Diese Kampfhunde gehören verboten!" Eigentlich sollte man glauben, dass niemand, der sich auch nur etwas mit der Problematik auseinandergesetzt hat, diesen Terminus verwenden würde. Was wäre denn das, ein Kampfhund? Ein Hund, der für den Kampf gezüchtet wird?

Nun, Rottweiler wurden als Treibehunde verwendet. Sie halfen den Metzgern, das Vieh zu treiben. Für den Kampf wurden sie, selbst wenn man die Historie betrachtet, nie gezüchtet. Der Rottweiler ist ein typischer Vertreter der Gebrauchshunderassen. Er wurde für den Arbeitseinsatz verwendet.. Seine Aufgabe war es, dem Menschen zu helfen. Es wäre auch zu spezifizieren, welcher Kampf denn gemeint ist. Der Kampf gegen Menschen oder der gegen Tiere? Manche Terrierrassen wurden in längst vergangenen Zeiten (vorwiegend 18. und 19. Jahrhundert) dafür gezüchtet, in der "Pit" gegen Artgenossen zu kämpfen. Oft wurden sie auch auf Ratten, die damals in den Städten eine rechte Plage waren, gehetzt. Es sollten möglichst viele in kurzer Zeit getötet werden. Das war damals ein Zeitvertreib des kleinen Mannes, der wohl nur im historischen Kontext zu verstehen ist. Interessant ist jedoch, dass bei diesen blutigen Schauspielen Menschen sehr nahe am Geschehen waren. Diese durften unter keinen Umständen gebissen werden. So kam es, eher unbeabsichtigt, zu einer Selektion auf Freundlichkeit gegenüber dem Menschen.

Als diese Veranstaltungen an Bedeutung verloren, verschwanden einige der verwendeten Rassen beinahe. Der eigentliche Zuchtzweck war ja nicht mehr gegeben. Langsam erkannte man jedoch, dass gerade die besondere Menschenfreundlichkeit diese Hunde zum treuen Familienhund prädestiniert.

Ins Schussfeld, wenn es um die Erstellung diverser "Kampfhundelisten" geht, kommen auch einige molosserartige Rassen. Sie wurden dereinst als Kriegshunde verwendet. Alexander der Große führte diese Tiere mit sich. Was solche Hunde auszeichnet, ist eine besonders hohe Reizschwelle. Sie sind meist behäbige, ruhige Hausgenossen, die nicht zur Nervosität und Unsicherheit neigen. Wichtig ist auch festzuhalten, dass keiner der für die inkriminierten Rassen zuständigen Zuchtverbände (inkriminierte Rassen wie sie sich etwa auf der Wiener Rasseliste finden), Aggression oder Kampf gegen Menschen als Zuchtziel vorgibt. Just dies suggeriert aber der Begriff "Kampfhund".

Es ist zunächst interessant, sich zu vergegenwärtigen, dass das Risiko von einem Hund getötet zu werden, weit geringer ist als vom Blitz erschlagen zu werden. In Wien müssten Sie etwa 7555 Jahre leben um, statistisch gesehen, in den Genuss eines Hundebisses zu kommen. Noch einmal kleiner ist jenes, auf der Straße Opfer eines Ihnen fremden Tieres zu werden. Die meisten Unglücksfälle ereignen sich auf dem eigenen Grundstück mit bekannten Hunden.

Wie sieht es nun mit den beteiligten Rassen aus? Herkömmliche Bissstatistiken sind wenig aussagekräftig. Sie berücksichtigen nicht, dass der Deutsche Schäferhund weit häufiger vorkommt als etwa der Kangal. Nun wurde aber vor einigen Jahren eine Arbeit erstellt, die diesen Umstand berücksichtigte (Analysis of Dog Bites in Children", in Pediatrics 2006).

http://pediatrics.aappublications.org/content/pediatrics/117/3/e374.full.pdf

Aus dem Verhältnis zwischen Anteil an der Gesamtpopulation und Beissvorfällen konnte ein Risiko-Index erstellt werden. Das Ergebnis kam, für die meisten Experten, nicht überraschend:

Schäferhund 2,8, Dobermann 2,7, Spitz 1,8, Pekinese 1,5, Dachshund 1,3, Schnauzer 1,3, Collie 1,3, Jagdhund 1,2, Pudel 0,9, Rottweiler 0,9, Beagle 0,8, Terrier 0,6, Bernhardiner 0,5, Labrador 0,4, Mischlinge 0,4, Spaniel 0,3, Shi Tzu 0,2 und Malteser 0,0.

Der Rottweiler ist also gleich auffällig wie der Pudel aber gegen den grimmigen Pekinesen ein Lämmchen. Der Schäferhund, darüber brauchen wir nicht reden, ist eine tickende Zeitbombe. Oder nicht? Nein, natürlich nicht. So gut wie alle Experten sind sich darüber einig, dass Gefährlichkeit beim Hund nicht mit der Rasse in Zusammenhang zu bringen ist. Vielmehr hat sie mit den Haltungsbedingungen zu tun. Vermutlich haben Schäfer auffällig oft bestimmte Wachaufgaben zu erledigen und werden womöglich im Zwinger ohne intensiven Menschenkontakt gehalten.

Die Verhaltenswissenschafterin Feddersen Petersen etwa schreibt: „Verhaltensbiologisch ist die "gefährliche Rasse" nicht zu benennen, es ist naturwissenschaftlich so unsinnig wie unbewiesen, einer Hunderasse a priori, also ohne Berücksichtigung der feindifferenzierten Verzahnung von genetisch bedingten Handlungsbereitschaften und den obligatorischen Lernvorgängen, eine gesteigerte "Gefährlichkeit" zuzuschreiben.“ Und weiter: „Vergleichende Untersuchungen unter definierten Umweltbedingungen wie zum Entstehen sozialer Beziehungen an über 20 Hunderassen (darunter auch American Staffordshire Terrier, der Bullterrier, Fila Brasileiro und andere auf den Pauschallisten geführte Rassen sowie Jagdhunde- und Schutzhundrassen) entbehren der Daten für eine generell höher anzusetzende Gefährlichkeit der Haltung einer bestimmten Rasse. Es gibt keine "gefährlichen Hunderassen", es gibt gefährliche Hundeindividuen. Der Begriff "gefährlicher Hund" ist unabhängig von der Rassezugehörigkeit zu benennen, vielmehr rasseneutral für Individuen über bestimmte Merkmale zu bestimmen…“

http://www.sos-hamburgdog.de/Gut_2.htm

Gleicher Ansicht sind etwa auch Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth von derTierärztlichen Hochschule Hannover: „Die Gefährlichkeit eines Hundes hängt überhaupt nicht von der Rasse ab“

oder Univ.Prof. Dr.med.vet.Irene Sommerfeld-Stur

Institut für Tierzucht und Genetik

Veterinärmedizinische Universität Wien

https://www.vetmeduni.ac.at/fileadmin/v/z/veranstaltungen/2009/MTB_KampfhundeHandout.pdf

und viele mehr.

Gerne wird nun erwähnt, dass der Biss eines Rottweilers einen größeren Schaden anzurichten im Stande ist, als der eines Dackels. Nun findet sich aber auf der, völlig willkürlichen, Liste der Stadt Wien zwar der kleine Staffordshire Bullterrier, der Bernhardiner aber nicht. Mit meinem handlichen Bullterrier (32 kg) musste ich die Prüfung zum Wiener Hundeführschein absolvieren, meine Bordeaux Dogge (80 kg) fällt nicht unter diese Bestimmung. Absurd!

Debatten wie jene, die sich im Gefolge eines solchen Unfalles entwickeln, führen jedoch dazu, dass gewisse Rassen für bestimmte Halter besonders attraktiv werden. Nämlich für jene, die gerne Besitzer eines "gefährlichen" Hundes sein wollen. Wenn man Wiener Parks durchstreift kann man beobachten, wie viele arme American Staffordshire Terrier als Anhängsel südländischer Halbwüchsiger fungieren müssen. Dieses Klientel hat sich gewiss nicht für einen "besten Freund" sondern eine Egoprothese entschieden. Auch auf Grund unsachlicher Berichterstattung; der vom gefährliche Kampfhund nämlich. Vor diesem Hintergrund ist es eher verwunderlich, dass die Rasse was die Bisshäufigkeit betrifft, sehr unauffällig agiert. In solch ungeeigneten Halterhänden wäre selbst ein Goldhamster aggressiv. Aber es liegt nun mal so gar nicht im Wesen dieser Terrier, Menschen zu attackieren.

Was ist nun zu tun, um für noch mehr Sicherheit für den Menschen, und artgerechte Hundehaltung zu sorgen? Zunächst ist eine praxisgerechte Schulung für Hundehalter sicherlich nützlich. Schon weil sie eine gewisse Einstiegshürde darstellt und Hund und Halter vor unüberlegter Anschaffung bewahren könnte. Wichtig ist aber, dass diese Ausbildung für Halter aller Hunderassen und deren Mischungen gilt. Willkürliches Auswählen einiger Rassen mit einem per se erhöhten Gefährdungspotential ist, wie ausgeführt, wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen und führt zusätzlich zu einer weiteren Stigmatisierung. Das uninformierte Ressentiment wird genährt „Na wenn der Hund auf der Liste steht, dann wird schon was dran sein.“.

Abschließend lassen Sie mich eine Überlegung anstellen. Der moderne westliche Mensch hat die Mitkreatur aus beinahe allen Lebensbereichen vertrieben. In der Stadt wird das besonders spürbar. Wenn er nun doch, ganz selten passiert es, mit einem Tier konfrontiert ist, dann reagiert er hilflos und überfordert. Ich meine nicht die wenigen, traurigen Zwischenfälle. Ich denke an die Hundekot-Hysterie, das Strassenseitenwechseln und die täglichen Anfeindungen, denen Sie als Hundebesitzer ausgesetzt sind. Statt sich zu freuen, wenn wir in der Entfremdung einer modernen Stadt, auf den treuen Gefährten und Helfer in unserer Entwicklung zum Menschen treffen, reagieren wir ungehalten und verspüren Empörung über das Hundsvieh (das durfte ich gestern wieder lesen). Ist das nicht ein Armutszeugnis für unsere Spezies?

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