Alltag in Griechenland - Der Böse Blick

Die blauen Glasaugen gegen den Bösen Blick sind ja allen Griechenland- und Türkei-Urlaubern bestens bekannt. Bis jetzt habe ich diese für eine Tradition gehalten, mit der es nicht viel auf sich hat. Das blaue Glasauge ist ja hübsch anzusehen und macht sich ganz gut auf dem Innenspiegel des Autos.

Aber weit gefehlt! Den Bösen Blick gibt es wirklich, zumindest im Glauben vieler Leute hier. Meine Freundin, eine ansonsten ganz vernünftige Mittdreißigerin, glaubt doch tatsächlich an ihn! Zuerst dachte ich, sie zieht mich auf, aber dann wurde mir schön langsam bewusst, dass sie eine ziemlich ernste Miene bei ihren Erklärungen machte.

Also - was ist der Böse Blick eigentlich? Den bekommt man von jemandem Missgünstigen. Aber diese Person denkt sich nicht "Jetzt schicke ich der anderen Person den Bösen Blick hinüber", sondern das geht ganz unbewusst. Und der oder die Missgünstige sagt vielleicht sogar noch etwas Nettes zu einem. Aber die mit dem Bösen Blick bedachte Person fühlt die negativen Strömungen, die da daherkommen. Sie bekommt zum Beispiel Kopfweh und es wird ihr flau im Magen.

Besonders in Acht nehmen muss man sich vor Menschen mit zusammengewachsenen Brauen oder stahlblauen Augen, die sind speziell gefährlich, von ihnen geht besonders oft der Böse Blick aus.

Nun - was tun gegen den Bösen Blick? Zunächst einmal das Auge mitführen! Das gibt es zum Beispiel als Schlüsselanhänger oder als Schmuck und hilft schon einmal.

Weitere beliebte Methoden sind eine Knoblauchzehe in der Hosentasche, ein Kohlenstrich hinter dem Ohr oder ein offener Hemdknopf. Dann sieht man nicht perfekt aus (oder riecht nicht perfekt) und ruft dadurch weniger Neider auf den Plan. Sich drei Mal anspucken lassen (wenn geht, ohne Spucke) hilft auch.

Und dann gibt es noch das Gebet. Die griechisch-orthodoxe Kirche bestätigt übrigens die Existenz des Bösen Blicks! Das Gebet gegen den Bösen Blick kann man nur einmal im Jahr lernen, nämlich am Karfreitag, wo einen jemand einweiht. Braucht man es schon vorher während des Jahres, hat man Pech gehabt, man muss warten. Und nach dem Lernen merkt man es sich dann besser!

Auch der Lebensgefährte meiner Freundin glaubt an den Bösen Blick, er bekommt Migräne. Und da meine Freundin eine ganz Nette ist, betet sie für ihn. Sie merkt auch gleich, wenn es wirkt. Denn dann tränen ihr nämlich die Augen und sie muss gähnen. Ihr Mann bringt die ganze Prozedur insofern zu Ende, indem er die Unterwäsche wechselt und sich das Gesicht wäscht, aber von unten nach oben!

Als ich diese Ausführungen zum ersten Mal gehört habe, musste ich von Herzen lachen (was natürlich nicht den Bösen Blick auslöst), und der Beste aller Ehemänner meinte, dass er immer schon gewusst hätte, dass die Griechen fünfzig bis siebzig Jahre hinten wären, aber in diesem Fall seien sie ja sogar fünfhundert Jahre hinten! Siehe Hexenverbrennung und so.

Vor einem Jahr hat er übrigens noch gemeint, die Griechen wären dreißig bis fünfzig Jahre hinten. Vor zwei Jahren waren es noch zwanzig bis dreißig Jahre. Mir scheint, der Zeitraum wird umso länger, je länger man hier lebt.

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Jürgen Heimlich

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