Hamburg hat gesprochen - die Rechten kriegen Schnappatmung

Ein Volksentscheid. Eine demokratische Mehrheit. 53 Prozent der Hamburger:innen sagen: Wir wollen klimaneutral werden bis 2040. Und während in der Stadt gefeiert wird, bricht in den rechten Echokammern der Ausnahmezustand aus. Dieselben, die sonst mit stolzgeschwellter Brust „Volksabstimmung! Direkte Demokratie!“ rufen, haben plötzlich Schaum vorm Mund, weil die Bürger:innen nicht nach rechts, sondern nach vorn entschieden haben.

Da sitzt er wieder, Ulf Poschardt, nicht mehr Chefredakteur, jetzt Herausgeber – ein Titel, der so klingt, als wolle man wichtig bleiben, obwohl die Zeit einen längst überholt hat. Und er schreibt mit der gewohnten Arroganz von oben herab, Hamburg habe „globale Wirkung null, lokale Nebenwirkungen erheblich“. Übersetzt heißt das: Ihr dürft ja abstimmen, aber bitte nichts, was uns betrifft. Die alte Poschardt-Schule – liberal, solange’s nicht ans eigene Konto geht.

Und dann Julian Reichelt, Chef von NIUS, der Nachrichtenplattform für Leute, die sich bei jeder Ampelphase in ihrer Freiheit bedroht fühlen. Er überschlägt sich in Schlagzeilen, als hätte Hamburg gerade die freie Marktwirtschaft verboten. „Erzwingt strengere Klimaziele!“, schreit’s aus seinem digitalen Megafon, und man hört förmlich das Zähneknirschen zwischen den Zeilen. Die Stadt hat abgestimmt. Demokratisch. Transparent. Mit Mehrheit. Aber in Reichelts Welt ist Demokratie nur dann Demokratie, wenn sie rechts abbiegt.

Und dazwischen die AfD, die Partei der Dauerempörten. Die sich sonst für Volksentscheide auf die Brust trommelt, solange sie sich gegen Geflüchtete, gegen Minderheiten, gegen Windräder richten. Aber wehe, das Volk entscheidet für Zukunft, Klima und Kinder – dann wird der Volkswille zur „grünen Ideologie“, zur „Wirtschaftszerstörung“. Ihr habt das Prinzip Demokratie bis heute nicht verstanden. Ihr liebt sie nur, solange sie euch nutzt.

Auch die Junge Freiheit läuft heiß. Sie titelt, Hamburg habe „die Wirtschaft brüskiert“ – was in Wahrheit heißt: ein paar Lobbyisten in Schockstarre versetzt. Sie ruft nach Vernunft, nach Wohlstand, nach Wirtschaftsfreiheit – als wäre fossile Energie ein Grundrecht. Und gleichzeitig redet sie von „Mut“, von „Bürgerstimme“, von „Mitsprache“. Aber wenn Bürger:innen sich tatsächlich einmischen, ruft ihr „Gefahr!“. Ihr seid keine Stimme des Volkes, ihr seid das Echo eurer eigenen Angst.

Und dann die Wirtschaftslobby, dieser Chor aus Verbandssprechern, Industriepräsidenten und CEOs, die sich alle einig sind: Demokratie ist super – solange sie keine Kosten verursacht. Kaum ist der Entscheid durch, kommt das Jammer-Orchester: „Milliardenkosten! Standortflucht! Mieten! Bürokratie!“ Dieselben Leute, die jahrzehntelang Milliardengewinne eingefahren haben, spielen jetzt die Opfer, weil Hamburg einen klaren Plan macht. Ihr habt Angst vor jeder Veränderung, die sich nicht in Excel abbilden lässt. Ihr seid die Fossilien im Maßanzug, die noch immer glauben, Verantwortung sei ein Kostenfaktor.

Das alles ist keine politische Debatte mehr. Das ist nackte Panik. Panik davor, dass Demokratie plötzlich tut, was sie soll: entscheiden. Nicht für Lobbys, nicht für Investoren, nicht für Talkshow-Runden – sondern für Menschen. Für Kinder. Für Zukunft. Für Leben.

Ihr Rechten, ihr Neoliberalen, ihr AfD-Patrioten im Panikmodus – ihr tobt, weil euch euer Lieblingsspielzeug genommen wurde: die Deutungshoheit. Ihr habt euch jahrzehntelang als Stimme des „Volkes“ verkauft, als Verteidiger der „Freiheit“, als Retter der „Realpolitik“. Und jetzt zeigt das Volk, dass es ohne euch denken kann. Das ist euer Albtraum: eine Bevölkerung, die nicht mehr auf euch hört.

Hamburg hat gezeigt, dass Demokratie nicht auf euren Wohlfühltemperaturen basiert. Dass sie unbequem sein darf. Mutig. Ehrlich. Laut. Und ja – dass sie euch weh tut, wenn ihr zu lange auf der Stelle standet.

Ihr sagt, der Entscheid sei Symbolpolitik. Aber das wahre Symbol seid ihr – für Angst, für Rückwärtsgewandtheit, für das ewige Festhalten an einer Welt, die längst brennt. Ihr redet von Vernunft, während euch der Schweiß der Besitzstandspanik über die Stirn läuft. Ihr redet von Freiheit, während ihr jeden Fortschritt mit Vorschriften ersticken wollt. Ihr redet von Wirtschaft, während ihr die Zukunft eurer Kinder verkauft.

Hamburg hat gewählt.

Ihr habt geschäumt.

Und das ist gut so.

Denn während ihr noch schreit, rechnen andere längst. Investieren. Bauen. Wandeln. Während ihr euch über Wärmepumpen aufregt, werden neue Technologien entwickelt, neue Jobs geschaffen, neue Wege geebnet. Die Welt dreht sich weiter – nur ihr steht noch an der Tankstelle und diskutiert über den Preis.

Die Kinder werden euch eines Tages fragen, wo ihr wart, als die Demokratie entschieden hat, Verantwortung zu übernehmen. Und ihr werdet sagen: Wir waren dagegen.

Und dann werden sie euch vergessen.

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