Viele Frauen schöpfen ihr Potenzial nicht aus!

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Heute ist internationaler Weltfrauentag. Das nehme ich zum Anlass, um über Frauen in Führungspositionen zu schreiben. Frauen sind qualifiziert und leistungsstark. Doch trotz ihrer Fähigkeiten streben sie nicht automatisch nach Führungspositionen. Nie hatten Frauen so gute Chancen für den Aufstieg wie heute. Dennoch schaffen es nach wie vor nur wenige in Spitzenpositionen. Wenn es um Führungsaufgaben geht, sind Frauen immer noch unterrepräsentiert – und durch männliche Stereotype oft auch verunsichert. In einem Forschungsprojekt „Führungsmotivation im Geschlechtervergleich“ (2009-2011) untersuchten Organisationspsychologen der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg die Rolle der Führungsmotivation von Männern und Frauen. Die Ergebnisse zeigen, dass erstaunlich viele Frauen ihr Potenzial nicht ausschöpfen, gewissermaßen mit angezogener Handbremse unterwegs sind.

Eine 45 jährige Angestellt weiß bestens, welche Qualitäten eine gute Führungskraft mit sich bringen muss und wie man Teams zu guten Leistungen motivieren kann. Die Möglichkeit, selbst die nächste Sprosse auf der Karriereleiter zu erklimmen, lehnt sie jedoch dankend ab: „Also ich weiß ja rein theoretisch, wie es geht... aber ich bin keine Führungskraft, da bin ich zutiefst davon überzeugt... Diese ständige Ansprechbarkeit, dieses ständige Austarieren, für alles ein Ohr zu haben... Ich hätte dann auch nicht unbedingt die Geduld mit Menschen, die aus irgendwelchen Gründen nicht motiviert sind... Das möchte ich gar nicht, ich möchte inhaltlich arbeiten.“ Derartige Beschreibungen machen deutlich: Bei der Suche nach Ursachen für den weiblichen Führungskräftemangel im Allgemeinen vernachlässigen wir häufig die Frage nach der Motivation.

Frauen: Kein Verhältnis zur Macht

WissenschaftlerInnen der Frankfurter Goethe-Universität, der Hamburger Kühne Logistics University und der Bochumer Ruhr-Universität haben in vier Einzelstudien rund 1500 Frauen und Männer zu ihrer Machtmotivation befragt. Sie wollten wissen, wie gern die Befragten Anweisungen geben, Verantwortung für wichtige Entscheidungen tragen oder nach Einfluss streben. Das Ergebnis: In all diesen Punkten bleiben die Frauen hinter den Männern zurück. Verhaltensweisen, wie delegieren, Anordnungen erteilen und dominieren – lehnen sie eher ab oder finden sie nicht erstrebenswert.

Frauen in Top Positionen

Das spiegeln auch die globalen Zahlen wider: In den USA sind rund 47 Prozent aller Beschäftigten weiblich, aber nur 14 Prozent der Topmanager. In Deutschland und Österreich machen Frauen je nach Größe des Unternehmens zwischen 3 und 20 Prozent der Topmanager aus.

Frauen hängen Männer in wichtigen Management Eigenschaften ab

Laut dem letzten Ketchum Leaderhip Communication Monitor 2015 (KLCM) für den mehr als 6.500 Menschen aus 13 Ländern repräsentativ befragt wurden, schneiden Frauen gegenüber Männern v.a. beim Eingestehen von Fehlern (66% versus 34%), offener, transparenter Kommunikation (62% versus 38%) und vorbildlicher Führung (57% versus 43%) deutlich besser ab. 46 Prozent glauben, dass Frauen besser als ihre männliche Kollegen mit den Veränderung und Herausforderungen in den nächsten 5 Jahren zurechtkommen.

Trotz dieser Zahlen – Gibt es so etwas wie eine spezifisch weibliche Führungsscheu?

Für viele ist Führungsposition nicht attraktiv. In Coachings mit Frauen höre ich öfter den Satz: Das tue ich mir nicht an! Wenn Sie eine Führungsposition angeboten bekommen, überlegen sie mehr als Männer: "Kann ich das? Traue ich mir das wirklich zu? Schaffe ich das? Wie kriege ich das mit Kindern, Familie, Privatleben hin? Männer tendieren eher dazu zu sagen: Ja, darauf habe ich gewartet, die werden mich schon unterstützen. Sehr häufig ist jedoch auch die noch immer geringere Bezahlung weiblicher Führungskräfte gegenüber männlichen Kollegen ein großer Demotivationsfaktor. „Ich sehe nicht ein, warum ich für die gleiche Arbeit viel weniger verdienen soll!“ äußern hier verständlicherweise dann Coaching- Klientinnen.

Frauen mit Brüdern tun sich leichter mit Führung

Meiner Erfahrung nach zeigen jedoch Frauen nicht generell Vorbehalte gegen machtvolle Positionen. Ich habe beobachtet, dass Frauen die Brüder hatten, v.a. jüngere und die später im Studium sowie in den ersten Jahren im Beruf häufig mit Männern kooperiert haben, durchaus selbstverständlich mit Führung umgehen. Sie streben gezielt Führungspositionen an, haben Freude am Gestalten und Führen und pflegen v.a. einen kooperativen Führungsstil.

Die Forschungsliteratur sieht als einen Hauptgrund fehlende weibliche Rollenvorbilder

Erreichen Männer Spitzenpositionen, werden sie anerkannt. Frauen dagegen sehr kritisch beäugt – und zwar von Männern und Frauen. Ist sie durchsetzungsfähig kommt der Vorwurf: „Wie ein Mann.“ Hat sie Kinder, ist sie eine Rabenmutter, hat sie keine Familie, ist gar unverheiratet, dann hat sie ja nichts anderes. Im Grunde kann sie bei diesem anstrengenden Drahtseilakt nur alles falsch machen. Im Kopf der meisten Menschen ist das Konzept der weiblichen Führungskraft noch immer sehr schwach verankert.

Wie können Frauen dazu ermutigt werden, selbst Führungsrollen einzunehmen?

Wenn mehr Frauen in Führungspositionen sichtbar werden, die ihren Job gut machen und daran Spaß haben, weckt das die Lust auf Führung auch bei anderen Frauen. Die beste Veränderung besteht darin, Frauen in Führungspositionen zu haben und nicht nur darüber zu reden. Nicht zuletzt gehöre zur aktiven Förderpolitik, dass weibliche Führungskräfte nicht generell schlechter gestellt werden als männliche, etwas bei der Bezahlung, bei Boni oder geldwerten Leistungen.

Österreichs Frauen verdienen weiterhin weniger als Männer

Laut dem „Gender Pay Gap“ von Eurostat 2013 beläuft sich die Differenz auf 23 Prozent. Im EU-Vergleich rangiert Österreich damit an vorletzter Stelle, noch größere Unterschiede gibt es nur in Estland (29,9%). Der EU-Durchschnitt beträgt seit Jahren rund 16 Prozent. Verglichen wird dabei der Bruttostundenverdienst standardisierter Löhne und Gehälter von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft.

Coaching, Führungskräftetrainings und Mentorenprogramme als Unterstützung

Die Verdienstschere muss in Zukunft von Unternehmensführungen geschlossen werden. An der Führungsmotivation und dem Selbstvertrauen der Einzelnen lässt sich arbeiten. Gezielte Führungskräftetrainings und Mentorenprogramme kombiniert mit Coachings zur individuellen Anliegenklärung können diese Motivation fördern. Dabei sei es von Vorteil, wenn man als weiblicher Coach selbst über Führungserfahrungen verfüge, also als Modell fungieren könne. Auch Mentoring durch erfahrene Führungsfrauen im Unternehmen ist aussichtsreich für die Planung von Karrierenschritten, weil dieser Rahmen letztlich die Reflexion der eigenen Situation im Unternehmen ermögliche, einen Erfahrungsaustausch bei den Mentorinnen ermögliche über die Vereinbarkeit von Karriere und Familie, und die Mentorengespräche auch Gelegenheit geben, eigene Pläne zu veröffentlichen und einen individuellen Führungsstil zu entwickeln und zu erproben.

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