Event-Journalismus am Höhepunkt: Die Inszenierung der Steuerreform

Die – zum wie vielten Mal eigentlich schon (?) – „größte Steuerreform der zweiten Republik“ hat ohne Frage auch Gewinner. Am Ende des Jahres ein bisschen mehr im Börsel zu haben, ist schon gut. Auch wenn es sich hierbei, wie einige Kritiker zu Recht meinen, mehr um eine Inflationsabgeltung handelt, denn um einen großen Wurf der Regierenden. Dennoch: Danke für die paar Euro. Ganz selbstverständlich ist ja auch das nicht in einem Land, in dem das Wort Verwaltungsreform bei den Koalitionsparteien ähnlich allergisch reaktiv wirkt wie das bloße Nachdenken über Änderungen im Pensionssystem zugunsten der jüngeren Generationen. Egal.

Die wahren Gewinner dieser Chose sind jedenfalls nicht die Steuerzahler. Der Wirtschaftsbund, der sich nun nachträglich wichtig macht in Sachen „wir werden nicht dulden, dass man gar nix mehr schwarz verkaufen darf“, gehört offensichtlich auch nicht dazu... Die Gewinner sind die Damen und Herren in den Presseabteilungen der diversen Kabinette dieser – man möchte fast meinen – übermenschlich fleißigen und erfolgreichen Regierung.

Noch in der Nacht auf Freitag berichten die österreichischen Medien aufgeregt von der Einigung der Regierungsparteien auf diese Steuerreform – nach „einem nächtlichen Verhandlungsmarathon“. Fakt ist: Die Damen und Herren haben sich erst nach 21.00 Uhr zusammengesetzt und haben drei Stunden später diese – seit Monaten angekündigte – Einigung fixiert. Ein nächtlicher Marathon sieht erstens anders aus und bringt, wie die Geschichte (Hypo) zeigt, nicht immer die besten Lösungen für die Steuerzahler. Aber natürlich wirken ein Kanzler, sein Vize, der Finanzminister und der Rest der Gang in einem inszenierten Blitzinterview kurz nach Mitternacht, gezeichnet von den harten Mühen der Verhandlungen, fleißiger und aufopfernder, als wenn sie ihren „großen Wurf“ ganz entspannt um 11.00 Uhr Vormittags präsentieren. Die packen an, die tun was, Tag und Nacht. Danke für diese Botschaft...

Doch damit nicht genug: Die große Pressekonferenz durfte dann erst an einem Freitag um 18.00 Uhr stattfinden. Warum? Mussten sich die Herren ausschlafen? Mussten sie noch zum Friseur? (Beim Kanzler kann man diese Frage wie die Bilder zeigten mit Ja beantworten.) Hatten sie bis 16.00 Uhr total wichtige, internationale, unaufschiebbare Termine? Was war passiert? Warum diese Verzögerung, obwohl im Laufe des Tages eh schon alle Details en gros über die Köpfe der nervös wartenden Journalistenschar geschüttet wurden? Die Antwort ist leicht: Inszenierung.

Inszenierung vor allem für die Fernsehkameras - und damit für den (in den Vorstellungen der kanzlerschen und vizekanzlerschen Spindoktoren) schon ganz aufgeregt wartenden kleinen Mann. Er sollte es zur besten Sendezeit erfahren, nach den Freitagnachmittags-Einkäufen, kurz vor dem Wochenende: Er hat die beste Regierung der Welt! Der ORF ließ Kanzler und Vize gewähren, sich live um 18.00 Uhr selbst zu feiern und zu loben. Er hob die Herrschenden auf ihr Schild und bot ihnen bis weit in den Abend hinein den Raum, den sie sich verdient haben – nicht zuletzt durch die großzügige Zurverfügungstellung geeigneten Personals für die Schlüsselpositionen am Küniglberg.

Doch es war nicht der ORF allein. Sämtliche relevanten und weniger relevanten Medien spielten das Spiel hochergeben mit. Aufgescheucht wie die Hühner berichteten die „hartgesottenen“ Politjournalisten von den „dramatischen letzten Stunden“, vom „Verhandlungspoker“ und von „harten Positionen“. Ganz so dramatisch dürften die Verhandlungen schon länger nicht mehr gewesen sein. Die so genannte „Vermögenssteuer“ wurde schon rund zwei Wochen vor dem offiziellen Ergebnis öffentlich von Wiens Bürgermeister Michael Häupl gekillt. Ein bisschen Erbschaftssteuer da, ein bisschen Registrierkassenpflicht dort – mehr war da nicht mehr zu reden. Nicht umsonst haben die Verhandlungsteams die drittletzte Runde abgesagt und mal ein Wochenende Pause gemacht.

Trotzdem: Wer die vergangenen drei Tage als Medienkonsument auf die Informationen seines Senders, Blatts, Internet-Portals etc. angewiesen war, konnte glauben, da ist wirklich Großes passiert, da haben sich die da oben mal wirklich angestrengt und in kürzester Zeit „die größte Steuerreform der zweiten Republik“ gehoben. So groß kann das Ganze nicht sein. Schon wenige Stunden nach der Verkündung der „Einigung“ wachen die einzelnen Klientel-Politiker wieder aus ihrem Traum auf und fordern „Nachschärfungen“, „Nachbesserungen“ und überhaupt, so geht’s nicht. Warum? Genau: Es ist Inszenierung. Und sie geht weiter. Und jetzt bekommen die Leitls und Konsorten ihre Sendeminuten und Zeilen. War offenbar so ausgemacht. Und unsere Event-Medien machen mit. Hauptsache was los. Wir warten also – aufgeregt wie junge Hunde vor dem Spaziergang - auf die nächste Sau, die durchs Dorf getrieben wird.

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Bernhard Juranek

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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