Max Neumeyer

Von einem, der die Schnauze voll hat

Teil 9

Ich mag es, wenn es rund läuft. Und ich mag funktionierende Kreisläufe - Verschwendung hingegen finde ich furchtbar. Das ist wahrscheinlich ein Grund, weshalb es meine Familie und mich mit fortschreitendem Alter immer mehr in die Natur zieht. Die Kreisläufe der Natur faszinieren mich von Tag zu Tag mehr und das, obwohl ich als blutiger Aussteiger-Anfänger noch keinen allzu tiefen Einblick in meine Umwelt habe. Hier versuchen wir nichts zu vergeuden. Die rohen Küchenabfälle landen auf dem neu errichteten Kompost und sollen in ein paar Monaten zu einem wunderbaren Pflanzendünger werden. Das Regenwasser wird gesammelt und zum Gießen verwendet usw.

Seit Mitte März wohnen wir jetzt ausschließlich im Südburgenland und ich arbeite seitdem jeden Tag daran unsere „kleine Farm“ zu einem grünen Familienparadies zu machen. Das Umdenken hat bereits vor rund neun Jahren begonnen, als wir nach 30 Wien-Jahren in den leider stetig wachsenden Speckgürtel von Wien gezogen sind. In einem alten zugigen Haus zur Miete, machten wir erste Erfahrungen mit Leben im Grünen – auch wenn wir noch sehr weit davon entfernt waren uns Selbstversorger zu nennen. Selbst jetzt haben wir noch einen weiten Weg vor uns.

Inzwischen, zwei Umzüge und ein berufsbedingtes Burn-Out später, sind wir immerhin dort angekommen, wo wir hinwollten. Nachdem wir unsere monatlichen Fixkosten mit dem Umzug eklatant senken konnten und unsere Ansprüche angepasst haben, stellt sich langsam aber doch ein neuer Tagesablauf ein. Man darf mich einen glücklichen Mann nennen, der in einem Monat seinen 40er feiert. Die Midlifecrisis hat sich bei mir allerdings anders manifestiert als bei den meisten anderen. Anstatt von einem schnittigen Sportcoupé träume ich inzwischen von einem leistungsfähigen Traktor, der die Gartenarbeit erleichtert und anderen Gartengeräten. In meinen heißen Träumen tummeln sich keine nackten Schönheiten, sondern neue Familienmitglieder mit dickem Fell oder bunten Federn. Ja, ein paar Tiere müssen schon her, wenn man das Landleben so richtig auskosten will.

Nachdem wir das Haus soweit wohnlich gemacht haben, dass es unserem neuen Lebensstil entspricht (ganz „fertig“ wird es wohl nie sein), haben meine wunderbare Frau und ich unseren Fokus auf das Planen unseres neuen Grundstücks gelegt. Mein Kreuz sagt mir, dass schon einiges weitergegangen ist – aber im Moment wird die Arbeit eher mehr als weniger. Viel mehr. Aber das macht nichts.

Nach den ersten Wochen als neukerniger Burgenländer habe ich erkannt, dass man die Arbeit im Einklang mit der Natur nicht unterschätzen darf. Das ist etwas ganz anderes, als den lieben langen Tag in einem klimatisierten Büro zu sitzen und sich vom Blechtrottel malträtieren zu lassen. Jetzt gibt keine Software-Updates, keine Tritte gegen den Kopierer und keine Telefonate mit den Netzwerkexperten mehr, die ohnehin eine Sprache sprechen, die ich nie richtig verstanden habe. Jetzt wird Burgenländisch gesprochen und genauso wenig verstanden (auf beiden Seiten). Aber auch das macht nichts. Die Arbeit in der „guten Luft“ - wie man es früher immer genannt hat – befriedigt zutiefst. Das Gläschen Wein am Abend erledigt den Rest.

Eines habe ich aus meinem alten Leben mitgenommen: Meine Vorliebe für Listen, die mich daran erinnern sollen was zu tun ist. Ich bin ein bekennender „TO-DO-Listen-Fetischist“. Meine aktuelle Liste ist mehrere Seiten lang und reicht wahrscheinlich für die nächsten zwei Jahre. Ich habe bereits etliche Quadratmeter Erdboden umgegraben, um die Obstbäume und Weinstöcke artgerecht zu düngen. Wir haben zwei Hochbeete in den Vorgarten gestellt und bereits die ersten Salate und Kräuter eingesetzt. Zig Samen haben in kleinen Torftöpfen bereits gekeimt und die kleinen Zucchini-, Kürbis-, Tomaten-, Paprika-, Gurken- und Rucolapflänzchen haben über den Bau unseres neuen Glashauses gejubelt (sehr leise, versteht sich). Davor musste ich mich natürlich einlesen – es ist noch kein Landwirt vom Himmel gefallen und die Natur ist ein kompliziertes System. Ich hoffe die erste Ernte in diesem Jahr wird dementsprechend üppig.

In der letzten Woche mussten wir zum ersten Mal maschinelle Hilfe in Anspruch nehmen: Der Bagger war hier und hat unser Grundstück in Hanglage umgearbeitet. Es mussten 70 dicke Holzpfosten in die Erde eingeschlagen werden um den Hang einzäunen zu können. Es musste eine Ebene für den geplanten Stall ausgebuddelt, eine Wasserleitung vergraben und das neue Gemüsebeet umgegraben werden. Bis Ende Mai soll mit der Tierhaltung begonnen werden.

Ein Teil der Holzvorratsräume wird zum Hühnerstall umgebaut, denn wir haben vor uns selbst mit Eiern zu versorgen (ja ich weiß, eigentlich soll uns das freundliche Federvieh versorgen). Im Kochtopf werden unsere Hühner allerdings nie landen – abgesehen davon haben wir den Fleischkonsum ohnehin eingestellt. Für zwei Enten, die uns die Schnecken vom Hals, bzw. vom Beet halten sollen, wollen wir ein kleines Biotop und einen weiteren kleinen Stall anlegen. Das größte Projekt werden allerdings unsere vier bereits „bestellten“ Rasenmäher. Der untere Teil der Hanges ist für unsere Alpakas reserviert und dafür werde ich auch heute wieder in die Hände spucken. Alpakas zählen zu den Neuwelt-Kameliden und sind mit Kamelen und Lamas verwandt nur kleiner und etwas unempfindlicher gegen Kälte. Um unseren neuen Familienmitgliedern ein gemütliches Heim zu schaffen muss ich in den nächsten drei Wochen rund 15 Tonnen Material zum Stallplatz transportieren, da die LKW leider nicht zufahren können. Es gilt ein ca. 5 mal 5 Meter großes Fundament zu gießen, eine dementsprechend große Stützmauer in die Ausgrabung zu bauen sowie den bereits gelieferten „Offenstall“ inklusive überdachtem Vorplatz (Paddock) zu errichten. Nicht nur unser Sohn, auch meine wunderbare Frau und ich, sind schon sehr aufgeregt und können es kaum abwarten. Jetzt werde ich mal wieder in die Arbeitskleidung schlüpfen, es gibt genug zu tun. Baba, wir lesen uns.

privat

Der freundliche Antonio wird einer unserer neuen Familienmitglieder. Er soll ein echter Spaßvogel sein. Außerdem erwarten wir bis Ende Mai: Tiago, Don Quichote und Sancho Pansa.

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zeit im blick

zeit im blick bewertete diesen Eintrag 03.05.2016 10:03:06

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