Meinungen, Erlebnisse und Gespräche im Rahmen alltäglicher Begegnungen. [Von Pommes Leibowitz]

Was Politiker und Journalisten zu Corona meinen, hört und liest man rund um die Uhr. Was Experten, Querdenker und andere Störfaktoren zu Corona denken, hört man gelegentlich. Was aber meint und fühlt Otto Normaldoof von nebenan? Hier schildere ich meine subjektiven Erlebnisse und Eindrücke aus alltäglichen Begegnungen.

Pixabay - gemeinfrei

Die neue Siedlung

Direkt am Waldrand ist in den letzten Jahren eine neue Siedlung entstanden. Ein- und Zweifamilienhäuser mit kleinen Gärten, viele junge Paare mit Kindern. Dieses Jahr erscheint die Siedlung wie ausgestorben, auch im Sommer, lange nach dem Lockdown. Keine spielenden Kinder, kaum jemand im Garten. Gelegentlich ältere Leute bei der Gartenarbeit. Die Menschen, auch die Kinder, hocken offenbar im Haus. Deutlich mehr Autos als normal stehen vor der Tür. Es ist zeitweise fast wie in einem Zombiefilm, wo der einzige Überlebende (I am Legend) durch die menschenleeren Gassen streift.

Nur während des Lockdowns? Nein, seit dem Frühjahr bis heute. Generell sieht man Kinder allenfalls auf dem Heimweg von der Schule. Spielende Kinder habe ich zuletzt Anfang des Jahres gesehen.

Der einsame Mann im Park

Irgendwo auf dem Rasen lag ein geschätzt mittelalter Mann in der Sonne, oben ohne aber mit Maske. Es war in der Zeit des 1. Lockdowns, und der Park, allemal der Rasen, waren trotz schönem Wetter fast menschenleer. Hat sich mir eingeprägt, weil es so völlig absurd war. Aber natürlich ist es nur ein Einzelfall (unter vielen).

Der Mann ohne Maske

Auch den gibt es. Ein mittelalter Typ, lange Haare, bisschen "autonom" wirkend, geht in der Frühzeit des ersten Lockdowns provokativ ohne Maske einkaufen. Niemand stört sich daran. Wieder draußen, womöglich enttäuscht, nicht angesprochen worden zu sein, fängt er von sich aus eine Diskussion mit den Leuten an. Er ist überzeugt, dass wir von der Politik belogen werden und dass das alles korrupte Verbrecher wären. Einige Leute geben ihm Recht, die Mehrzahl aber geht verstohlen zur Seite blickend vorbei.

Diese Toleranz sollte sich später ändern. Inzwischen werden Maskenverweigerer quer durch den Laden angerufen und aufgefordert, entweder sofort das Geschäft zu verlassen oder eine Maske aufzusetzen. Und überall gibt es Leute, die sich öffentlich lautstark über solchen Leichtsinn, der quasi Menschenleben gefährdet, beschweren. Die Kritiker, wie oben angeführter Maskenverweigerer, werden dagegen immer leiser und vorsichtiger. Auch weniger?

Die Sache mit dem Rezept

Eine sehr alte Nachbarin ruft verzweifelt bei mir an, weil sie dringend ein neues Rezept braucht (sie ist herzkrank) und beim Arzt keinen Einlass bekam und auch telefonisch niemanden dort erreichen kann.

Auch ich komme per Anruf nicht durch, beim Arzt. Abwechselnd ist besetzt oder minutenlang geht niemand ran. Schaue ich also persönlich vorbei (ist nur ein paar Straßen weiter) und finde eine verschlossene Tür mit zahlreichen roten Warnschildern vor. Auf einem davon steht, dass man telefonisch einen Termin vereinbaren müsse, auf einem anderen, dass man Rezepte bitte schriftlich beantragen und zusammen mit der Kassenkarte in den Briefkasten werfen solle. Die Abholung könne dann in der Apotheke nebenan erfolgen. Immerhin. Aber wie sollen das alte, schon ein wenig demente Leute mit wirklich (!) schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten verstehen geschweige denn akzeptieren? Und wie viele verzichten womöglich auf den notwendigen Gang zum Arzt, teils aus diffuser Angst vor Corona, teils, weil ihnen das alles zu kompliziert ist?

Einkauf bei Aldi im frühen Lockdown

Vor der Tür steht die junge Dame einer Sicherheitsfirma. Martialisch gekleidet und martialischer Typ, untersetzt mit kurzgeschorenen Haaren. Sie ist ziemlich unfreundlich und passt auf wie ein DDR-Grenzsoldat, dass niemand den Laden ohne Maske oder ohne Einkaufswagen betritt und auch, dass jeder brav mit Abstand wartet, bis jemand anderes einen Wagen vom Stapel geholt oder wieder verstaut hat. Sie regelt den Verkehr wie ein Polizist auf der Kreuzung. Währenddessen stehen die Leute in geordneter Schlange vor der Tür, bis sie per Handzeichen die Genehmigung bekommen, sich einen Wagen zu holen.

Die Einkaufswagen sind abgezählt, so dass maximal 40 Personen in den großen Laden können. Trotz frühsommerlicher Temperaturen trägt die alles kontrollierende Dame ständig eine Lederjacke, Lederhandschuhe und natürlich eine Atemmaske. Der einzige Grund, warum ich noch bei Aldi kaufte: Die waren der einzige Discounter, der wenigstens gelegentlich Klopapier hatte.

Andere Läden kamen übrigens problemlos auch ohne Sicherheitskräfte vor der Tür aus. Bei Aldi und Edeka gab es sie, bei Netto und Kaufland ging es genauso gut auch ohne.

Die alte Dame im Park

Es ist früher Vormittag, als ich durch den noch menschenleeren Park radele und eine einsame alte Dame alleine auf einer Bank sitzen sehe. Sie trägt eine Maske.

Hausarrest

Eine weitere alte Dame aus dem Viertel erzählt mir bei einer zufälligen Begegnung vor der Tür, wie sehr sie unter diesem "Coronaquatsch" (Originalton) leidet. Sie ist Witwe, bekommt eine gute Rente und nimmt zahlreiche Hilfsdienste und medizinische Dienste in Anspruch, um über die Runden zu kommen. Sie darf jetzt aber keinen Besuch mehr bekommen, sie darf auch nicht mehr mit zum Einkaufen oder mit Hilfskräften ums Viertel spazieren gehen, und einige Dienste haben sogar ganz abgesagt.

Ich kann mittlerweile im Zeitraffer beobachten, wie diese Dame im Laufe der Monate körperlich und geistig immer mehr verfällt, sich nur noch mit Rollator zum Mülleimer im Vorgarten quält, und verzweifelt nach Worten ringt, wenn mal ein bekanntes Gesicht vorbeikommt.

Aber immerhin, sie wird nicht an Corona sterben.

Der Geldautomat

Im Vorraum einer Bankfiliale befindet sich der einzige regionale Geldautomat. Vor der Tür ist ein Schild angebracht, das Zutritt zum Automaten nur mit Maske und für maximal 2 Personen erlaubt. Vor der Tür komme ich ins Gespräch mit Leuten, die meinen, in der Zeitung gelesen zu haben, dass in Banken und an Geldautomaten keine Maske vorgeschrieben sei. Ich bestätige das, weise aber auf das Hausrecht der Bank hin, die natürlich unabhängig von amtlichen Verordnungen ihre eigene Hausordnung machen könne.

Eine ältere Dame bekommt im Vorbeigehen dieses Gespräch mit, und keift uns an, dass das schließlich unser aller Gesundheit dienen würde (womit sich denken und diskutieren natürlich völlig erübrigen).

Vor dem Eingang zum Supermarkt

Als ich den Laden verlasse, kommt mir eine alte Bekannte entgegen. Schwerkrank, hat nur noch eine halbe Lunge, die auch nicht mehr richtig will, aber immer sehr kontaktfreudig und mitteilsam. So kommen wir also vor dem von Warentischen gesäumten Eingang ins Gespräch, beide maskiert und zwischen uns einen Durchgang von ca. 1,5 Meter für andere Kunden lassend. Schließlich fällt mir ein mittelalter Herr auf, der geduldig wartend vor uns steht. Als ich ihn frage, ob er nicht durch wolle, antwortet er: "Ja - aber 2 Meter?"

Meine lungenkranke Gesprächspartnerin muss unwillkürlich lachen, ich sage beschwichtigend: "Nun kommen Sie schon durch, wir haben doch alle Masken auf und keiner wird sie anniesen." Meine Gesprächspartnerin - die einzige Person, die ich persönlich kenne, die sich wirklich Sorgen machen müsste - sendet ihm noch eine Geste im Sinne von "Du hast ja wohl 'ne Vollmeise" hinterher.

Später erfahre ich, dass sie einmal, obwohl sie ein Attest hat, welches sie von der Maskenpflicht befreit, aus einem Geschäft rausgeschmissen wurde. Seitdem trägt sie halt trotzdem eine Maske, auch wenn sie das als völligen Unsinn empfindet und aufgrund ihrer Atemnot auch sehr darunter leidet.

Der Herr von gegenüber

Das ist ein Nachbar, wie man ihn sich nur wünschen kann, immer freundlich und hilfsbereit, gebildet und humorvoll, und oft unterhalten wir uns über Gott und die Welt, wenn wir uns vor der Haustür begegnen. Diesmal (und nicht zum ersten Mal) kam unser Gespräch auf Corona. Er erzählt, dass er sich gegen Grippe impfen lassen wolle, und - sobald möglich - auch gegen Corona und kommt ohne Umschweife auf die täglich zunehmenden Neuinfektionen, die ganz Europa überrollen würden, und dann auch auf den gerade an Corona erkrankten Donald Trump zu sprechen.

Als ich prognostiziere, dass Trump seine Infektion in wenigen Tagen abschütteln wird, da er keine Vorerkrankungen hat, zeigt er sich sehr erstaunt und findet das auch nicht wünschenswert. Der Herr möge überleben, aber eine ordentliche Klatsche bekommen, damit ihm endlich bewusst wird, was er in den USA mit Corona angerichtet habe.

Gut, das ist einer dieser Punkte, wo Diskussion sinnlos ist. Ich wiederhole aber meine Prognose, dass Trump in wenigen Tagen wieder auf der Bühne stehen werde (ist einfach statistisch das Wahrscheinlichste) und dass auch er, mein Nachbar sich keine Sorgen machen müsse, da unter 80 und sehr sportlich (macht regelmäßig große Radtouren).

Jetzt bringt er es auf den Punkt: "Corona, das sei so ein Viech, das würde selbst junge Leute umhauen, wie man überall lesen könne. Das bedrohe die ganze Welt."

Ich stehe während unseres Gesprächs mitten auf der Straße (es gibt bei uns nur Anliegervekehr) und als jetzt ein Auto kommt, gehe ich auf etwa 2 Meter an meinen Nachbarn heran. Sofort, fast reflexiv, geht dieser rückwärts in seinen Vorgarten und vergrößert den Abstand wieder auf die gehabten ca. 4 Meter. Gut, damit ist alles gesagt und ich verzichte auf weitere Diskussion, sage nur, dass ich jetzt schnell etwas zu erledigen habe. Er ist trotzdem ein sehr netter und gebildeter Herr.

Begegnung der dritten Art im Supermarkt

Die Gänge in Supermärkten sind in der Regel zu eng, um 2 Meter Abstand zu halten, aber deshalb trägt man ja Masken. Bislang hat sich in meinem Beisein noch nie jemand beschwert, wenn Leute kurzzeitig mal fast auf Tuchfühlung kamen, an den Regalen. Mir selber ist das eh total schnuppe. Umso skurriler die folgende Begegnung. Ich komme mit meinem Wagen von der einen Seite in einen Regalgang, von der anderen Seite her hat eine Dame bereits 2/3 des Wegs zurückgelegt. Die Gänge sind recht breit, so dass wir problemlos aneinander vorbeikämen und immer noch gut 1/2 Meter Abstand hätten. Dennoch geht die Dame sofort rückwärts, zusammen mit ihrem Wagen, wieder heraus aus dem Gang.

Ich frage, halb im Scherz und ein "nein" erwartend: "Sie flüchten aber jetzt nicht vor mir?", bekomme aber zu hören: "Doch - aber egal".

Keine Ahnung ob ich oder aber diese Dame unsere kurze Begegnung verstörender empfanden. Zum Glück ist so etwas die große Ausnahme, die meisten Menschen gehen realistisch mit den behördlichen Auflagen um, die ja rein statistische Maßnahmen sind und dem Einzelnen keinen wirklichen Schutz bieten.

Fazit:

Ich bin jemand, der überall wo er gerade ist, mit Leuten ins Gespräch kommt, habe hier also nur einen sehr kleinen Teil meiner Begegnungen und Gespräche erzählt. Mein genereller Eindruck ist, dass es eine große Bandbreite unterschiedlichster Auffassungen zu Corona gibt, von panikartiger, irrationaler Angst bis zu "Corona ist eine ganz normale Grippe".

Die pauschale Zustimmung, die die Coronapolitik laut Umfragen angeblich hat, kann ich nicht bestätigen, aber Tatsache ist, dass die Gesellschaft in dieser Hinsicht einmal mehr gespalten ist bzw. in aggressivster Weise gespalten wurde, da ein Diskurs, auch ein wissenschaftlicher, offenbar um jeden Preis verhindert werden soll.

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