"Die Pensionen sind sicher" – not.

Immer öfter liest man eine neue Meldung zur fehlenden Nachhaltigkeit des österreichischen Pensionssystems. Was mittlerweile kaum noch jemanden juckt, so es das überhaupt mal getan hat. Eine kurze Suche nach den Ursachen.

Wo bleibt die Revolution?

Es gibt keinen Aufschrei, keine fehlende Revolte derjenigen, die momentan ins Pensionssystem einzahlen und selbst nicht daran glauben, jemals vergleichbare Leistungen (oder überhaupt irgendwelche) zu erhalten. Was zumindest drei Gründe haben könnte: Den Gewöhnungseffekt, die Kälte der Zahlen und die Zeitpräferenz.

Der Gewöhnungseffekt

Man gewöhnt sich an alles. An Gutes (man spricht von der "hedonistischen Tretmühle", der Grund, weswegen Glückszustände nie lange anhalten und der neue Großbildfernseher irgendwann auch zu klein ist) wie an Schlechtes (für Hinweise zu einem Äquivalent zur hedonistischen Tretmühle wäre ich sehr dankbar). Die Meldungen zur langfristigen Unfinanzierbarkeit des Pensionssystems sind ja nicht neu. Bereits zu Zeiten von schwarzblau hatte das Thema Hochkonjunktur und Menschen, die sich schon länger mit Politik beschäftigen als meine Wenigkeit, können wohl noch frühere Beispiele nennen. Was zu einem unangenehmen Gewöhnungseffekt geführt hat: Das Thema ist hinlänglich bekannt und mäßig spektakulär. Ebenso wie jeder weiß, dass sich hier nichts tut. Zu mächtig erscheinen diejenigen, die ihre Pfründe absichern. Resignation allerorts, viele rechnen damit, bis ins hohe Alter arbeiten zu müssen oder – so überhaupt vorhanden – auf die eigenen Kinder zurückzugreifen.

Zahlen sind kalt

Der zweite Grund, weswegen das Pensionsthema stockt, liegt im simplen Faktum, dass es hier um Zahlen geht. Angaben zum Verhältnis der Pensionsbezieher zu den Einzahlenden oder der jährlichen Zuschüsse sind zwar unangenehm, locken aber keine Emotionen hervor. Zu abstrakt. "Der Tod eines einzelnen Mannes ist eine Tragödie, aber der Tod von Millionen nur eine Statistik" soll Stalin treffend gesagt haben. Ob er es wirklich getan hat, ist in diesem Fall irrelevant, er könnte es jedenfalls gesagt haben. Mit Zahlen lockt man niemanden hinter dem Ofen hervor; oder hat irgendjemand eine Massendemo gegen die aberwitzigen Summen, die im Zusammenhang mit der HYPO-Causa verpulvert wurden, gesehen?

Zeitpräferenz

Zu guter Letzt liegt die Pensionen bei jenen, die nicht mit ihr rechnen, zeitlich weit weg. Beziehungsweise rückt sie, sieht man sich die stets neu aufkeimenden Debatten zu möglichen Anhöhungen des Pensionsantrittsalters an, stetig in weitere Ferne. Plakativ ausgedrückt: Selbst wenn man alt ist, wird man bis dahin wohl nicht alt genug sein. Keine guten Aussichten, aber immerhin nicht unmittelbar spürbar. Und wer weiß, was sich bis dahin so alles tut, gesellschaftlich und bei einem selbst. Wieso Sorgen machen, zumal man dadurch auch nichts ändert. Dann lieber so lange eine gute Zeit haben, wie nur irgend möglich. Um es mit Homer Simpson (und ja, ich weiß, dass Simpsons-References nicht mehr en vogue sind beziehungsweise eigentlich nie waren) zu sagen (darauf angesprochen, dass er, sobald seine Kinder erwachsen sind, darüber ärgern werde, nicht mehr Zeit mit ihnen verbracht zu haben): "Das ist ein Problem für Zukunfts-Homer. Oh Mann, den Typen beneide ich nicht."

"Könnte bitte jemand an die Kinder und Enkelkinder denken?"

Auch wenn Regierungsvertreter gerne anderes behaupten: Die Pensionen sind nicht sicher. Das ist nicht einmal mehr ein offenes Geheimnis. Tiefgreifende Reformen sind jedoch bislang ausgeblieben und sind auch auf unabsehbare Zeit nicht zu erwarten. Die Jungen und auch den nicht mehr ganz so Jungen sind politisch lethargisch, die Profiteure hingegen entsprechend organisiert und zahlenmäßig überlegen. Man spricht von einer Gerontokratie, die Herrschaft der Alten. Darüber schreiben, ein wenig jammern schafft wenigstens ein bisschen Abhilfe, bringt aber freilich auch nichts. Österreich ist schließlich allgemein veränderungsresistent, und bei den Pensionen ganz besonders. Gleichzeitig sollte man davon Abstand nehmen, ältere Mitmenschen pauschal zu verunglimpfen. Viel eher sollte man ihnen klarmachen, dass sie mit ihrem Wahlverhalten – oder eventuell durch darüber hinausgehendem politischem Handeln – daran beteiligt sind, ihren Kindern und Enkelkindern einen finanziellen Scherbenhaufen zu hinterlassen.

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Sandra Schleicher

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julbing

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Andreas Dolezal

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