Der schlafende Riese und südlicher Wein - Neuseeland

Wir lassen Invercargill hinter uns. Und seine Sturmböen. Die ganze Nacht über hatten sie unser Wohnmobil gebeutelt. Jetzt liegt der Wagen ruhig auf der Straße nach Queenstown - zwei Autostunden weiter nördlich. Die letzten Kilometer führen am Lake Wakatipu entlang, der wie ein riesiges, schwungvolles S in das Gebirge graviert ist, und an dessen mittlerem Bogen Queenstown liegt. Neben Form und Größe hat dieser See noch eine andere Besonderheit: Er hebt und senkt sich alle fünf Minuten um zwölf Zentimeter - vermutlich wegen der eigentümlichen atmosphärischen Druckverhältnisse in diesem Tal. Und das ist bestimmt eine gute Erklärung. Aber die Geschichte der Maori ist besser: Am Grund Sees - so erzählen sie - schläft nämlich ein Riese. Und der See hebt und senkt sich mit seinem Herzschlag.

Der Herzschlag des Sees ist heute bedeutend schneller. Seit das Bungy Jumping hier in Queenstown erfunden wurde, pflegt die Stadt ihr Image als "Adrenalinzentrum" Neuseelands. An jeder Ecke kann man ein Abenteuer oder zumindest ein verspannendes Sporterlebnis buchen. Helm, Schwimmweste und Knieschützer gehören zum Standard-Oufit des Queenstown-Besuchers. Und kurze Hosen - trotz Kälte. Aufregung wärmt. Inmitten der Rafter, Jumper, Downhiller und Jetboot-Raser ist der Gedanke an den Riesen wohltuend. Er schläft entspannt am Seegrund, und sein Herz schlägt beschaulich und kraftvoll.

Wir ziehen weiter. Denn es zieht uns zum Wein. Nur eine knappe Autostunde von den schneebedeckten Bergen rund um Queenstown und seinen Stresshormonen entfernt, liegt Cromwell - das Zentrum der südlichsten Weinregion der Welt. Einige Breitengrade südlicher als in Chile beispielsweise gedeihen hier Sauvignon Blanc, Pinot Gris und Riesling - vor allem aber der schwierige Pinot Noir. Er hat hier im kühlen Süden vor Jahrzehnten eine neue Heimat gefunden, und er schmeckt außergewöhnlich. Wohltuend kräftiger als gewohnt und doch mit diesem fein gestrichelten Geschmack, der für ihn so typisch ist. Das Herz schlägt ruhig beim letzten Glas. Vielleicht träumen wir diese Nacht von einem Riesen, der am Grund eines Sees schläft.

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:17

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:17

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:17

2 Kommentare

Mehr von Andreas Rinofner