Wind im Kopf - Neuseeland

Die Wellen sind lang und unerwartet tief zwischen der Süd- und der Nordinsel. Das mächtige Fährschiff schwankt spürbar. Und sichtbar wird einigen übel. Auf den Toiletten auch hörbar. Dann treibt uns der Wind in den Hafen von Wellington hinein. Die Stadt ist in den Schatten der Abendsonne gehüllt. Anderntags streifen wir durch die Straßen. Wir wünschen uns, es würde Handläufe an den Häuserwänden geben, damit wir uns festhalten können - so stark wehen die Windböen durch die Stadt. Wir ziehen unsere Windjacken bis über das Kinn zu und frösteln. Frauen tragen leichte Sommerkleider und lachen in den Straßencafes.

Unten am Hafen steht das "Te Papa Tongarewa", das gewaltige Nationalmuseum Neuseelands. Der Maori-Name heißt übersetzt "Ort der Schätze". Und diese werden auf sechs Etagen gezeigt - anziehend, lebendig, ohne Augen und Kopf zu überladen. Ein ganzes Stockwerk ist dem Einfluss des Menschen auf die Naturlandschaft Neuseelands gewidmet. Wie massiv und rasch sich dieser zeigt, kann man in Neuseeland besonders eindrucksvoll sehen. Bis vor 1.000 Jahren war dieses Land vollkommen isoliert und unberührt. Die Maori hinterließen die ersten nachhaltigen Spuren, und mit der Ankunft der europäischen Siedler vor gut 200 Jahren wurden diese Spuren tiefer. In nur einem Jahrtausend menschlicher Siedlungs-Geschichte verlor Neuseeland den Großteil seiner ursprünglichen Natur.

Die Ausstellung beschönigt nicht, sie klagt aber auch nicht an. Denn die Siedler mussten - um überleben zu können - das Land in ihrem Sinn kultivieren, die Maori ebenso wie die Europäer. Es wurde gerodet und gejagt. Fremde Tiere wurden ins Land gebracht und nicht heimische Pflanzen angebaut. Das bis dahin unberührte Neuseeland verschwand. War es das gute Recht der Siedler? Vielleicht sogar eine Notwendigkeit? Oder hatten sie jedes Augenmaß verloren - aus Rücksichtslosigkeit und Gier? Haben sie das Land zerstört? Oder haben sie es nur verändert? Ist nicht jede Veränderung auch zerstörerisch? Und wieviel ursprüngliches Europa steckt noch in Europa?

Dem Reisenden bläst der Wind in Wellington unerbittlich durch den Kopf. Hat er am Ende mehr Fragen als Antworten?

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Erkrath

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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