Es ist ein durchaus interessantes und für den psychologischen Laien schwer einordenbares Phänomen, dass offenbar viele Menschen ihre Abneigung gegenüber Menschen mit einer eigenartigen, vielleicht sogar krankhaften Tierliebe kompensieren.

Flüchtlinge? "Mir doch egal, ob die im Mittelmeer ersaufen. Sollen sie halt in keine Boote steigen, außerdem sind sowieso die Schlepper schuld."

Katze muss draussen schlafen? "Skandal. Diesen Unmenschen muss man doch zumindest die Meinung sagen. Besser noch, rasch an den Internetpranger für Tierquäler." (Da spielt es auch keine große Rolle, dass Katzen seit Jahrtausenden bestens im Freien zurechtkommen.)

Wir Deutsche geben jährlich 9,1 Milliarden Euro für Haustiere aus - das ist in etwa soviel wie Bund, Länder und Gemeinden im Jahr 2016, am Höhepunkt der Flüchtlingswelle, für Flüchtlinge ausgegeben haben - aber man muss schon sagen so ein Wauzi oder Schnurrli ist halt viel süßer als ein Flüchtling und mit Sicherheit auch kein Moslem. Bei so einem Tier weiß man, was man hat. Solange man es ordentlich füttert und/oder in einen Käfig sperrt, läuft es nicht davon. Das kann man ja heutzutage nicht mal mehr von einem Ehepartner erwarten. Man muss kein Fan von Migration und Fluchtbewegungen sein, um hier bei klarem Verstand zur Auffassng zu gelangen, dass da was nicht stimmen kann, wenn die Tierliebenden die Kosten für Flüchtlinge beklagen und dabei genüsslich ihre Perserkatze kraulen.

In so ein wehrloses und vor allem stimmloses Tier kann man auch gefahrlos alle seine geheimen Wünsche projezieren. Da kann man das Betteln nach Futter gefahrlos für Zuneigung halten. Und im treuherzigen Hundeblick die wahre und bedingungslose Liebe erkennen. Dass es sich in Wahrheit um ein asymetrisches Abhängigkeitsverhältnis handelt, bei dem das Tier emotional und oft auch körperlich (also entgegen seiner tierischen Instinkte) mißbraucht wird, spielt da keine Rolle. Von so einem Tier wird man eben nie hören: "Ich will die Scheidung."

Die Frage, die niemand gern beantwortet haben möchte, ist: Können tierliebende Menschen trotzdem schlechte Menschen, im Sinne von Menchenfeindlichkeit sein? Und die Antwort ist nicht nur ja, sondern sogar überraschend oft JA. Es gibt prominente Beispiele. Hitler soll seinen Schäferhund Blondi abgöttisch geliebt haben. Was er für Menschen übrig hatte, die nicht seiner Auffassung von Genetik entsprachen, wissen wir.

Deutschland, 2015: Die Tierrechtsorganisation „Animal Peace“ freut sich, dass ein Bulle einen Bauern getötet hat. Man bejubelt den Bullen als Helden und beschimpft den toten Bauern als Sklavenhalter. Und: Man wünscht sich noch mehr solch tödlicher Attacken. Diese ungeheuerliche Verquickung von Tierliebe und Menschenverachtung ist heute populär. Vor kurzem schrieb bei Facebook etwa ein Mann, der frisch verheiratet ist und in einer Reha-Klinik für Krebspatienten arbeitet, zum Tod des Toreros Víctor Barrio (29) in der Arena "bestens", und: "Leider ist er viel zu schnell und schmerzlos gestorben."

"Tierrechtler" entwickeln häufig die bizarrsten und mittelalterlichsten Ideen für den Umgang mit Tierquälern und -vernachlässigern, wobei sie das Eine vom Anderen sachlich nicht unterscheiden können. Beides ist ohne Frage zu verurteilen, hat aber dennoch unterschiedliche Qualität. Erst gestern las ich in einem Kommentar die niedliche Lektion über das Schmerzempfinden von Tieren, die ein Vater seinem Kind erteilt haben soll - durch Schläge mit einer Weidenrute. Schlage nie ein Tier, das kann das nicht so gut verstehen wie ein Kind!

Auch Humor ist für diese Menschen keine Kategorie. Schon der simple Satz: "Ich mag Tiere - am liebsten medium" führt oft schon zu Mordfantasien. Dabei isst ein Gutteil der Tiere, ähm Tiere. Meinem Hund ist sogar die Zubereitung egal. Roh, medium, gekocht? Alles kein Thema. Ethik? Egal. Derweil hockt mein Kater genüsslich über den Resten des Fasans, den er gerade geschlagen hat. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Fasan noch zuckt und frage mich, ob es ethisch vertretbar wäre, meinem kleinen Killer die Beute zu entreissen und selbst zuzubereiten. Kennt wer ein gutes Rezept? Schweine, diese lieben Tiere mit den seelenvollen Augen, fressen übrigens nicht nur gerne den eigenen Nachwuchs, sondern wenn es gerade passt auch den einen oder anderen Menschen. Meine lieben Tierfreunde beginnen wahrscheinlich gerade zu hyperventilieren, während sie ihrer Katze eine Schale Nassfutter verabreichen - mit Schlachtabfällen aus Massentierhaltung...

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