Einiges läuft anders im Vorwahlkampf in den USA als gedacht:

Nur Wenige hätten einem Bernie Sanders, weniger noch einem Donald Trump (beide auf dem Foto von comedians gedoubled) grössere Chancen eingeräumt.

Letzterer scheint inzwischen fast uneinholbar der kommende republikanische Kandidat fürs Präsidentenamt zu sein, Sanders stiehlt bei den Demokraten der als haushohe Favoritin gehandelten Hillary Clinton immerhin die Show.

Beide Herren scheinen vom Bedürfnis nach "Authentizität" und "Nonkonformismus" auf Seiten der Wähler zu profitieren.

Der eine macht`s "tru(a)mp"-elig, rüde und pöbelnd, mit seinen 69 Jahren mithin im besten Flegelalter.

Für Europäer, die schon immer wussten, dass die USA für Kulturlosigkeit stehen, eben "typisch amerikanisch".

Nachdenklichere Amerikaner dagegen erkennen in Trumps Lautem und Ungehobelten eher das "typisch Deutsche": Immerhin stammen Trumps beide Grosseltern (Elisabeth und Friedrich Drumpf) aus dem pfälzischen Kallstadt. Ihr Enkel Donald nun das Beispiel einer gescheiterten Integration?

Der Andere, Sanders, tritt zwar weniger laut auf, bedient aber genauso die Sehnsucht nach dem "Eigentlichen", "Eckigen" und "Ehrlichen":

Während der "glatten" Hillary Clinton der Ruch jahrzehntelangen Gemauschels im politischen Establishment anhaftet, gibt Sanders den, der die grundlegenden demokratischen Werte hochhält.

Erstaunlicherweise kommt er damit gerade bei der jüngeren Klientel unerwartet gut an:

Genauso wie im Falle eines Jeremy Corbyn(66) bei den britischen Labours scheinen junge Linke bei der Suche nach "Unverfälschtheit der reinen Lehre" Zuflucht zu älteren Herren, im Falle Bernie Sanders jemandem mit immerhin 74 Jahren zu nehmen. Mithin also bei den ansonsten doch so verhassten "old white men"...Wir denken 2 Präsidentschaftskampagnen zurück und erinnern uns an die Kandidatur McCains: d a s damals gängige Argument gegen ihn als möglichen zukünftigen Präsidenten, war (abseits von politischem Dissens) sein Alter: Ein s o alter Mann als Präsident, no way. Nun war McCain (heute 79) damals sogar um 3 Jahre jünger als ein Sanders heute. Zu diesem bemerkenswerten Shift passt das österreichische Phänomen eines Alexander Van der Bellen mit seinen 72 Jahren, gerade bei der dortigen Wählerjugend bevorzugter Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten.

Ein gewisses "Mindestalter" scheint mittlerweile geradezu Voraussetzung zu sein für die erwartete "Unverfälschtheit".

Zu der gehört natürlich, dass die mediale Präsentation nicht eingeübt, sondern "ehrlich" und "authentisch" rüberkommt.

Der Kandidat darf, besser muss mitunter Statements abgeben, die unerwartet und konfrontativ wirken.

Letzteres ist Sanders nun wirklich gelungen.

Seine Einlassungen auf die Frage nach seiner Position im Israel/Palästina-Konflikt:

“Anybody help me out here, because I don’t remember the figures, but my recollection is over 10,000 innocent people were killed in Gaza. Does that sound right?” he asked the editorial board. “I don’t have it in my number … but I think it’s over 10,000....So yeah, I do believe and I don't think I'm alone in believing that Israel's force was more indiscriminate than it should have been.” (Quelle: New York Daily News)

Mit letzterem, dass Israel "unangemessen" vorgegangen sei, zielt er vorsätzlich auf die Erfüllung der Erwartungen derer, die er umwirbt.

Mit seiner Einschätzung, wonach dieses "unangemessene" Vorgehen Israels "mehr als 10.000 unschuldigen Zivilisten" das Leben gekostet habe, liegt er groteskerweise um den Faktor 5 über dem, was Hamas (die solche Zahlen sicher nicht nach unten korrigiert...) als "Resumée" der letzten "Gaza-Runde" reklamiert:

Dort ist von etwa 2500 Toten die Rede, davon die knappe Hälfte Hamas-Kämpfer.

Dass ein Sanders den Anlass der letzten Gaza-Kampagne, den wiederholten monatelangen Beschuss aus Gaza mit Raketen, die ja mittlerweile fast jeden Ort in Israel erreichen, nicht erwähnt, gehört zum sog. "guten Ton".

Wirklich bestürzend ist aber, wie jemand mit einem Gerücht - Sanders selbst betont im Verlauf des Interviews ja mehrmals, dass er keinerlei Kenntnis von belastbaren Zahlen hat - hausieren geht, um die Erwartungen seiner Klientel zu erfüllen.

Merke: Israel-Bashing geht immer, da tut die selbsterklärte Ignoranz der Faktenlage keinen Abbruch.

Und es zahlt sich aus: In Form von "moralischem" Kredit von Seiten derer, die nach eigenem Bekunden für eine bessere Welt streiten.

Mit welchem anderen Land dieser Welt würde es sich ein Kandidat für die amerikanische Präsidentschaft erlauben, vergleichbar umzugehen? Also dessen explizite und erklärte Diffamierung qua Gerücht?

Ein (weiteres) Beispiel über das "Handling" von "Israel als dem Juden unter den Staaten"?

Jedenfalls ein schönes Beispiel, wie sich das Diktum von Adorno über den Antisemitismus als "Gerücht über die Juden" wunderbar auf die jüdische Staatlichkeit übertragen lassen kann:

"Das Gerücht über Israel" als Vehikel der neuen(vornehmlich "linken";) Judenfeindlichkeit, verkleidet als "Antizionismus":

"Denn gegen Juden haben wir ja nichts. Nur gegen Israel."

PS: Zum Phänomen der Akzeptanz der "old white men" gerade bei der jüngeren Wählerschaft siehe auch hier:

http://www.profil.at/oesterreich/analyse-junge-maenner-wahl-bundespraesident-6322799

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Marian Eisler

Marian Eisler bewertete diesen Eintrag 10.04.2016 13:57:01

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