Manchmal möchte ich einfach nur Blogs schreiben, in denen ich über etwas nachdenke. Ganz einfach so. Geschriebenes Nachdenken, das vielleicht zum Mitdenken einlädt. Aber mir scheint, die Zeit dieser Art Blogs ist vorbei. Die Menschen scheinen sich, bei allen Versuchen der Freiheitlichkeit, zu formieren in Blöcke links und rechts von irgendwas. Und diese Blöcke werden immer klarer beschrieben: Der linke Block ist Gutmensch (und stolz drauf), mindestens Vegetarier (wenn nicht Veganer), Nichtraucher (möglichst militant) und Frauenversteher (geh du mal arbeiten!). Der rechte Block ist Schlechtmensch (und stolz drauf), Fleischesser, Raucher und Frauenversteher (bleib du mal zu Hause).

Die Einen wie die Anderen schreiben regelmäßig wütende Pamphlete über die jeweils Anderen, weil die ja so wenig gut für diese unsere Welt sind. Wenn die nämlich, die jeweils Anderen, die Oberhand gewinnen (und es sieht sehr so aus), dann geht es tüchtig bergab mit dieser schönsten aller Welten und die sind dann Schuld.

Ich währenddessen, die ich mich so ganz und gar nicht in einen dieser Blöcke einordnen kann und mag, fühle mich vollkommen verloren und verstehe nicht.

Wo kam das her?, frage ich mich. Wann fing das an?, dass Menschen total verblockt durch die Welt liefen, eingepackt in Kästen fester Vorstellungen und Feindbilder. Wozu überhaupt braucht man die, so´ne Feindbilder? Kann man nicht ohne glücklich sein? Viel glücklicher sogar?

Wo sind sie hin, die Zeiten, in denen man sich auf seinen Sonntagsbraten freute, hernach eine Zigarette rauchte und nach dem gemeinsamen Abwasch die große Runde um den (Wohn)Block lief? Was genau war es, das die Zeiten so viel komplizierter gemacht hat, seit das Überleben so viel leichter ist?

Als ich in einer Hausgeburt frisch entbunden war, erfuhr ich später, setzten sich der Vater und die Hebamme, fröhlich über das gelungene Werk, erst einmal neben meine Mutter und mich und tranken einen Kaffee mit einer Zigarette dazu. Das war nicht nett, weiß ich heute.

Als wir allerhand Jahre später uns angewöhnten, Samstag Abend die Familie vor Bergen von Schnitzeln zu versammeln, dachten wir keinen Moment lang an die armen Schweine, die wir da vertilgten. Das war nicht nett, weiß ich heute.

Als der Ehemann Nr.1 nach der Arbeit heimkam zu mir, die ich tagsüber schier verzweifelte an einem nicht trinken wollenden Kind, fragte er mich mit einem vorwurfsvollen Rundblick, was ich denn nur den ganzen Tag gemacht hätte. Das war nicht nett, ahnte ich damals schon, und fühlte mich doch schlecht wegen meiner Unvollkommenheit.

eigenes Bild

Aus Jahrzehnten Leben, das aus heutiger Sicht über manche Strecke nicht nett war, ist mindestens eine Erkenntnis zurück geblieben. Je mehr ich mich, sogar auch im Angesicht meines eigenen unvollkommenen Lebens, über andere (und, ja, aber was werd ich das wem sagen: auch mich selbst) ärgere, umso unwohler werde ich mich fühlen.

Großzügigkeit, mit anderen und sich selbst, ist immernoch die höchste Tugend, die man in so einem Leben erwerben kann. Ohnedies bleibt, trotz aller Großzügigkeit, noch genug Dreck übrig, vor der eigenen wie auch fremden Türen, der weg zu räumen ist. Eins nach dem Anderen.

Und wenn dieser Dreck weg ist, erst dann, werde ich darüber nachdenken, ob es wirklich einen Anspruch auf ein nettes Leben gibt, was das eigentlich ist und ob ich das will.

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