So ein Sommer (der nach dem Kalender noch gar keiner ist) hat seine Vorteile: Ich lese wieder. Nach Jahren des Hörbuchkonsums. Und zwar noch genauso schnell wie früher. Und auch, weil es diese Sachen als Hörbuch nicht gab. Politisch korrekte Auswahl dessen, was man dem neuzeitlichen Buchkonsumenten zumuten kann?

Keine Ahnung.

Zuerst: Eine Lehrerin*, außer Dienst (was sonst?), die in Anflügen autoritärer Erziehung eine Rechtfertigung findet. (Ich erinnere mich an manche Diskussion, die mich als Kind eben dieser Erziehung verortete, die auch Teil der meinen, also meiner Kinder, war. Und kritisiert wurde.) Sie redet von Grund- und Sonder-, Pardon!, Förderschülern, die nicht ohne Grund da gelandet sind. Sie redet von Rangkämpfen, immer wieder, und von Rudeln, als ginge es um Wölfe oder so. Sie sagt, sie wolle Menschen nicht mit Tieren vergleichen, aber doch dränge der Vergleich sich auf.

Und ich, die ich sattsam Erfahrungen gemacht habe mit Menschen aus anderen Kulturkreisen, nicke still vor mich hin. Ich habe sie erlebt, diese Rangkämpfe, die fern von unseren hiesigen Wertevorstellungen waren. Und ich hatte eine Ahnung, dass das Unverständnis über hiesige Lebens- und Moralvorstellungen manches beförderte.

Bin ich jetzt rechts?

Nein, ich lese ja nur, stelle fest, dass das Gelesene sich mit meinen Erfahrungen deckt. Der Mensch, den Leonhard Frank GUT nannte, ist vielleicht überall anders gut. Wenn wir verstehen, was zu verstehen wichtig ist, können wir vielleicht damit umgehen. Aber allem unsere eigene Auffassung von diesem Gut-Sein aufzudrücken, ist nicht nur unverständig, sondern naiv. Der Mensch mag gut sein, aber das ist er überall anders. Und vielleicht tut es nicht gut, wenn wir, die wir hier zu Hause, noch in der Mehrheit und die Finanzierer des Ganzen sind, uns einer Auffassung vom Gut-Sein unterwerfen, die nicht die unsere ist. Denn unser ganzes Lebens-, Gesetzes- und Handlungskonstrukt ist darauf aufgebaut.

Darüber wird man nachdenken dürfen und auch darüber, womit wir bei Buch Nr.2** wären, was Meinungsfreiheit bedeutet. Man, und zwar Jederman, kann sie äußern in diesem unserem Land, sofern sie nichts Straffälliges beinhaltet. Man wird, soviel ist angesichts der aktuellen Kommunikationskultur klar, darüber nachdenken müssen, was sich zu straffällig relevanten Meinungsäußerungen entwickelt und was eben nur eine Meinung ist. Man darf, soviel ist auch klar, vieles sagen, was man denkt und fühlt. Das ist nicht verboten. Und allzu leicht wird ausgebremst, was noch lange nicht straffällig ist. Diese Ausbremsung ist Resultat eines allgemeinen Unbehagens, das Sprache meint und längst auf den einst so normal empfundenen Diskurs übergreift. Veranstaltungen werden abgesagt, weil Drohungen sie im Vorfeld begleiten. Seit allerhand Jahren schon. Der moderne Mensch ängstigt sich allzu leicht und verweigert eben diesen Diskurs, der womöglich heilsam sein könnte. Wenn man denn nicht schon längst die Kultur der sprachlichen Auseinandersetzung verloren hätte.

Androhungen von Gewalt, Erpressung, strafrechtlichen und beruflichen Konsequenzen bei gleichzeitiger Forderung, sich im Netz - anstandshalber! - nurmehr mit Echtnamen zu präsentieren, sind Druckmittel, die einen ehrlichen Diskurs eben NICHT befördern. Egal von welcher Seite so etwas kommt.

Das Problem benennt Autorin Nr.1 mit einer vollkommen anders gearteten Kultur, die wir unverständiger Weise in die unsere einzugemeinden bemüht sind, ohne sie zu verstehen. Und auch, so erklärt es Autor Nr.2, dass wir voraus eilenden Gehorsam üben, ohne uns unseres Grundgesetzes bewusst zu sein.

Ich DARF Meinungen äußern. Aber ich darf damit niemanden bedrohen oder anderswie straffällig werden.

Aber (und das sagt Lehrerin aus Nr.1) wenn ich keinerlei Konsequenzen anzubieten habe für jedwede Art von Regelbrüchen, dann muss ich mich nicht wundern, wenn diese fortdauernd stattfinden.

Ich muss nachdenken. Aber schon jetzt lande ich immer wieder bei der Auffassung, dass dieses geradlinig in einer oder anderer Richtung denken mich nicht weiter bringt. In Wahrheit ist es viel komplizierter.

*Lehrer über dem Limit/ Ingrid Freimuth

** Meinungsfreiheit/ Volker Kitz

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