Der vermutlich 1.249 offene Brief an van der Bellen

Ach sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich bin sofort dabei, mich mit all jenen Frauen und Männern zu solidarisieren, die seit dem Putsch verhaftet und/oder aus ihren Arbeitsstellen vertrieben wurden, nur, weil sie eine andere Meinung vertreten haben. Ich bin auch sofort dabei, mich mit all jenen Frauen zu solidarisieren, die Kopftuch oder Burka tragen, weil sie sich dazu gezwungen sehen. Und zwar, indem sie durch ein Kopftuchverbot unterstützt werden, es nicht tragen zu müssen.

NIE NIE NIE werde ich mich aber mit Frauen solidarisieren, die das Kopftuch oder was immer, aus religiöser Überzeugung tragen. Weil für mich heißt das, dass sie sogar GLAUBEN, dass ein von Männern instrumentalisierter Gott, Mohammend oder irgendwelche Mullahs bis hin zu den Ehemännern und Söhnen über sie bestimmen dürfen. Selbst oder besonders dann, wenn sie glauben, sie tun es freiwillig und aus Überzeugung.

Mein Vater war in den 50ziger Jahren ein ganz "normaler" Tiroler, eher für die Zeit ein besserer, weil wir, zumindest die Mädchen, wurden nicht geschlagen, er hat auch nicht gesoffen etc. Aber ein Blick von ihm hat genügt und ALLE, einschließlich meiner Mutter haben GEKUSCHT. Und meine Mutter hat das für völlig normal befunden. So ist es halt. Weil hinter meinem Vater standen der Pfarrer, der Dechant, der Bischof, der Papst und irgendwo da oben der allmächtige Gott, der mich wegen z.B. einem 1cm kürzerem Rock (vom Hosen tragen dürfen war da noch lange nicht die Rede) gleich für ewig in die Hölle verdammen wollte, weil unkeusch und so weiter.

Die Energie hinter diesem Kopftuch aus religiösen Gründen ist genau die gleiche. DAS will ich NIE mehr. Und ich werde alles mir Mögliche tun und dran setzen, dass die erkämpften Freiheiten, sei es Kleidung, Bildung, Reisen, was immer, mir und meinen Kindern erhalten bleiben.

Dass Sie, Herr van der Bellen, so eine Aussage tätigen, ja, das kann nur ein Mann, der keine Ahnung hat, wie es für die Frauen auch damals in Tirol war. Tirol war auch ihre Heimatregion, Sie sollten eigentlich wissen, wovon ich rede. (Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass sich die Frauen vermutlich nicht viel dabei gedacht haben, es war halt so, nur wir, die Nachfolgenden, haben erfolgreich rebelliert.) Wer will schon zurück? Ich nicht.

Kopftücher sind getragen worden, weil es kalt und windig war, oder staubig oder zu heiß. Und weil das Wasser zum Haarewaschen erst im Holzofen heiß gemacht werden musste, d.h. die Haare wurden meist nur alle paar Wochen gewaschen, d.h. man hat besser gut drauf aufgepasst. Schlafmützen/tücher sind getragen worden, weil die Winter so kalt waren und meist nur die Stube geheizt werden konnte. Eis an den Innenfenstern war durchaus normal.

Ach ja genau, in der Kirche musste auch das Haar bedeckt werden, weil es könnte ja sonst der Pfarrer abgelenkt sein und auf schlechte Gedanken kommen, oder die anderen Männer. Das war auch die Zeit, wo die Frauen so ab 40, nachdem sie mit der Brutpflege fertig waren, nur mehr in schwarz erschienen (durften?) und eben mit Kopftuch, das waren dann die "Betschwestern", weil sie dann zu den absolut asexuellen Wesen mutieren mußten, wie selbst Udo Jürgens noch weit später der Meinung war.

JEDEN TAG bin ich unendlich dankbar, dass diese Zeiten vorbei sind, dass ich mich in pink, knallrot oder schwarz kleiden kann und dass aus meiner Dusche jeden Tag ohne irgendeine schweißtreibende Vorarbeit meinerseits fast endlos heißes Wasser rinnt. Wenn Mann auch nur ein bisschen über das eigene Weltbild hinausschaut, ist es leicht zu erkennen, dass überall dort, wo Frauen nicht gleichwertig behandelt werden, sich der Religion und den Männern beugen (müssen), das Leben für die meisten (außer Frau Erdo ....u.a. ) sehr viel eingeschränkter und beschwerlicher um nicht zu sagen armseliger ist. Und überall dort, wo es gelungen ist, dass Männer und Frauen gemeinsam, einigermassen gleichwertig und in gegenseitiger Wertschätzung das Leben meistern, Freiheit, Wohlstand und mehr Lebensfreude Einzug gehalten haben. Dass wir in manchem vielleicht über das Ziel hinausgeschossen haben, das kann nachadjustiert werden. Dem guten Lernen kein Ende :)

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