Wer darf witzig sein und was darf Humor?- Eine kleine Kritik

Vielleicht ist es gerade ein Thema, über welches nur jemand schreiben sollte, der witzig ist und sich mit Humor super gut auskennt. So jemand wie Shahak Shapira oder Böhmermann, der, wie ich meine, sogar mit Oliver Welke eine staatliche Lizenz für Comedy besitz. Andererseits muss ein Buchkritiker selber Bücher schreiben oder eine Plattenrezension gar in sich musikalisch sein?

Bei mir ist es mit dem Humor so: Ich finde etwas lustig oder nicht. Warum ich etwas lustig finde, liegt in meinem Fall eher daran, wie treffend eine Pointe ist, oder wie unerwartet und passend zugleich sie ist. Der Witz liegt dabei nicht daran, ob ich lachen darf, was dann wiederum davon abhängen könnte, wer ihn gemacht hat. So nach dem Motto: „Der Sombrero Witz ist selber von einem Mexikaner…“ „Ach, so ja dann… hahaha, lustig“. Bei einigen funktioniert Humor aber scheinbar so. Gelacht wird nur, wenn die richtige Person den Witz erzählt. Haben dann Leute, die ihren Humor nicht so gut kontrollieren, hervorheben und unterdrücken können, gar keinen, oder gerade einen? Das Problem welches ich mit dem Humor habe ist, dass es nicht mehr darum geht was witzig ist, sondern wer witzig sein darf. Oder wer worüber witzig sein darf.

Shahak Shapira machte um den Dezember 2018 einen Witz auf Twitter, den ich jetzt eher nicht so sehr lustig fand. Er postete ein Foto vom mittlerweile gesicherten Breitscheidplatz und gab dem Bild die Überschrift „Oh cool, Weihnachtsmarkt in Auschwitz“. Bei einigen funktioniert der Witz jetzt nur, wenn man sagt, Shapira ist total links. Ok, bei dem Witz ist dieser Bonus auch verbraucht. Man muss schon sagen, dass er selber Jude ist. Mir geht es jetzt nicht um eine Moral. Ich fand da einfach keine Pointe. Haha, Juden feiern kein Weihnahten oder Ausschwitz war auch gesichert, oder was war lustig? Aber wer lachen kann, der soll meinetwegen. Ich kommentierte, was denn wäre, wenn den Witz einer von der AfD gemacht hätte, worauf ich von ihm auf Twitter geblockt wurde.

Eine österreichische Liedermacherin, Maria Stern, machte einen Hitlergruß am Ende ihres Songs, um noch ein bisschen Witz, der diesem grauenhaften Stück fehlt, raus zu kitzeln. Linke dürfen das. Ok, aber ist es dadurch witzig? Ich weiß, ein Hitlergruß kann kontextbezogen sau-komisch sein (dazu später) – aber einfach so? Sie benutzt Reime wie „Strache, dein Programm ist eine feine Sache“ und muss auf „zu“ „du huhu“ reimen. (Klickt das hier nur an, wenn ihr Fremdscham resistent seid. Der Horror geht sofort los und ihr werdet von jetzt auf gleich angeplärrt.) Ist etwas schon lustig, wenn man „Trump und Strache doof“ sagt. Reicht das echt schon für PC-Comedy aus?

Woran ich aber merke, dass ich scheinbar keinen staatlich geeichten Humor habe, ist, dass ich einen Mops, der sich Hitlerreden anguckt und den Hitlergruß macht, unheimlich komisch finde. Ich möchte jetzt dem Herrchen und schon gar nicht dem Mops zu nahe treten aber ich glaube, es steckt viel mehr Mühe, Witz und Arbeit darin, den Hitlergruß einem niedlichen Mops beizubringen als Maria Stern. Beweisen kann ich das natürlich nicht. Das Erste tadelt den Mops Besitzer natürlich als ganz weit außen. Diese Aktion hat den schottischen Youtuber Count Dankula auch fast in Gefängnis gebracht. (Das darf man dann laut ÖR wieder)

Es ist ok, wenn es jemanden aufregt, dass es bestimmte Klischees gibt. Aber wenn man seinen Humor daraus zieht, dass man ständig ein Klischee bedient, kann man dann die Person sein, die sich darüber aufregt? „Warum sind Juden beschnitten? -Weil eine jüdische Frau nichts anfasst, was nicht 20% reduziert ist.“ Ich finde diese Pointe gelungen. Nicht weil es wahr ist, sondern weil mit einem Klischee gespielt wird, durch welches es unerwartet zu einer Auflösung kommt, die über das Klischee Sinn gibt. Man nennt es Pointe. Das geht gar nicht!?! Ach ja? Der ist von Oliver Polak, selbst Jude und er hat den beim Pro7 Quatsch Comedy Club vorgetragen.

Es ist mir wie gesagt nicht wichtig, woher der Witz kommt. Wenn die Pointe durchdacht ist, kann ich mich des Lachens nicht verwehren. Hier aber ein Fall, wo die Ecke aus der der Witz kommt diesen unfreiwillig noch lustiger macht: „Liebe Leserinnen, liebe Leser, bitte beachten Sie: Wegen des morgigen Weltfrauentages arbeiten die weiblichen Mittarbeiterinnen des ZEIT-Verlages morgen nicht. Der Betrieb läuft wie gewohnt weiter.“ Die Pointe ist lustig. Ein bisschen gemein den Frauen gegenüber, aber von wem ist der? –Niels Ruf, Ingo Appelt?- Nein! Das twittert die ZEIT in vollem ernst und jetzt beginnt für mich der Moment in dem ich mich kugeln muss. Schmerzen vor Lachen bekam ich dann noch obendrauf, als sie es versuchten aus dem Internet zu löschen.

Was ich lustig fand, war Broders Mahnmal-Maskottchen-Kostüm. Der Witz bestand darin, dass er die Selbstbeweihräucherung der Veranstaltung aufs Korn nahm, indem er es auf die Spitze trieb und noch ein Maskottchen sponserte um die Groteske aufzuzeigen. Außerdem sieht es putzig aus. Dem kann sich glaube ich niemand entziehen. Nur Falls jemand es erklärt haben will.

Eine Zeitschrift titelte mal mit dem Foto einer Wehrmachtsparade: „So lösen wir das Stürmerproblem“. Ist es jetzt ok, wenn ich sage, dass es die Titanic war, aus der die PARTEI entsprungen ist? Damals provozierten sie selber noch und hatten so Titel wie „War Hitler Antisemit?“ Oder Hitler auf einem Cover mit der Überschrift „Geliebt und doch einsam: Depressionen: Wenn Promis am Leistungsdruck zerbrechen“.

Trevor Noah sagte in der Comedy Central Daily Show zur WM 2018, er freue sich, dass Afrika den Cup gewonnen hat. Ich glaube, dass das viele dachten als sie die französische Mannschaft sahen. Der Scherz ist ok und funktioniert, weil Frankreich KEIN schwarzes Land ist und jeder das weiß, jedoch die Mannschaft so aussieht, als wenn es ein schwarzes Land wäre. Mit Ländern wie Jamaika und Haiti, die ebenfalls nicht in Afrika liegen, hätte der Witz nicht funktioniert. Nehmen wir mal an, Haiti gewinnt einen Worldcup: „Ich bin froh, dass endlich mal Afrika gewonnen hat“-„Haiti ist nicht in Afrika, Haitianer sind dennoch meist auch schwarz“ „Aber die Mannschaft ist auch noch dazu schwarz, das ist doch witzig“ „…Ähhh ach so…ne, ist nicht“. In diesem Fall freute es mich tatsächlich ein wenig, dass die französische Botschaft auf Trevor Noah losging und er nur noch sein „Ich bin doch selber schwarz“ Gestammel artikulierte. Statt einfach zu sagen F**k off, es ist ein Scherz. Da hat er mal von seinem eigenen Gift kosten können. Was hätte Trevor gemacht, wenn beispielsweise Milo Yiannopoulos Afrika für die WM Glückwünsche überreicht hätte, bevor er es täte?

Die australische Zeitung Harald Sun wurde wegen einer Karikatur mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. Auf dem Bild ist eine karikierte Serena Williams zu sehen, die einen Tennisschläger zerstört. Sie ist schwarz gezeichnet, mit krausen Haaren, einem dicken Hintern und dicken Lippen. Verdammt! Soll mir jemand sagen, wie man anders eine Karikatur von Serena Williams machen soll. JK Rowling regte sich darüber auf und schrieb auf Twitter, man hätte eine der größten Sportlerinnen sexistisch und rassistisch degradiert. Genauso gut könnte man behaupten, JK Rowling macht mit ihrem Buch, Harry Potter, Werbung für einen Ethnostaat, in dem keine Muggels akzeptiert werden und die Grenze an Gleis 9 ¾ nicht passieren dürfen, weil sie unterprivilegiert sind und nicht über die gleichen magischen Fähigkeiten verfügen wie die autochthonen Bio-Zauberer aus Hogwarts. #notall

Ich muss gerade über eine Szene in meinem Kopf lachen. Ein sichtlich orthodoxer Jude geht auf einem touristischen Marktplatz in Europa lang und fragt einen Karikaturisten freundlich ob dieser eine Karikatur als Andenken für ihn zeichnen könnte. Der Zeichner überlegt kurz, geht seine Optionen durch kriegt Schweißausbrüche und läuft dann weg. Der Jude fragt jemand benachbarten, was mit dem Zeichner los ist. „Hat er sie karikiert dieser Antisemit?“ –„Nein, hat er nicht“-„Ach so! Keine Karikaturen für Juden! Dann ist er dazu noch Nazi!

Zur Ausgangsfrage, was Humor oder ein Witz nicht darf: Aufgrund der guten Botschaft die er inhaltlich aussendet, verlangen witzig gefunden zu werden.

Wer darf witzig sein: Jeder

Abschließend ein Zitat von Andreas Thiel: „Die Frage, ob man über einen rassistischen Witz lachen darf, ist genau so absurd wie die Frage, ob man sterben soll, wenn man zu Unrecht erschossen wird.“

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