Arbeit: Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert

Nunmehr ist das eingetreten, was im Grunde längst vorhersehbar gewesen ist. Die Erwerbsarbeitlosenquote in Österreich hat Rekordwerte erreicht. Was ein Grund zum Feiern sein könnte, weil es offenbar schon genug Erwerbsarbeit gibt, um den Wirtschaftskreislauf in Gang zu halten, ist für Politiker und der Wirtschaft verpflichteten Funktionären ein Grund zur Sorge.

Die Arbeitsgesellschaft hat sich im Laufe von Jahrhunderten entwickelt. Das heißt aber nicht, es sei unmöglich, diesbezüglich weitere Fortschritte zu erzielen. Wie die Arbeitsgesellschaft in unseren Breitengraden und darüber hinaus so werden konnte, wie sie ist, davon erzählt Andrea Komlosy in ihrem wissenschaftlich fundierten Werk „Arbeit: Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert“. Es gäbe Vieles anzuführen, doch ich möchte mich auf Aspekte konzentrieren, die ich für besonders wichtig einstufe.

Da ist etwa die Subsistenzwirtschaft. Hierbei geht es – grob geschrieben - einerseits um Selbstversorgung, andererseits um gegenseitige Hilfestellung. Diese Form der Wirtschaft ist nicht profitorientiert und fördert Teilhabe. Unsere sogenannte „Zivilgesellschaft“ ist dahingehend sehr aktiv. Somit ist die unbezahlte Arbeit eine wertvolle gesellschaftspolitische Komponente. Das Problem ist nur, dass diese Form von Arbeit der Erwerbsarbeit nicht gleichgestellt ist. Wer unentgeltlich für einen Verein, in der Altenarbeit, für Kinder, Flüchtlinge, Kranke oder Menschen mit Handikap arbeitet, hat zwar eine gewisse Anerkennung innerhalb seines Tätigkeitsfeldes, wer aber welche Tätigkeit auch immer gegen Bezahlung ausübt, und im besten Falle eine halbwegs repräsentative berufliche Stellung einnimmt, der hat einen höheren Stellenwert, egal warum und wie viel Geld er zugesprochen bekommt.

Es lässt sich also feststellen, dass die sogenannte Arbeitslosenquote nichts mit der Nicht-Teilhabe der diese Quote repräsentierenden Menschen an gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Prozessen zu tun hat, vielmehr schlicht und einfach aussagt, wie viel Prozent keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Abgesehen davon, dass diese Prozentzahl viele Menschen nicht berücksichtigt, die etwa beim AMS nicht gemeldet sind oder auf Arbeitslosenunterstützung welcher Form auch immer verzichten (das sollen gar nicht so wenige sein!), oder aus diversen anderen Gründen nicht aufscheinen, zeigt sie sehr deutlich, dass es auf der anderen Seite eine hohe Prozentzahl gibt, die für Arbeit bezahlt werden. Diese Schar an „arbeitenden“ Menschen wiederum enthält jede Menge schlecht bezahlter und geringfügig Beschäftigter. WIEVIELE Menschen definitiv einer adäquat bezahlten Teil- oder Vollzeitarbeit nachgehen, kann gar nicht so exakt gesagt werden. Immerhin ist schon längere Zeit bekannt, dass auf alle Fälle über 50 Prozent!!! der Erwerbstätigen so wenig Geld beziehen, dass sie keine Lohnsteuer bezahlen müssen. Das sagt eigentlich schon alles.

Kurz und gut: Der Stellenwert der Subsistenzwirtschaft und somit auch der ehrenamtlichen Arbeit inklusive jener von Hausfrauen und Alleinerzieher/innen gehört aufgewertet! Ebenso sind jene Arbeiten, die ehemals traditionell von Frauen unbezahlt ausgeübt wurden und die deswegen IMMER NOCH schlecht oder gar nicht bezahlt sind (Pflege von Angehörigen, generell soziale Tätigkeiten, Hauswirtschaft, Beschäftigung mit Kindern, Kranken und Alten etc.), neu zu bewerten. Es kann ja nicht sein, dass nur BESTIMMTE Formen von Arbeit gut , teilweise extrem gut entlohnt werden.

Noch ein wichtiger Punkt, den Frau Komlosy in Bezug auf die Gegenwart besonders hervorgehoben hat: Die sogenannten „klassischen“ Arbeitsplätze fallen immer mehr weg, dafür gibt es immer mehr Arbeit für sogenannte „Aufsteiger“, die sich durch Flexibilität und besonderen Einsatz hervortun. Gleichermaßen wachsen prekäre Arbeitsplätze wie Schwammerln aus dem Boden. Und es gibt viele Menschen, die in ihrem Heimatland noch weitaus weniger Lohn erhalten, und deswegen ihren Arbeitsmittelpunkt verlagern. Wer in keine dieser vier Gruppen hineinfällt, ist wahrscheinlich „arbeitslos“.

Die beschriebene Sachlage lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Doch eines scheint klar zu sein: Es muss etwas passieren! Es geht darum, den Menschen ihre Würde zurück zu geben, egal, ob sie einer prekären Beschäftigung nachgehen, sonstwie unter fragwürdigen Bedingungen ihre Existenz sichern oder arbeitslos sind.Dies kann nur durch TEILHABE geschehen. Jedenfalls lese ich dies aus dem viele Jahrhunderte Entwicklung von Arbeitsprozessen umspannenden Werk von Andrea Komlosy heraus. Einer TEILHABE, die sich nicht engstirnig an Erwerbsarbeit orientiert und ehrenamtliche Arbeit durch Förderungen honoriert. Und einer TEILHABE, die sich dadurch auszeichnet, dass die verfügbare Erwerbsarbeit sinnvoll aufgeteilt wird (was eine Arbeitszeitverkürzung zur Folge hätte) und die Verantwortlichen endlich erkennen, wie wichtig es ist, der sozialen Arbeit, insbesondere jener für Kinder, Alte, Flüchtlinge, Kranke und gehandikapte Menschen eine höhere Aufmerksamkeit zu geben. Denn nirgendwo sonst lässt sich mehr NEUE BEZAHLTE Arbeit bündeln als in der Subsistenzwirtschaft und somit auch in der sozialen Arbeit.

Eines steht felsenfest: Die Rekordarbeitslosigkeit hat System, weil sie durch das System entstanden ist. IN DEN ENGEN GRENZEN des Systems kann nur durch den bekannten – oftmals künstlich geschaffenen – Wirtschaftswachstum entgegen gewirkt werden. Das System in Frage zu stellen und zumindest wesentliche Änderungen, wie ich sie kurz skizziert habe, in nicht zu kleinen Schritten anzugehen, könnte endlich jene TEILHABE bewirken, die nicht mehr so viele Menschen im Regen stehen lässt.

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