Die goldene Kamera und der Mensch-ismus. (Ethik und Frieden)

Ein kurzer Kommentar zu:

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/verrohung-unserer-gesellschaft-bewegende-rede-einer-goldenen-kamera-journalistin-hamburg-15923

Auch aus der Rede ist folgender Satz:

„Aber wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt nochmal ein Rassist. Fertig. Und das müssen Sie auch ertragen können.“

Und das ist meiner Ansicht nach eine sehr sehr gefaehrliche Aussage.

Vor Jahren gab es mal im Phoenix einen Beitrag wo jemand aus einem Fenster sieht, dass eine Frau von einem Mann zu Boden geworfen wird.

Der Zuschauer ist empoert ueber den "Uebergriff".

Doch dann sieht man die Szene aus anderer Sichtweise und sieht, dass der Mann die Frau in Wirklichkeit vor einem heruntergefallenen Blumentopf gerettet hat. Dahinter stand dann soetwas wie der Text: "Auf die Perspektive kommt es an."

Nicht nur, dass Dinge Perspektive brauchen, auch die Unschuldsvermutung gilt fuer Sprache. So kann eine Auesserung auch ganz anders gemeint sein.

Relativ unstrittig wuerde der Satz: "Alle X sind duemmer als Y.", wobei X und Y Rassen sind vermutlich rassistisch sein.

Allerdings wenn jemand sagt:

"Statistisch gesehen schaffen X schlechtere Abschluesse als Y, deshalb muessen wir X besonders foerdern."

waere eigentlich so vom Gefuehl eher nicht rassistisch.

(Und viele wuerden sogar sagen es ist eine reine Tatsachenbetrachtung, dem ich auch zustimmen wuerde.)

Doch nimmt jemand das aus dem Kontext:

"[...] schaffen X schlechtere Abschluesse als Y, [...]"

so koennte man es bereits wieder rassistisch werten. Das ganze ist also schon auf rein sprachlicher Ebene nicht so einfach.

Das grosse Problem was hier auftritt ist, dass Menschen und Aussagen gleichgestellt werden. Und da sind wir beim beruehmten ersten Steinwurf:

"Wer noch nie was rassistisches gesagt hat, werfe den ersten Stein."

Nur weil jemand eine vermeintlich rassistische Aussage trifft, ist er noch lange kein Rassist, er koennte z.B. auch einfach etwas (dummes) nachplappern. Allerdings wird ein Rassist - einer der davon ueberzeugt ist, dass seine Rasse aufgrund der Abstammung, besser ist als andere - sicherlich haeufiger rassistische Aussagen treffen.

So koennte man aufgrund des Anfangsbeispiels in gleicher Fasson sagen:

„Aber wenn Sie sich luegend äußern, dann sind Sie verdammt nochmal ein Luegner. Fertig. Und das müssen Sie auch ertragen können.“

Damit aber fuehrt sich das ganze Spiel ad absurdum, denn genau das soll ja die Aussage sein, dass es eben keine Luegenpresse ist.

Doch wenn der Anfangssatz stimmen sollte, dann waere genau das der Fall. Es sei denn die Presse in ihrer Gesamtheit haette noch niemals irgendwo etwas (voersaetzlich) falsch berichtet, was natuerlich auch sein kann.

Deshalb denke ich, dass es besser waere Aussagen und Personen, die diese Aussagen treffen, erst einmal zu trennen. Dann gibt es hoffentlich weniger Schubladendenken und weniger (Vor-)verurteilung. ("Weil jemand als X-Anhaenger ja nicht im Recht sein kann, muss ich mir den Quatsch erst gar nicht anschauen.";)

Doch wenn ich Aussagen von jemanden nur deshalb bereits ablehne weil er X oder Y angehoert oder weil er auf Facebook die Linken / die Rechten / die Violetten geliked hat oder weil mir sein Schreibstil nicht passt, ist das dann so anders als wenn ich jemanden aufgrund seiner Hautfarbe / Geschlecht / Haarschnitt / Brille usw. ablehne?

Und da es dafuer noch kein Wort gibt, behaupte ich jetzt einfach:

"Das ist Mensch-ismus."

Und ich glaube, dass dieser "Mensch-ismus" eines der groessten Probleme unserer heutigen aufgeklaerten Gesellschaft ist. Es ist sicherlich wichtig, dass bei einem Gerichtsprozess das "Motiv" in Augenschein genommen wird und damit auch der Hintergrund des jeweiligen Menschen.

Doch will ich selbst wirklich andauernd Richter spielen?

Will ich wirklich meinen Zeigefinger staendig auf andere richten und sagen: "Du hast am 08.02.2016 um 18:02 den Muell nicht heruntergebracht. Ich habe es genau gesehen! Du bist ab jetzt ein schlechter Mensch! Du wirst ab jetzt die Plakette 'Muell-Nicht-Herausbringer' tragen. Fuer immer und ewig. Deine Arbeitgeber werden es wissen, deine Freunde werden es wissen, jeder!"

Dazu steht im Gegensatz:

"Richtet nicht und ihr werdet nicht gerichtet werden."

Ich sage nicht, dass ich es schaffe (vor)-urteilsfrei zu leben oder nicht zu richten, doch ich versuche es unterschiedliche Standpunkte anzuschauen und Dinge unabhaengig davon zu lesen wer sie geschrieben hat.

Denn geschrieben hat sie in den meisten Faellen nicht ein X-Anhaenger, ein violetter, sondern nur einer:

Ein Mensch. (oder auch mehrere)

Vielen Dank fuers Lesen!

Hans

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