Ich bin Salzburger. Auch, wenn ich meine Familie in Salzburg oft damit nerve, dass ich jetzt „quasi gebürtiger“ Wiener bin, bin ich Salzburger. Umziehen und einen anderen Lebensmittelpunkt zu haben verändert dich, aber die Heimat ändert sich nicht.

Passender Spruch, weil sich in Salzburg sowieso nie was ändert. Die Öffis werden immer noch alle paar Monate verteuert – logisch, denn wenn keiner die Tickets kauft, dann müssen sie eben noch teurer werden. Ich kann mich an Einzelfahrten um € 1,20 erinnern – heute kosten sie € 2,50 trotz den Grünen in der Landesregierung. Generell sind die Öffis unpünktlich, wenn sie überhaupt kommen, und man muss mit Verspätungen rechnen aufgrund der zahlreichen Baustellen und Staus, die zum Stadtbild dazugehören wie die Donau zu Wien.

Auch sonst ändert sich nicht viel. Am Rudolfskai sind immer noch Proleten und kreischende Mädchen unterwegs, die die ganze Welt wissen lassen müssen, dass ihre Beziehung gerade kriselt. Die Lokale sind verraucht und vollgestopft, die Getränke überteuert. Kulinarisch ist Salzburg irgendwo zwischen Geheimtipps in Gasthöfen und billigem Junk Food, das sich als Restaurant ausgibt.

Es gibt einfach viel, was mich an Salzburg stört. Auch die Gesellschaft. Kaum schnuppert man die Luft der Heimat am neuen Hauptbahnhof, schon fällt einem wieder ein, dass Salzburg eine Raucherstadt ist und dass man eh keine Luft kriegt, bis man in den Öffis sitzt – sofern sie kommen. Was aber eh nicht wichtig ist, weil eh alle ein Auto brauchen, wegen den schlechten Öffis.

Zusätzlich dazu kommt das Problem mit den Bettlerbanden und dem Hass gegen die „echten“ Bettler, die Bandenkriege zwischen Tschetschenen und Afghanen und – vielleicht irgendwie auch daraus resultierend – das salonfähige Nazitum in Salzburg. Im richtigen Lokal kann der Barkeeper beim Fortgehen die rechte Hand zum Gruß heben. Das ist jedem scheißegal. Auch ansonsten kenne ich Salzburger, die sich offen als rechtsradikal bezeichnen und das so sagen, als wären sie gerade bei Rot über die Ampel gegangen.

Die Salzburger Politik ist nicht weniger deprimierend. Es gilt allen Ernstes als fortschrittlich, dass die ÖVP die Wahl gewonnen hat. Eine konservative Partei ist ein Fortschritt. Das sagt schon einiges aus über das Land.

Momentan wird darüber diskutiert, ob man den Europark erweitern darf oder nicht. Das ist ein Einkaufszentrum, eines der schönsten in Europa, wenn man irgendeinem Architekturmagazin glauben darf. Das wurde von der fortschrittlichen Landesregierung verboten, weil Maßnahmen wie diese das „Landsterben“ fördern würden.

In meinem Zivildienst war ich am Land. Ich hasse den Typen, der mich aus purer Antipathie dorthin geschickt hat, noch immer, und hoffe, ihm das noch einmal ins Gesicht sagen zu können. Was ich dort gesehen habe, waren Dörfer, die ausgestorben waren. Die Jungen ziehen weg, die Kindergärten sperren zu. Das Einzige, was dort existiert, sind ein Nahversorger, ein Altersheim und ein paar kleine Häuser, bei denen die Rettung wie ein guter Freund regelmäßig vorbeischaut.

Es ist deprimierend. Die alten Menschen im Rettungswagen haben mir viel darüber erzählt. Früher gab’s hier eine Schule, jetzt gehen alle nach [hier weniger kleines Dorf einfügen, das aber mittlerweile dieselben Probleme hat]. Die Nahversorger können sich nicht erhalten, die meisten überleben wirtschaftlich nicht. Was wirtschaftlich überlebt, sind Ärzte. Das überalterte Land braucht sie dringend.

Inwiefern ein Erweiterungsverbot für den Europark das alles stoppen soll, ist mir schleierhaft. Eher hätte das neue Arbeitsplätze geschaffen. Und sowieso hapert’s in Salzburg hinten und vorne an allem. Man kann sich keine humanen Preise für öffentlichen Verkehr leisten, diskutiert aber über eine U-Bahn. Man kann die Menschen nicht davon überzeugen, dass auch am Land das Leben schön sein kann, aber sperrt ein Einkaufszentrum.

Salzburg ist verkorkst, von vorne bis hinten. Es bleibt zu hoffen, dass sich das alles irgendwann ändern wird. Bis dahin bin aber eigentlich ganz froh, dass ich weg bin.

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Bernhard Juranek

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Silvia Jelincic

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