"Wir sind der Stachel im Arsch der Analogparteien" - Interview mit Wien Anders-Spitzenkandidatin Okropiridse

Juliana Okropiridse ist die Spitzenkandidatin der Wahlplattform „Wien Anders“. Das Besondere an ihr – sie ist erst 22 Jahre alt. Das alleine hat mich doch ein bisschen neugierig gemacht. Außerdem halte ich es für wichtig, dass es noch echte Linke gibt in der politischen Landschaft – auch, wenn ich nicht immer mit ihnen einer Meinung bin. Die SPÖ erfüllt diese Rolle meiner Meinung nach viel zu wenig, deshalb dachte ich, es wäre Zeit für eine kurze Aufmerksamkeitslenkung. Achtung: Das soll keine Wahlempfehlung sein, da halte ich mich raus!

Die Wahlplattform „Wien Anders“ setzt sich aus der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), der Piratenpartei (PPÖ), Mitgliedern der Bürgerinitiative „Echt Grün“ und der Plattform der Unabhängigen zusammen. "Der Wandel", eine Partei, die beim Wahlbündnis "Europa Anders" noch dabei war, fehlt in der Wiener Wahlplattform - laut Angaben von "Wien Anders" liegt das an der eher bundes- und europapolitischen Linie der Kleinpartei.

Juliana hat sich Zeit genommen, mir einige Fragen zu beantworten:

Was spricht für eine Studentin als Spitzenkandidatin eines Wahlbündnisses?

Zuerst einmal: Ich bin seit März 22 und ich studiere gerade nicht. Ich habe ursprünglich technische Physik an der TU Wien studiert, gerade geht sich das aber neben politischem Engagement, ehrenamtlichen Tätigkeiten und drei Jobs nicht aus. Abgesehen von der Tatsache, dass für junge nicht-männliche Menschen als Spitzenkandidat*innen generell sehr, sehr viel spricht, weil es sowieso schon viel zu viele alte Männer in der Politik gibt. Für mich spricht, dass ich dieses geniale Bündnis authentisch vertreten kann - weil ich in Wien gut vernetzt bin, offen für Neues und unendlich motiviert, was zu ändern.

Euer Wahlbündnis besteht unter anderem aus der ältesten kommunistischen Partei Europas, der KPÖ, und einer sehr progressiven Partei, den Piraten. Solltest du in den Wiener Landtag einziehen, würdest du all diese Interessen unter einen Hut bringen müssen. Wo ist da die gemeinsame Schnittmenge, wie gelingt dieser Spagat?

Da es ja eine 5 %-Hürde gibt, werde ich auf keinen Fall alleine einziehen. Ich denke, dass die Piraten und die KPÖ schon im Europawahlkampf bewiesen haben, dass sie gut zusammenarbeiten können. Auch jetzt für den Wien-Wahlkampf funktioniert die Zusammenarbeit reibungslos. Wir sind ein super Team, nicht zuletzt auch durch die Unterstützung der anderen Teile unseres Bündnisses. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns durch die sehr unterschiedliche Bestehensdauer so gut ergänzen.

Unsere Schnittmenge ist ziemlich groß. Darum haben wir uns ja auch wieder für eine Zusammenarbeit zur Wahl entschieden. Die Piraten haben sehr viel Erfahrung mit verschiedenen Meinungs- und Interessensfindungsmethoden online gemacht. Wir planen, dieses gewonnene Wissen nach dem Einzug anzuwenden und somit möglichst vielen Menschen Einblick und Mitspracherecht in unsere Arbeit im Landtag dann zu ermöglichen.

Aber auch die Themen und die Ansätze an Politik sind ja recht unterschiedlich. Die KPÖ ist quasi ewig im politischen Prozess dabei, die Piraten fordern Liquid Democracy. Ist das so leicht vereinbar, stören sich nicht manche daran?

Gemeinsam fordern wir echte Demokratie und Transparenz. Gemeinsam fordern wir gleiche Rechte und Möglichkeiten für alle Menschen. Viele Forderungen ergänzen sich, wenige widersprechen sich.

Welche widersprechen sich denn zum Beispiel?

Die Genderfrage zum Beispiel oder unsere Ansätze zum Grundeinkommen und Mindestsicherung. Aber das liegt in den meisten Fällen daran, dass die piratischen Forderungen noch nicht ausgeklügelt genug sind oder nicht ausdiskutiert oder die der KPÖ zu lange nichtmehr aufgerollt. Darum ist für beide Seiten dieses Projekt ja auch so spannend. Wir lernen voneinander.

Eure Forderungen sind leistbares Wohnen, ein faires Gesundheitssystem und menschliche Arbeitsbedingungen. Da wird kaum eine andere Partei dagegen sein. Welches gewisse Extra soll die Leute überzeugen, euch zu wählen statt zum Beispiel SPÖ oder Grüne?

So, und jetzt kommen wir wieder ganz zum Anfang zurück: Wir sind keine Berufspolitiker*innen. Wir vertreten unsere gemeinsamen Interessen, weil wir selbst Betroffenen sind. Uns sind unsere Themen wichtig und wir kennen uns aus, weil wir selbst verschiedenen Minderheiten oder vernachlässigten Bevölkerungsgruppen angehören. Wir reden nicht von Gemeindebauten, weil es sich gut anhört. Wir fordern faires Wohnen für alle, weil wir wissen, wie schwer es ist, eine leistbare Wohnung in Wien zu finden. Außerdem haben wir sehr wohl auch Forderungen, die sich von denen der Analogparteien unterscheiden: Wir fordern beispielsweise gratis Öffis und die Legalisierung von Cannabis.

Aber wissen die "Analogparteien" nicht auch über die Missstände in der Bevölkerung Bescheid?

Naja, siehe Häupl. Wenn man seit dem 15. Lebensjahr in politischen Vorfeldorganisationen organisiert ist und sozusagen von der Partei zu "würdigen" Berufspolitiker "herangezüchtet" wurde, dann ist man* vermutlich nichtmehr besonders gut am Boden der Realitäten verwurzelt.

Berufspolitiker würden jetzt kontern, dass sie wenigstens ihr Handwerk verstehen ...

Interviews führen und zu Sektempfängen gehen, rhetorisch ansprechend sein und in der Früh zum richtigen Anzug greifen? Klar können die das. Aber darauf sollte es nicht ankommen.

Naja, wir reden ja nicht nur davon. Politiker sind auch an der Gestaltung oder zumindest Verwaltung ihres Zuständigkeitsbereichs beteiligt. Da hat die SPÖ in Wien ja durchaus Erfahrung.

Ja, klar. Wir streben ja auch nicht die Alleinregierung an. Wenn wir einziehen, wird es ja trotzdem noch die anderen geben und wir haben ja auch nie gesagt, dass die alle durch die Bank nichts draufhaben. Frischer linker Wind ist aber dringend nötig, damit die sich endlich mal z‘ammreißen.

In einem Beitrag zum 1. Mai hat Wien Anders in Person von Didi Zach einen Beitrag geschrieben, in dem unter anderem gefordert wird, die Mindestsicherung 14-mal im Jahr auszuzahlen. Wien könne das sofort umsetzen, ohne sich mit der Bundesregierung absprechen zu müssen. Stehen generell höhere Sozialleistungen auf Ihrer Agenda und haben Sie einen Plan, wie das gegenfinanziert werden soll?

Ja, die stehen auf unserer Agenda. Auf sehr hoher Stelle. Unser Ziel ist ein BGE für alle. Also ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es gibt verschiedene denkbare Modelle, die das möglich machen würden.

Zum Beispiel?

14-monatliche Mindestsicherung wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wenn du nur einen Satz hättest, wie würdest du Leuten erklären, wieso sie Wien Anders wählen sollten?

Wien Anders ist ein geniales Projekt und ein sehr vielseitiges Bündnis, wir stehen authentisch für unsere Forderungen und setzen uns für ein Wien für alle ein - wir sind der dringend nötige linke Stachel im Arsch der Analogparteien!

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