Rot-Blau also. Der Tag danach. Die österreichische societa politica fühlt sich verkatert. Dass eine sozialdemokratische Partei mit einer freiheitlichen zusammen Politik machen könnte, hätte sich vor einem Jahr noch keiner wetten getraut. Auch, wenn es Anzeichen gab. Schon bei der Nationalratswahl 2013 stellte die „Presse“ fest, dass es mehrere Berührungspunkte zwischen SPÖ und FPÖ gibt – und dass auch im Bund Rot-Blau nicht ausgeschlossen wäre.

1. Es ist realpolitisch gesehen nicht überraschend, dass die SPÖ Burgenland mit der FPÖ koaliert. Wie schon die NZZ Österreich festgestellt hat, kommt da lediglich zusammen, was zusammengehört. Fun Fact: 2012 hat die FPÖ die Sozialdemokraten zu mehr Menschlichkeit in Sachen Asylpolitik aufgefordert. Konkret ging es damals um fünf Kinder in einem Flüchtlingslager, die unbeaufsichtigt waren. Da waren die Freiheitlichen mit den Grünen auf einer Linie – SPÖ und ÖVP haben das Problem nicht gelöst. Wie auch im Bund.

2. Die Argumentation von Hans Niessl ist aber durchaus bestechend. Die stimmenstärkste Partei hat einen Auftrag vom Wähler, und die mit dem höchsten Stimmenzuwachs auch. Die FPÖ hat immerhin sechs Prozent dazugewonnen und kommt somit auf 15 Prozent. So wie Niessl das formuliert, gibt’s eine starke Mehrheit oder sowas. Da darf man allerdings nicht vergessen, dass dieses Argument auch schon 2010 gegolten hätte, als die FPÖ dazugewann, SPÖ und ÖVP verloren. Und außerdem bleibt anzumerken, dass die zweitgrößte Partei – also auch die potentiell zweitstärkste Mehrheit – außen vor gelassen wurde. Die ÖVP hat nämlich 29,1 % - fast doppelt so viel wie die FPÖ – erreichen können. Eine Regierung mit 70 %-Mehrheit hätte sich auch sehen lassen können.

3. Taktisch war diese Koalition äußerst unklug für die SPÖ. Die Abgrenzung als Großpartei von den Freiheitlichen war nahezu ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber der ÖVP, die immer noch einen PR-Schaden von Schwarz-Blau mit sich trägt. Michael Häupl fährt in Wien einen harten Anti-Strache-Wahlkampf – und es wird spannend, zuzusehen, ob die SPÖ dafür noch genug Glaubwürdigkeit besitzt. Dass die SPÖ (im Bund) schon länger keine sozialdemokratische Politik mehr macht, ist klar. Aber dass sie nun auch mit dem Abgrenzen zum rechten Rand das letzte Wahlmotiv (außer „Hab ich schon immer gewählt“ bei den Senior*innen) streicht, wird sich definitiv rächen.

4. Möglicherweise war das aber landespolitische Taktik. FPÖ-Chef Tschürtz soll angeblich Landesrat für Sicherheit werden. Wenn das stimmt, könnte sich die FPÖ beweisen und – ich trau’s mich kaum anzudrohen – zeigen, wie freiheitliche Sicherheitspolitik aussieht. Oder Niessl weiß, dass es in diesem Ressort keinen Preis zu gewinnen gibt – dann könnte er einen Präzedenzfall schaffen, in dem es die FPÖ verabsäumt, echte Veränderungen zu schaffen. Fun Fact 1 zur FPÖ Burgenland: Ilse Benkö – ja, die mit dem lustigen Wahlkampfsong – wird als Landtagspräsidentin gehandelt. Fun Fact 2: Ja, es gibt eine Hypo Burgenland. Sollen wir schon mal sparen?

Was bleibt, ist eine SPÖ, die am Boden ist. Die mit einer Partei zusammenarbeitet, die mehrere rechtskräftig verurteilte Personen beherbergt und als Auffangbecken für Korruption und Rechtsextremismus dient. Klar, es sind nicht alle so. Klar, man muss die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen. Aber mit einer Partei zusammenarbeiten, die sich immer nur auf die (teilweise bis an die Grenze der Absurdität übersteigerten) Missstände im Asylwesen und die Arbeitslosigkeit bezieht, anstatt selbst konstruktiv an diesen Problemen anzusetzen – das war ein K. O.

Kürzlich habe ich über unseren Kanzler geschrieben, der kaum jemandem als solcher auffällt. Nun ist die Partei an sich dran, sich ebenfalls ins Aus zu schießen. Was ihr gut tun würde – und ich glaube: wird –, wären einige Jahre in der Opposition. Eine sozialdemokratische Partei, die alles Linke aufgibt so lange, bis sie selbst die FPÖ rechts überholen will, hat ihr Ziel verfehlt. Rot-Blau ist nur das Symptom einer lange anhaltenden Entwicklung.

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Andy McQueen

Andy McQueen bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

Luis Stabauer

Luis Stabauer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

6 Kommentare

Mehr von Stefan Schett