Constanze Ehrhardt hat sich in der FAZ auf sechs Seiten mit der vermeintlichen Männerkrise beschäftigt.

Auf Seite 3 fasst es der Berliner Professor für Literaturwissenschaften Andreas Kraß wunderschön zusammen:

„Männlichkeit in der Krise könnte man auch anders nennen, nämlich: Patriarchat in der Krise.« Kraß kräuselt die Stirn, aber er lächelt. „Wenn es heißt, der Mann steckt in der Krise, dann geht es auch um den Wunsch, diese Krise zu beseitigen. Also die Privilegien zurückzuerhalten, die er verloren hat, oder um deren Verlust er zumindest fürchtet.« Dass der Mann nicht mehr selbstverständlich das Familienoberhaupt mit der Lizenz zur Maulfaulheit ist - ist das das Problem? „Das ist historisch gesehen das Neue. Das ist die Krise, wenn man so will.«

Nun gut, Frau Ehrhardt ist Akademikerin und 32 Jahre alt. Da unterstelle ich ihr einfach mal, dass sie noch keine männlichen Kinder hat, mit denen sie persönliche Erfahrungen zum Thema Männerkrise sammeln konnte, sonst würden in ihrem Artikel folgende Tatsachen kaum unter den Tisch fallen:

- Jungen werden 4 mal häufiger mit ADHS diagnostiziert

- Für gleiche Leistung werden Jungen schlechter bewertet.

- Jungen landen eher an der Sonderschulen (63,7%)

- Jungen gehen häufiger mit Hauptschulabschluss und seltener mit Abitur ab.

- Jungen stellen 75 Prozent der Selbstmörder unter 35.

Das alles findet in Frau Ehrhardts Text keine Beachtung. Zugegeben, ohne die persönliche Erfahrung mit meinen eigenen Kindern würde ich dem Klagelied der Männerkrise vermutlich wenig Beachtung schenken.

Mit FeministInnen klar zu kommen habe ich schon in der Schule gelernt und Kinder wickeln konnte ich mit zehn. Und meine Kinder leben fast ihr ganzes Leben unter meinem Dach. Insofern falle ich da aus dem Opferschema.

Aber ich durfte erleben, wie meinem Sohn von seiner Klassenlehrerin in der 5. Klasse ADHS unterstellt wurde, während sein Werklehrer einfach nur diagnostizierte: „Das ist doch einfach nur ein Junge. Dem muss man auch mal Grenzen setzen können.«

Bei einer Genderverteilung von 85,8 Prozent Frauen zu 14,2 Prozent Männern gibt es leider nicht viele solcher Werklehrer an deutschen Grundschulen - da braucht man sich nicht zu wundern, dass Jungen mittlerweile dreimal häufiger mit Psychopharmaka ruhiggestellt werden und am Gymnasium meiner Tochter bis zum Ende der zehnten Klasse Jungen bereits exotischen Charakter haben.

Frau Ehrhardt präsentiert lieber Tony Soprano - den TV-Serien-Mafiaboss mit Burn-out - als Emanzipationsverlierer, der an seiner eigenen Unfähigkeit scheitert, mit einer selbstbewussten Ehefrau klar zu kommen.

Seine Frau will sich halt nicht mehr mit dem alten Rollenklischee der Gattin vom Paten Vito Corleone zufriedengeben. Wie dessen Sohn Michael Corleone im Paten II und III scheitert Tony Soprano daran, dass er in einem sehr patriarchischen Umfeld (der Mafia) eine Frau ausgewählt hat, die gerne eine feminine Plaudertasche als Partner haben möchte.

Ich kenne die Sopranoas personlich nicht, aber ich stelle mir die Diskussionen ähnlich vor wie in Michael Manns Gangsterfilm Heat vor wo der Cop Vincent Hanna mit seiner dritten Frau Justine folgenden Dialog führt:

»Justine Hanna: And I bought into that sharing. Because I love you. I love you fat, bald, money, no money, driving a bus - I don’t care. But you have got to be present like a normal guy, some of the time. That’s sharing. This is not sharing, this is left overs.

Vincent Hanna: Oh, I see, what I should do is, er, come home and say »Hi honey! Guess what? I walked into this house today, where this junkie asshole just fried his baby in a microwave, because it was crying too loud. So let me share that with you. Come on, let’s share that, and in sharing it, we’ll somehow, er, cathartically dispel all that heinous shit«. Right?«

Es mag für eine Frau eine wunderbar einfache und das weibliche Ego fütternde Erklärung sein: Die Männerkrise als Scheitern des Mannes an der modernen und selbstbewussten Frau.

Die Frau als Fisherman’s Friend: „Ist sie zu stark, bist du zu schwach.«

Warum Frau Soprano allerdings dann nicht einfach in die Welt zieht, selber für das Familieneinkommen sorgt, und ihrem Mann das genderfeindliche Umfeld erspart, das leider wenig hilfreich ist, um abends die Erlebnisse des Tages mit der Partnerin zu teilen, verrät der Text von Frau Ehrhardt leider nicht.

Deshalb ist diese Erklärung auch etwas oberflächlich und kurz gedacht.

Erstens entspringt es vermutlich immer noch einer Kleinmädchenfantasie, dass Männer, die über ihre Gefühle reden können, wirklich attraktiver für Frauen sind. Männliche Gefühle sind unglücklicherweise nicht immer das, was sich Frauen darunter vorstellen.

Zweitens könnte man mit der Oberflächlichkeit eines Herrn Kraß auch das Ende von Genderkrise und Feminismus ausrufen. Genderstudien könnten endlich als Restmüllprodukt auf den Abfallhaufen der akademischen Geschichte entsorgt werden.

Warum Jammern heutzutage noch so viele Feministinnen und andere Frauen über die Benachteiligung ihres Geschlechts, wo doch das letzte Gesetz, welches ihnen die Selbstverwirklichung erschwert hat 1977 geändert wurde? Das war der § 1356 BGB. Nach dem hing das Recht der Frau arbeiten zu gehen, von ihrer Fähigkeit ab, den Haushalt und Kinder nebenbei geregelt zu bekommen.

Das Schuldprinzip bei der Scheidung wurde bereits 1976 abgeschafft. Seitdem können sie in ein fremdes bett springen, sich trennen, die Kinder mitnehmen und Unterhalt kassieren.

Die Kontrolle der Familienplanung macht ihnen seit Einführung der Pille und der letzten Änderungen des §218 niemand mehr streitig.

Wo gibt es hier noch eine Gleichberechtigungskrise, wenn Frauen seit Jahrzehnten die Möglichkeit haben in freier Entscheidung ihr Leben zu gestalten?

Frauen machen mittlerweile häufiger Abitur, trotzdem schaffen sie es nicht, ebenso viel Geld zu verdienen wie Männer und seltener von Altersarmut bedroht zu sein?! Sie studieren häufiger fühlen sich noch immer vom krisengeschüttelten Patriarchat unterdrückt? Da stimmt doch was nicht!

Mit der Logik von Herrn Kraß bin ich geneigt zu sagen:

Das Problem dieser Frauen ist, dass sie sich nach der finanziellen Verantwortungslosigkeit zurücksehnen, welche sie im klassischen Patriarchat leben konnten.

Frauen die sich heute noch unterdrückt fühlen, wo es keinerlei Gesetze gibt, die ihnen die Gleichberechtigung erschweren (und im Gegenteil viele, die sie ihnen erleichtern), sehnen sich einfach nach einer Zeit zurück, wo es nicht in ihrer Verantwortung lag, aus ihren, mittlerweile schon lange ebenbürtigen Schulabschlüssen und Ausbildungsmöglichkeiten adäquat bezahlte Anstellungsverhältnisse zu generieren.

Sie sehnen sich nach einer Zeit zurück, in der sie sich nicht mit lästigen Fragen beschäftigen mussten, wie: »Kann ich mit meinem Abschluss in Kunstgeschichte überhaupt genug Geld verdienen, um nicht von Altersarmut bedroht zu sein?« Oder andersrum: »Ist es für ein anständiges Einkommen inklusive Altersvorsorge vielleicht doch erforderlich, entgegen meiner persönlichen Neigung mal über einen Abschluss in einem MINT-Studiengang nachzudenken?« Weil damals letztlich jemand anderes die Verantwortung dafür trug, dass sie nicht verhungerten oder von Altersarmut bedroht waren, egal was für eine Ausbildung sie machten - der Ehemann!

Wenn der Gender Pay Gap zu 64 Prozent aus der unökonomischen Berufswahl und zu 27 Prozent aus den mangelhaften (weil nicht paritätischen) Familienentscheidungen und nur zu 9 Prozent (2 Prozent des gesamten Einkommensunterschieds) aus unerklärbaren Gründen resultiert, die sich aber vermutlich eher mit schlechterem Verhandlungsgeschick als mit sexueller Diskriminierung erklären lassen, dann ist die Vermutung nicht ganz abwegig, dass die von Feministinnen heutzutage herbeigeredeten Probleme eigentlich eher die Sehnsucht der modernen Frauen ausdrücken, in der eigenen Verantwortungslosigkeit des Patriarchats glücklich zu werden.

Immerhin müssen sie Mikro-Aggressionen als Grund heranziehen, um überhaupt noch einen Grund zu finden, weshalb sie in der westlichen Welt unterdrückt werden.

Ähnlich wie Tony Soprano, wollen diese Frauen es zwar anders machen als frühere Generationen, wirklich den Schritt in die alleinige Verantwortung für ihre beruflichen und familiären Entscheidungen wollen sie aber ganz und gar nicht.

Warum müssen wir uns sonst, knapp vierzig Jahre nach dem Fall des letzten diskriminierenden Gesetzes immer noch das Klagelied anhören, dass Frauen unterdrückt werden? Wegen des Ampelmännchens?

Natürlich wäre es unerträglich für die feministische Selbstwahrnehmung, eine Sehnsucht nach der weiblichen Verantwortungslosigkeit im Patriarchat zuzugeben.

Deshalb suchen diese Frauen auch eine Alternative zum fürsorglichen Ehemann, der früher die Kosten für suboptimale Lebensentscheidungen trug, um auch heute nicht selber die Verantwortung tragen zu müssen.

Die »Mütterinitiative - Mamas wehren sich« hat es mit ihrer Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für Mütter wunderbar deutlich gemacht: Was früher der Ehemann gemacht hat, soll heute der Gesetzgeber übernehmen, damit sich die Mutter mit »ihrem« Wunschkind bloß nicht mit einem gleichberechtigten Vater abgeben muss.

Der Gesetzgeber möge doch gefälligst dafür sorgen, dass eine Mutter auch ohne Vater genug Geld für sich und ihre Kinder zur Verfügung hat.

Ebenso wollen diese Frauen keine Verantwortung dafür tragen müssen, wenn die von ihr gewählte Ausbildung in der Regel weniger Arbeitgeber zu Begeisterungsstürmen hinreißt und sie deshalb in der Regel für einen Abschluss in französischer Lyrik des 18. Jahrhundert nicht das gleiche Gehalt zahlen wollen wie für einen Abschluss in Ingenieurwissenschaften.

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Während früher ihre Männer dafür gesorgt haben, dass sie unabhängig von ihrer Ausbildungswahl nicht verhungern müssen und einen angenehmen Lebensstil pflegen konnten, soll heute der Gesetzgeber dafür sorgen, dass sie unabhängig von Ausbildung, Berufserfahrung und längerer Auszeit beim Nachwuchs ein ebenso angenehmes Leben führen können, wie zu Zeiten der Kernfamilie, wo Don Corleone allein für das Familieneinkommen gesorgt hat, während seine Gemahlin sich um den inneren Zusammenhalt der Familie gekümmert hat.

Nicht wie Tony Soprano, der sich mit seiner Frau über die emotionale Öffnung streiten muss. Auch darf geflissentlich ignoriert werden, dass Männer 31 Prozent mehr arbeiten (9,3 Stunden mehr als die durchschnittlich 30,3 h/Woche arbeitenden Frauen).

Natürlich soll auch der Gesetzgeber dafür sorgen, dass Frauen trotz der oben genannten (von Frauen selbst entschiedenen) Gründe gleiche Chancen auf einen Posten im Aufsichtsrat haben.

So wie Herr Piech seinem ehemaligen Kindermädchen einen kuscheligen Entscheiderposten besorgt hat, soll heute der Staat dafür sorgen, dass diese Frauen unabhängig von Familienplanung und Berufswahl in den Aufsichtsräten und Vorständen vertreten werden (egal ob Studien zu dem Ergebnis kommen, dass sich Frauen in Aufsichtsräten keinen Deut sozialer und weniger egomanisch verhalten) und egal ob sich die Mehrzahl der Frauen in diesen Positionen gegen eine Quote aussprechen.

Offenbar haben die Frauen, die heute Genderstudien und Feminismus noch für notwendig halten, genau das gleiche Problem, dass Frau Ehrhardt und Herr Krass den Männern unterstellen.

Anscheinend haben beide Geschlechter das Problem, dass sie vom Gesetzgeber erwarten, er möge ihre Anpassungsprobleme an eine Gleichberechtigung bei gleicher Verantwortung kompensieren.

Vielleicht, liebe Frau Ehrhardt, können wir uns auf eines einigen: Wir erklären gemeinsam Männerkrise wie Frauenkrise für beendet und hören auf, irgendwelche Diskriminierungslegenden aufgrund von Mikro-Aggressionen oder gesellschaftlicher Erwartungshaltungen herbei zu fantasieren.

Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, jene Gesetze anzupassen, die heute noch ein antiquiertes Rollenmodell zementieren.

Dann können wir hoffentlich mal wieder anfangen, in friedlicher Eintracht der Geschlechter zu leben. In Gleichberechtigung und in gleicher Verantwortung und Ich verspreche ihnen, dass ich dann auch mal offen über meine Gefühle, Sorgen und Ängste rede, ohne meine Therapeutin dumm anzumachen.

Bei den Männern hätte ich gern folgende Gesetze gleichberechtigungsoptimiert, um Rollenklischees nicht zu zementieren:

- Gleiches Sorgerecht für unverheiratete Männer

- Gleichberechtigtes Umgangsrecht nach der Trennung

- Ein Unterhaltsrecht, dass die Betreuungszeit berücksichtigt

- Gleichberechtigter Elternzeitanspruch für nicht zusammenlebende Paare

- Das Recht von Männern, sich gegen Elternverantwortung entscheiden zu können

- Gleiches Recht auf unverstümmelte Geschlechtsteile bei Jungen.

- Gleichberechtigte Wehrpflicht. Ich weiß, sie ist momentan ausgesetzt - jedoch nicht abgeschafft. Falls die Ukrainekrise doch noch eskaliert, werden sonst sicherlich wieder ausschließlich Männer zwangsverpflichtet, um sich totschießen zu lassen.

Ich bin gespannt auf ihre Liste, liebe Frau Ehrhardt.

Viele Grüße

Lutz Bierend

P. S.:

In diesem Text steckt natürlich Ironie.

Natürlich weiß ich, dass es schwer ist gegen jahrzehntelange Rollenklischees anzugehen.

Was mich nur nervt, ist dass bei Frauen so getan wird, dass es es ja auch nach vierzig Jahren Feminismus immer noch so unglaublich schwer ist, seine Rolle jenseits vom Patriarchat zu finden, während von Männern erwartet wird, dass sie mal eben ein neues Rollenverständnis aus dem Ärmel schütteln.

Als ob ein souveräner Umgang mit geänderten Rahmenbedingungen für die ja ein Klacks wäre.

Es ist schön, liebe FemnistInnen, wenn ihr Männer in diesem Punkt für kompetenter als Frauen haltet, aber gerade aufgrund der Tatsache, dass Männer immer noch im Familienrecht diskriminiert werden ist das leider nicht ganz so einfach.

Und wie sich das an fühlt, wenn euch einfach unterstellt wird, dass es ja nur an eurer Inkompetenz liegt, wenn das nicht ohne Reibungsverluste und Frustration klappt, hat der Text, ja vielleicht deutlich gemacht.

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Aranxo

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