Auch wenn es uns schon seit im August die ersten Lebkuchen in den Supermarktketten angeboten wurden, weiß gemacht wird, Weihnachten ist nicht nur das Fest der Liebe und Harmonie. Im Gegenteil, in vielen Familien explodiert gerade um die Weihnachtszeit der emotionale Dampfkessel und viele Paare fassen den Entschluss sich zu trennen. (Unter uns, meine Hochmonate in der Scheidungsmediation sind Jänner und September – nach Weihnachten und nach dem Sommerurlaub steigt die Scheidungsrate massiv.)

Ich möchte diesen und den morgigen Blog aus diesem Grund den Kindern widmen.

Fast alle Eltern machen denselben Fehler – sie möchten ihr Kind so lange es geht „beschützen“. Aus diesem Grund werden alle Themen unausgesprochen gelassen, die den Eltern unangenehm sind bzw. wobei sie das Gefühl haben, Ihr Kind traurig zu machen, die Trennung/Scheidung ist eines davon.

Eltern vermeiden es über beängstigende Erfahrungen zu sprechen, weil sie denken, dass sie damit den Schmerz des Kindes noch verstärken und die Situation verschlimmern. Genau das Gegenteil ist der Fall! Das Erzählen der eigenen Geschichte ist das, was Kinder brauchen, um in einen Zustand zu kommen, in dem sie sich in Bezug auf das Ereignis, besser fühlen.

Ich möchte Ihnen einen kleinen Eindruck geben, wie das kindliche Gehirn arbeitet und warum ich Eltern empfehle mit ihren Kindern gemeinsam „die Geschichte ihrer Trennung/Scheidung“ zu erzählen:

Unsere linke Gehirnhälfte liebt Logik, Lineares (Tabellen, Listen, Struktur), Linguistisches (Wörter). Unsere rechte Gehirnhälfte ist emotional, nonverbal, erfahrungsbezogen, autobiografisch. Sie sendet und empfängt Signale, die uns bei der Kommunikation helfen, wie Stimmlage, Haltung, Gesten, Gesichtsaus¬druck, Augenkontakt. Sie kümmert sich um das Gesamtbild, das sich zusammensetzt aus Bildern, Emotionen, Erinnerungen. Von dort kommt unser „Bauchgefühl“, unsere „Intuition“. Hier werden emotionale Informationen empfangen und interpretiert.

In den ersten drei Jahren sind Kinder vor allem von der rechten Gehirnhälfte beeinflusst. Zeit und Verantwortlichkeiten existieren für sie nicht. Wenn sie dann ständig „warum?“ fragen, wissen wir, dass die linke Gehirnhälfte aktiv wird. Kinder sind manchmal sehr gut im Denken mit der linken Gehirnhälfte: „Ich habe sie nicht geschubst! Ich habe sie nur geschoben!“ Und manchmal dominiert die rechte: „Ich sterbe, wenn ich kein Eis bekomme!“

Für ein kreatives, ausgeglichenes und sinnerfülltes Leben benötigen wir das Zusammenspiel beider Gehirnhälften. Mit den spezifischen Funktionen beider Gehirnhälften können wir komplexe Aufgaben erfüllen und herausfordernde Ziele erreichen.

Die rechte Gehirnhälfte verarbeitet unsere Emotionen und autobiografischen Erinnerungen, die linke Seite jedoch gibt diesen Gefühlen und Erinnerungen erst einen Sinn. Daher tritt Heilung nach belastenden Erlebnissen erst dann ein, wenn beide Gehirnhälften zusammenarbeiten.

Wenn Kinder ihre eigenen Geschichten (mit)teilen, können sie auf gesunde Weise auf Erlebnisse reagieren – egal ob es ein blauer Fleck oder der Verlust eines geliebten Menschen ist.

Wenn Kinder starke Emotionen erleben, brauchen sie jemanden, der ihnen hilft, ihre linke Gehirnhälfte einzusetzen, um zu verstehen, was passiert, um die Dinge zu ordnen und benennen zu können. Erst dann können sie sie gut be- und verarbeiten.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass schon durch das Benennen unserer Gefühle die Aktivität der emotionalen Kreisläufe in der rechten Gehirnhälfte beruhigt wird. Aus diesem Grund ist es für Kinder jeden Alters wichtig, ihre Geschichte zu erzählen. Es hilft ihnen, ihre Emotionen und die Ereignisse in ihrem Leben einzuordnen und zu verstehen.

Zusammen eine Geschichte zu erzählen, hilft, neue, positive Aspekte zu finden, zu entdecken, woher Unterstützung in der Situation kommt, was Positives dabei zutage kommt. Kinder bekommen so ein kraftvolles Mittel in die Hand, um mit unangenehmen Erlebnissen umzugehen. Wenn ich Gefühle und Erlebnisse benennen kann, kann ich damit umgehen. Die Geschichte hilft auch, die Aufmerksamkeit des Kindes zu bündeln. Kinder sind dann sehr eifrig dabei zu erzählen. Die Aufgabe der Eltern ist es dabei, die Kinder erzählen zu lassen („Was ist dann geschehen?“, „Wie war das für dich?“, „Hast du dich gefürchtet?“ „Hat dir etwas Sorgen gemacht?“…) und nur bei Bedarf Tatsachen in die richtige Reihenfolge zu bringen. Geschichten helfen uns dadurch weiterzugehen und die Augenblicke zu meistern, wo wir das Gefühl haben, die Kontrolle verloren zu haben.

Da Kinder sehr sensibel sind und geringste Veränderungen im Verhalten der Eltern wahrnehmen (zB dass einer den Raum verlässt, wenn der andere hereinkommt, dass sich die Eltern nicht mehr mit einem Kuss begrüßen, dass Gespräche verstummen, wenn die Kinder in den Raum kommen…), machen sie sich schon Sorgen bevor ihre Eltern Klarheit haben. Und diese Sorgen und die damit verbundenen Ängste sind oft schlimmer als die Realität. Kinder wagen es meist nicht, in dieser spürbar angespannten Situation Fragen zu stellen und wenn sie es tun, hören sie meist „es ist alles in Ordnung“…und bekommen so die Botschaft „mit deinem Gefühl ist etwas nicht in Ordnung“.

Hilfreicher ist es ehrlich zu sein und zB zu sagen „ja, du hast das gut beobachtet, wir verstehen uns im Moment nicht sehr gut und wir überlegen alle Möglichkeiten, die wir haben, mit der Situation umzugehen….wir versprechen dir, wenn sich etwas ändert, werden wir mit dir darüber sprechen.“

Viele Anregungen wie Sie Ihrem Kind helfen können mit allen Emotionen umzugehen, wie Wut, Verleugnung, Trauer, finden Sie in meinem Buch „Scheidungskindern helfen.“ oder in unserer DVD „Glücklich trotz Trennung“. http://www.susannestrobach.at/Navi_Links/Buchautorin/buchautorin.html

Ich wünschen Ihnen Mut zur Klarheit & eine fruchtbare Geschichte Ihrer Trennung!

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

2 Kommentare

Mehr von Susanne Strobach