Der zehnjährige Jonas hat die Erfahrungen seiner (fast) vaterlosen Kindheit in Tagebuchform veröffentlicht. Meine Julia spielt in dem (derzeit auf der Oscar-Shortlist stehenden) Film von Haneke Schüler Patrick Vollrath „Alles wird gut“ ein Scheidungskind, und kennt, obwohl nicht selbst direkt betroffen, genug von der Thematik, um glaubhaft zu wirken. Das Leid der zerrissenen Kinder, das in „Kramer gegen Kramer“ noch zu Tränen rührte, ist heute längst Stoff von Komödien. Es tut gut, über Schweres und Ungelöstes auch mal herzhaft lachen zu können. Doch wenn die Kinder selbst sprechen, rückt die Ernsthaftigkeit des kindlichen Dramas wieder an ihren Platz.

„Ihr Sohn öffnet sein Herz der Öffentlichkeit. Haben Sie nicht Angst, dass er überfordert sein könnte?“ eröffnet Katrin Kuba das Interview in der Zeitschrift Woman. Die Frage ist mir vertraut. Der Stress von Julia in der Endszene des Films ist echt, die Sorge verständlich und berechtigt. Und doch: Die Dreharbeit war in Wahrheit weniger Belastung. als ein echter  Streit zwischen meinem Liebsten und mir. Ein ganz normaler Diskurs im Auto - Zeitdruck, Wegsuche, knappe Worte, angespannter Ton. Hätten wir eine Lifeübertragung der Gehirnscannerbilder unseres Mädels vor uns, mit vermutlich geflutetem limbischen System, wir würden anhalten und sie in die Arme nehmen. Aber wir sind beschäftigt, immer wieder, mit unserer eigenen Belastung, Überforderung, inneren Not. Und manchmal tun wir Eltern ja doch das Richtige, ob mit oder ohne, vor oder nach der Trennung, in "glücklichen" oder "belasteten" Familien: Wir trösten die stillen oder („zu“) lauten kleinen BeobachterInnen, stellen uns ihrer Wut und geben ihr einen Rahmen, reden mit ihnen, gleichen aus, gestalten viele gute Momente, lieben, so gut wir können, und sorgen bei Bedarf auch für professionelle Hilfe. Und wir erlauben ihnen, das Erlebte zu erzählen, oder anderen dabei zuzuhören, geschützt, dort wo es passt, und so, wie es passt. Das hilft, die komplexe Wirklichkeit, in der sie stehen, zu verarbeiten und auch zu erleben, dass andere Kinder ähnliche Erfahrungen mit ihnen teilen.

Meine Lieblingsstelle in dem Klassiker „das doppelte Lottchen“ war schon als Kind die voraussichtige Reflexion von Erich Kästner über kritische Stimmen, die meinen könnten, das Buch wäre doch keine Lektüre für Kinder. Sie dürfen Leidvolles erleben, aber nicht darüber lesen.  Das Buch erschien 1940.

Tipps:

„Du kannst es ändern“: Trailer „Alles wird gut“http://www.patrickvollrath.com/

Kaurek Jonas:  „Ich bin jetzt zehn. Ein Junge schreibt seinem Vater.“ Edition a. 2015

Immer noch lesenswert: Kästner, Erich: „Das doppelte Lottchen“. Dressler 1949.

Für Eltern vor, während, nach der Trennung – oder auf der Suche nach Alternativen: Adam, wo bist du? Eva, was tust du? Über die Befreiung aus Isolation und Abhängigkeit. Orac 2016. Vorbestellung auf: http://www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/adam-wo-bist-du-eva-was-tust-du--818

Unterstützung gibt es z.B. bei http://www.rainbows.at/; http://www.vaeter-ohne-rechte.at/;  http://www.elpida.co.at/; http://www.paartherapie.cc/

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Die Zimmerfrau

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fischundfleisch

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Silvia Jelincic

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