Das saudische Regime sieht sich akut bedroht, es fürchtet, den Stellvertreterkrieg in der Region gegen den Iran an allen Fronten zu verlieren. Mit jedem weiteren Land, das in den iranischen Einflußbereich fällt, steigt die Angst in Riad.

Vor allem in den letzten Wochen und Monaten, konnte man die zunehmende Panik in Saudi-Arabien aus nächster Nähe beobachten: Die Aktion um Harriri, dem Kanzler des Libanons, hat im ganzen Land Unmut verursacht, selbst unter den sunnitischen Libanesen und in Harriris Partei, der sunnitischen Zukunftsbewegung. Viele Bürger betrachteten dies als unerhörte Einmischung. Dann folgten die Sympathieäußerungen Mohammed bin Salmans für Israel, was in der arabischen Welt einem politischen Selbstmord gleichkommt, der Israel das Recht auf Existenz und Selbstverteidigung zuerkannte und vor kurzem die Palästinenserfrage als nicht sehr wichtig für sein Land einstufte. Und in der Tat, schweißt der Iran als gemeinsamer Gegner Israel und Saud-Arabien zusammen.

Die Saudis können Israel zudem als starken Partner in der Region durchaus gut brauchen, da ihre Verbündeten immer weniger werden. Aktuell stehen nur noch die VAE, Bahrain und Jordanien (Welches allerdings in der Palästinenserfrage aus der Reihe tanzt) treu an ihrer Seite, deren militärische Schlagkraft, vor allem der beiden erstgenannten, allerdings stark begrenzt ist. Bahrain ist zusätzlich ebenfalls akut gefährdet: Das Land wird zwar von einem sunnitischen Königshaus regiert, die Bevölkerung ist jedoch zu ca. 90% schiitisch. Nach einem Sieg des Irans in Syrien könnte Bahrain als nächstes ins Visier Teherans geraten und ein Aufstand angezettelt werden um sich den Kleinstaat in den eigenen Einflußbereich einzuverleiben. Schon während des arabischen Frühlings rollten saudische Panzer Richtung Manama, um das Königshaus zu retten.

Syrien ist de facto verloren, Assad wird weiterhin an der Macht bleiben. Im Irak bleibt der Iran einflußreich und im Libanon gewann bei den jüngsten Wahlen der von der Hisbollah und dem christlichen Präsidenten Aoun geführte Block 69 von 128 Sitzen. Harriri und seine Zukunftsbewegung verloren 7 Sitze.

Der große Profteur dieser Entwicklung könnte die Türkei werden, sie könnte sich zur neuen Führungsmacht der Sunniten im Nahen Osten aufschwingen. Anzeichen für diese Absicht sind in vielen Staaten bereits zu sehen:

Syrien: Der Einfluß der Türkei auf Teile der Opposition gegen Assad ist seit langem evident, besonders auf die „turkmenische“ Minderheit Syriens. Die Turkmenen werden auf 200.000-250.000 geschätzt, andere Schätzungen gehen sogar von 500.000-3,5mio. aus, und sind fast außschließlich sunnitisch, ihre Milizen kämpften während den türkischen Interventionen an der Seite des Militärs. Es handelt sich dabei allerdings um keine richtigen Turkmenen, sondern um die nachfahren einer turksprachigen, einst nomadischen Bevölkerung, die sich während der Herrschaft der Seldschuken und der Osmanen in der Levante und in Mesopotamien ansiedelte. Vor allem im Norden und Nordwesten sind sie präsent.

Die Türkei hat, mit der Einnahme von Afrin, de facto die Kontrolle über Nordwest-Syrien übernommen, da man nebenbei noch einen Streifen östlich von Afrin kontrolliert und selbst in der größtenteils von den islamistischen Milizen Al Nusra-Front und Ahrar al-Sham kontrollierten Provinz Idlib hat die türkische Armee „Beobachtungsposten“ installiert.

Bei den Friedensgesprächen spielt die Türkei mittlerweile eine entscheidende Rolle.

Katar: In der Krise um den kleinen Golfstaat stellte sich die Türkei demonstrativ hinter das Land. Mittlerweile sind türkische Truppen in Doha stationiert, Ankara plant, laut einem Abkommen mit Katar, Anzahl der Soldaten auf 3000 zu erhöhen.

Israel/Palästina: Hier wird es viel zu holen geben. Während Saud-Arabien Israel immer mehr entgegenkommt, sogar die Angriffe auf iranische Basen in Syrien beklatschte, bezeichnete Erdogan Israel jüngst als Terrorstaat, die Schüße auf Palästinenser an der Grenze zum Gazastreifen als Maßaker. Während die Golfstaaten zunehmend Zurückhaltung im Nahostkonflikt an den Tag legen bzw. unterstützende Worte an Netanyahu senden, greift Ankara Israel auf diplomatischer Ebene frontal an.

Sollte es Erdogan gelingen den weitverbreiteten arabischen Antisemitismus und Israelhaß für sich zu nutzen, hat er einen großen Schritt zur regionalen Hegemonie geschafft.

Irak: Auch hier nimmt die Türkei Einfluß, denn der Irak ist aus sicherheitspolitischer Sicht wichtig für das Land. Im Norden des Landes befindet sich mit dem Qandil-Gebirge eine Rückzugsort der PKK, den die Türkei bereits mehrmals bombardiert hatte. Zusätzlich dazu stieß die Regierung in Bagdad, angesichts des Einmarschs in Afrin, Drohungen Richtung Ankara aus, ja keinen Einmarsch in den Irak zu planen. Wie auch in Syrien, so kollodieren auch langsam im Irak türkische und iranische Interessen.

Zudem gibt es auch im Irak eine turksprachige Minderheit, deren Milizen von der Türkei unterstützt werden.

Eine expansive, sunnitische Großmacht Türkei wird natürlich auf lange Sicht mit dem Iran in Konflikt kommen. Es bleibt abzuwarten und zu beobachten.

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Spinnchen

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