Anläßlich der Verleihung des Literaturnobelpreises an Peter Handke hatte ich hier einen mittlerweile auch schon wieder acht Jahre alten Blogbeitrag von mir ausgegraben, der sich mit dem Verriß des Hauses von Handke [1] in der Wochenzeitung "der Freitag" beschäftigt. Neben der Hauskritik verliert der Autor Alexander Schimmelbusch auch einige Sätze über Handkes Verhältnis zu Serbien und prominenten Serben.

Wenn sich Peter Handke nicht in Serbien aufhält, wo er mit gesuchten Kriegsverbrechern - etwa in Pale mit Radovan Karadcic den örtlichen Pflaumenschnaps zu trinken pflegt,... So beginnt der Artikel im "Freitag", und etwas weiter unten geht es weiter: Und ohne Zweifel wäre Handkes morbider Waldkosmos auch ein ideales Versteck für General Ratko Mladic gewesen, den Schlächter vom Balkan, der vor Kurzem in Serbien verhaftet wurde und den in Frankreich wohl niemand vermutet hätte. An einem Tisch in Handkes Unkrautgarten hätte er sich somit ungestört seinen Memoiren widmen können, von den Pilzpfannen seines Gastgebers dazu inspiriert, das resultierende Werk etwa "Die Shiitake von Srebrenica" zu nennen.

Auf den Aspekt "Handke und Serbien" bin ich damals nicht eingegangen, um den Blogbeitrag nicht noch mehr aufzublähen. Das Aufmerksamkeitsfenster vieler Zeitgenossen ist verdammt klein geworden, will mir scheinen.

Aus gegebenem Anlaß gehe ich jetzt aber doch noch drauf ein.

Angenehm deprimierende Geschichten über das Leben

Das Leben lehrt uns: Man richtet sich die Dinge gerne so zurecht, daß es schon irgendwie bequem paßt. Konkret: Läßt sich der Dichter gut in das eigene Weltbild fügen, so übersieht man die unübersehbare Rotweinnase beim alten Goethe, läßt sich der aufrührerische Stachel des Dichters, dieser dummen Sau, nicht so gut weginterpretieren, dann mokiert man sich halt über den "süffigen Journalistenstil" von Heine.

Solange Handke der sensible Schmerzensmann aus Kärnten war, solange er nette und so angenehm deprimierende Geschichten über den Menschen und das Leben als solches geschrieben hat, hat man ihm Preise umgehängt und in den Feuilletons kultiviert über ihn parliert. Nachdem es aber der kärntnerische Schweinehund gewagt hat, die serbische Rolle im jugoslawischen Bürgerkrieg auch nur zu relativieren, ist er zur literarischen Unperson geworden. Trotzdem wurde Handke 2006 von einer unabhängigen Jury für den Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf ausgewählt.

Als die Entscheidung der Jury publik wurde, meldeten sich die wichtigsten Fraktionen im Düsseldorfer Stadtrat.

"Die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen im Düsseldorfer Stadtrat haben sich darauf verständigt, die Vergabe des Heinrich-Heine-Preises an den umstrittenen Schriftsteller Peter Handke zu verhindern. 'Wir werden das Geld nicht zur Verfügung stellen', sagte Manfred Neuenhaus, Geschäfts­füh­rer der FDP-Ratsfraktion, am Dienstag in Düsseldorf. Auch in der CDU-Fraktion wird es nach Angaben von Bürgermeister Dirk Elbers keine Mehrheit für Handke geben."

In den Statuten des Preises heißt es zwar: "Das Preisgericht trifft seine Entscheidung unabhängig und endgültig", aber mei, wir wissen es alle: Wer die Macht hat muß sich nicht an seine eigenen Regeln halten.

Es gibt wenige deutschsprachige Schriftsteller, die Eier [2] in der Hose haben oder hatten [3]. Heine war einer, er bezahlte mit Verbannung, Böll war einer, Simmel desgleichen [4] und jetzt Handke.

Der Westen hat den Konflikt hochgekocht

An diesem Punkte sollten wir uns vergegenwärtigen, was in den neunziger Jahren in Europa und vor allem in Jugoslawien los war. Viele Legenden sind damals entstanden und leben heute noch fort.

Zum Beispiel: "Ich glaube, den völkerrechtswidrigen Krieg gab es bereits vorher, seit ungefähr 1996, ganz ohne westliche Beteiligung. Man spricht von Völkermord. Der Krieg existierte, lange bevor der Westen überhaupt Kenntnis nahm."

Der Westen hat den Konflikt, später dann den Bürgerkrieg nicht nur aufmerksam zur Kenntnis genommen, sondern ihn vielmehr geschürt und den internationalen Krieg bewußt provoziert.

Als sich 1991 zuerst Slowenien von Jugoslawien abspaltete, hat die EU den neuen Staat unverzüglich anerkannt. Das war eine Ermunterung an die anderen Teilrepubliken Jugoslawiens, sich ebenfalls abzuspalten.

Jeder Fachmann wußte oder hätte es wissen können, daß damit eine brandgefährliche Situation entstanden war. Ich habe Anfang der siebziger Jahre in der ZEIT einen Kommentar gelesen, in dem es hieß, daß nach dem Tode Titos Jugoslawien zerfallen würde und dies in einem grausamen Bürgerkrieg geschehen würde. Eigentlich hätten schon beim ersten Brodeln in Jugoslawien hektische diplomatische Vermittlungsbemühungen einsetzen müssen.

Und selbst als der internationale Jugoslawien-Krieg unmittelbar bevorstand, wäre er noch abzuwenden gewesen. Kurz vor Beginn des Krieges hatte man bei Verhandlungen in Rambouillet einen Durch­bruch ge­schafft. Es lag ein Vertrag vor, in welchem Jugoslawien sich zu Zuge­ständnissen bereit erklärte; Zugeständnissen, die so weitge­hend waren, daß auch die Seite der Kosovo-Albaner glaubte, damit le­ben zu können. Dieser unterschriftsreife Vertrag sah vor, daß aus­ländische Truppen im Kosovo stationiert würden, um die korrekte Er­füllung des Vertrages zu überwachen. Auch damit - und das war ein sehr weitgehendes Zugeständnis - war Jugoslawien einverstanden. Wo­mit Jugoslawien nicht einverstanden war, war die Forderung der NATO, es müß­ten diese Truppen unter dem direkten Kommando der NATO stehen.

Nach Einschätzung des SPIEGEL vom 19.4.99 ist dies ein "Punkt, der nicht nur für Milosevic, sondern auch für jede andere ju­goslawische Regierung kaum annehmbar wäre...". Richtig. Das Akzep­tieren dieser Rege­lung hätte für jede andere denkbare jugoslawische Regie­rung den politischen Selbstmord bedeutet.

Um das zu erkennen, muß ich kein hochkarätiger Profi sein. Ich brau­che dazu weder einen Politologen, noch einen Friedensforscher oder Sozialpsy­chologen. Ein ganz normaler Wirtshausschläger tut's auch.

Jeder, der eine drohende Kneipenprügelei gerade noch abbiegen will, weiß, daß er seinem Kontrahenten die Möglichkeit lassen muß, sich so aus der Affäre zu ziehen, daß er dabei das Gesicht nicht verliert. Jedes "Friedensangebot", das den Gegner demütigt und entwürdigt, treibt ihn di­rekt in die Schlägerei hinein, selbst dann, wenn er weiß, daß er die Schlägerei in jedem Falle ver­lieren wird.

Die NATO hat der jugoslawischen Regierung eine nicht demütigende Al­terna­tive versperrt. Milosevic konnte "wählen" zwischen Krieg und einem Aus­weg, den er nicht gehen konnte - und von dem die NATO genau wußte, daß er ihn nicht würde gehen können. Kein einziger der NATO-Regierungs­chefs, niemand von den beteiligten Spitzenmilitärs würde sich in ver­gleichbarer Situation so entscheiden, wie man es von Mi­losevic verlangt hatte. Er würde am Tag nach der Unterzeichnung eines solchen Abkommens von einer innenpolitischen Explosion hinweg­gefegt.

Woraus folgt: Jugoslawien ist von der NATO in diesen Krieg getrieben wor­den.

Hierzu ein unverdächtiger Zeuge: "Der Rambouillet-Text, der Serbien dazu aufrief, den Durchmarsch von NATO-Truppen durch Jugoslawien zu genehmigen, war eine Provokation, eine Entschuldigung dafür, mit den Bombardierungen beginnen zu können. Kein Serbe mit Verstand hätte Rambouillet akzeptieren können. Es war ein ungeheuerliches diplomatisches Dokument, das niemals in dieser Form hätte präsentiert werden dürfen." (Henry Kissinger: Daily Telegraph, 28. Juni 1999)

Die NATO wollte sich diesen so raffiniert eingefädelten und in­szenier­ten Krieg nicht so schnell wieder vermasseln lassen.

Kurz nach Beginn des Krieges ist der russische Premier Primakov nach Belgrad ge­flogen, hat mit Milosevic gesprochen und - kam mit einem konkreten Vor­schlag zurück. Nach nur wenigen Tagen des Bombardements sendet der "Kriegstreiber" Milosevic ein eindeutiges Signal, daß er bereit sei, ein­zulenken. Die Bombardierung hat ihn und sein Land getroffen, er will die­sen Krieg beenden.

Die NATO weist das von Primakov übermittelte Angebot zurück, ohne es auch nur näher geprüft zu haben. "Herr Milosevic weiß, was er zu tun hat, um die Bombardierungen zu beenden. Ein Anruf von ihm bei uns genügt", gibt man kaltlächelnd bekannt.

Einige Wochen später macht sich Herr Tschernomyrdin, der russische Sonderbeauftragte Rußlands, auf den Weg nach Bel­grad, um erneut seinen, bzw. Rußlands Teil zum Ende der Feindse­ligkeiten beizutragen. Auch er kommt mit einem konkreten Angebot. Und auch dieses Angebot wird von den Politikern der NATO nicht ernsthaft erwogen.

Und damit sind wir wieder bei den Gesetzen der ganz ordinären Wirts­haus­schlägerei.

Der Seppe hat den Franze niedergeschlagen und stiefelt ihn jetzt mit Ei­fer und Genuß. Der Franze schreit ums Aufhören, aber der Seppe meint nur: "Erst mußt sagen: Ich bin ein Arsch." Und so­lange der Franze die gefor­derten Worte - und in der geforderten Form! - nicht spricht, stiefelt der Seppe den Franze munter weiter.

So handelt nicht einer, der - eher widerwillig zur Gewalt greifend - ei­nen aus dem Ruder gelaufenen Rabauken zur Räson bringen will. So handelt einer, der seine Lust darin findet, einen anderen zu schlagen und zu stiefeln.

Unannehmbare Bedingungen

Wie gesagt: Der Westen hat den Zerfall Jugoslawiens befördert, nicht ihm gegengesteuert. Jugoslawien war wirtschaftlich am Boden, genau dies war der Grund für die Abtrennungsbestrebungen. Jugoslawien wäre mit wirt­schaftlichen Sanktionen und wirtschaftlichen Hilfsangeboten mit links in die Knie zu zwingen gewesen.

Als um den Vertrag von Rambouillet verhandelt wurde, ein militärisches Eingreifen der NATO also konkret im Raume stand, war ein Großteil der Massaker und sonstigen Schweinereien bereits passiert. Es ging beim möglichen Einsatz der NATO übrigens nicht um eine Art Blauhelm-Einsatz mit lediglich leichtbewaffneten Soldaten, sondern um die Präsenz schwer­bewaffneter Einheiten der NATO im gesamten (damals schon ehemaligen) Jugoslawien, um die Parteien auseinander zu halten. Unerwarteterweise war die Zentralregierung in Belgrad damit einverstanden, zähneknirschend vielleicht, aber doch. Nun aber wurden die Bedingungen so gestaltet, daß die jugoslawische Regierung, wie jeder wußte, diese Bedingungen nicht annehmen konnte.

Aus dem Wikipedia-Artikel zum Vertrag von Rambouillet: "In Anhang B (des Vertragsentwurfes; T. R.) wurden Forderungen wie die frei­e Beweglichkeit der NATO in ganz Jugoslawien, inklusive des Luft­raumes und der See und ihrer Nutzung für Manöver, Training und andere Operationen (Artikel 8), die die völlige Immunität von NATO und NATO-Personal gegenüber jugoslawischen Behörden (Artikel 6) und die kostenlose Nutzung der gesamten Infrastruktur Jugoslawiens (Artikel 10) festgeschrieben. Die insbesondere in Anhang B enthaltenen Bestimmungen wurden von vielen Kritikern als unannehmbar eingeschätzt. So sagte der Bundes­tags­abgeordnete Hermann Scheer 'Es war unrichtig von der Bundes­regierung, zu glauben und dem Parlament und der Öffentlichkeit zu suggerieren, dieser Vertrag hätte von Belgrad jemals unterschrieben werden können.' Lord Gilbert, ein Vertreter des britischen Verteidi­gungs­son­derausschusses, schätzte die im Rambouillet-Entwurf geforderten Bedingungen ebenfalls als absolut unannehmbar ein. Michael MccGwire, früher politisch-militärischer Analytiker beim Washingtoner Think-Tank Brookings Institution, glaubt, die entsprechenden Kapitel wären von der NATO eingefügt worden, um die Verhandlungen scheitern zu lassen."

Die Folge war die Bombardierung jugoslawischer Städte.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin (anders als der frühe Joschka Fischer) kein Pazifist. Ich glaube aber, daß sich viele, verdammt viele, Konflikte ohne direkte Gewaltanwendung bereinigen lassen. Die Regierung in Belgrad wußte genau, daß sie bei einem militärischen Eingreifen der NATO keine Chance haben würde, sich durchzusetzen und sie ist deshalb der NATO sehr weit entgegengekommen, um genau dieses militärische Scheitern zu verhindern. Die NATO aber wollte den Krieg und vor allem die Bundesregierung wollte den Krieg. Der Jugoslawienkrieg war nämlich für die Bundeswehr die Eintrittskarte in den Club der internationalen Interventionsmächte. Unter anderem deshalb mußte in Jugoslawien von Seiten der NATO aus geschossen und gebombt werden. Im übrigen war Jugoslawien Anfang der 90er Jahre das einzige europäische Land, in dem sich letzte Fünkchen von Sozialismus erhalten hatten.

Die Bundeswehr wird zur Interventionsarmee umgebaut

Nochmal: Die Bundesrepublik Deutschland hat seinerzeit nicht seufzend und widerwillig zu den Waffen gegriffen hat und sich vom ersten Außenminister einer erklärtermaßen pazifistischen Partei in den Krieg schicken lassen. Bis 1990 waren beide deutschen Staaten fest an der Leine ihrer jeweiligen Hegemonialmacht, sie durften keine eigenständige Rolle in der Weltpolitik spielen, aus den bewaffneten Konflikten auf der Welt blieben sie heraußen.

Das änderte sich 1990. Das wiedervereinigte Deutschland war quasi über Nacht (wieder!) eines der mächtigsten Länder der Welt geworden und durfte (und wollte!) nun auch militärisch in die Konflikte der Welt eingreifen. Die Bevölkerung hierzulande war damals nicht auf Krawall gebürstet, sie war noch besoffen von der unerwarteten Wiedervereinigung und man mußte sie nach und nach an die "ge­wach­se­ne Verantwortung" der "neuen Weltmacht Deutsch­land" gewöhnen. Und man tat es, systematische Desensibilisierung. Das ging vom "be­grüßens­werten Sanitätseinsatz" in Südostasien über die "hu­­­manitäre Hilfs­aktion" in Somalia, bis zu den "kampf­be­glei­ten­den Aufklärungsflü­gen" in Bosnien. Die erste pazifistische Partei, die in Deutschland jemals in einer Regierung war, be­endete 1999 die Vorkriegszeit und ließ in Jugoslawien Bundeswehrflugzeuge erstmals mit­bomben. Die Teilnahme der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg war danach bereits politi­sche Routine. Die Bundeswehr, die ursprünglich eine reine Verteidigungsarmee war, wurde nach und nach, dabei aber zügig zur Interventions-Armee umgebaut.

Als 1991 mit der Abspaltung Sloweniens der Jugoslawien-Konflikt zum Bürgerkrieg wurde, da wurde mir so nach und nach klar: "Das wird Krieg geben." Na, nicht Bürgerkrieg, den gab's ja schon, sondern einen richtigen internationalen Krieg, und zwar mit deutscher Beteiligung. Bis auf wenige Ausnahmen - Ausnahmen gibt es immer - waren damals die deutschen Medien, quer durch die politischen Richtungen (Ausnahme PDS), auf Seiten der Kroaten und Bosnier. Und zwar nicht so, daß nach differenzierter Betrachtung die Sympathien für Kroaten und Bosnier jene für die Serben überwogen hätten, sondern die Berichterstattung und Kommentierung war knallhart und ohne Differenzierung antiserbisch.

Es war die klassische Situation vor einem Krieg, in der man keine Parteien mehr kennt, sondern nur noch Anti-Serben. Genau genommen war es keine Berichterstattung und Kommentierung mehr, es war kompromißlose Propaganda.

Das ging bis in groteske Details hinein. In der Hauptschule Regenstauf wurde ein Sprachkurs in Kroatisch angeboten, nicht mehr in Serbokroatisch, wie man diese Sprache hierzulande jahrzehntelang genannt hatte, und bei Aldi war auf einmal die "Serbische Bohnensuppe" verschwunden und es gab dasselbe Produkt jetzt als "Bohnensuppe auf Balkanart". Serbien war zum Synonym für "böse" geworden.

Meine Kenntnis der Zusammenhänge war damals recht oberflächlich (und sie ist immer noch schandbar lückenhaft), aber, das war mir klar, so klar konnten die Rollen von Gut und Böse nicht aufgeteilt sein. So simpel und schwarz/weiß sind die Zusammenhänge im Leben niemals.

Vorbereitung auf den Bürgerkrieg in Deutschland

Hast du dich noch nie gefragt, warum 2011 die Wehrpflicht ausgerechnet von der CDU/CSU abgeschafft, bzw. ausgesetzt wurde? Zum einen natürlich, weil die Bundeswehr keine Verteidigungsarmee mehr ist, sondern eine Interventionsarmee. Eine Armee von Berufssoldaten läßt sich zum einen viel leichter an die brenzligen Punkte des Erdballs bringen als eine Armee von Zeitsoldaten oder gar Wehrpflichtigen. Zum anderen aber hätte die "alte Bundeswehr" mit ihren vielen Wehrpflichtigen bei Einsätzen im Inneren ein Loyalitätsproblem. Ich empfehle diesen Blog zur Lektüre.

Nimm Syrien als Modell. Dort haben wir eine böse Regierung, die ihr eigenes Volk zusammenschießt. Man stelle sich eine vergleichbare Si­tu­a­ti­on in Deutschland vor: Große Teile der Bevölkerung würden aufstehen und nicht nur die Regierung beseitigen wollen, sondern mit ihr das gesamte politische und ökonomische System. Wenn die Bereitschaftspolizei die Lage nicht mehr unter Kontrolle brächte, käme die Bundeswehr zum Einsatz. Es ist noch nicht so lange her, daß der Einsatz der Bundeswehr im Inneren legalisiert worden ist. Das war kein Zufall oder eine belanglose juristische Begradigung, das war die Vorbereitung auf den Bürgerkrieg, man mache sich keine Illusionen.

Handke erklärt sein Verhalten

Als damals, Mitte der 90er Jahre, Peter Handke zum verbohrten, völlig vernagelten Jubel-Serben hochstilisiert wurde, war mir ebenfalls klar, daß das nicht stimmen konnte. So ein Idiot ist Handke nicht, das kann nicht sein. Und so war es auch nicht.

Ich lasse ihn am besten selber zu Worte kommen, hier ein Auszug aus einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung vom 31. 5. 2006, anläßlich der erst geplanten, dann zurückgenommenen Verleihung des Heinrich-Heine-Preises der Stadt Düsseldorf:

Und hören wir schließlich auf, die Massaker (unter denen, im Plural, diejenigen von Srebrenica im Juli 1995 tatsächlich bei weitem die abscheulichsten sind) dem serbischen (Para)-Militär zuzuschreiben. Ich wiederhole aber, wütend, wiederhole voller Wut auf die serbischen Verbrecher, Kommandanten, Planer: Es handelt sich bei Srebrenica um das schlimmste "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", das in Europa nach dem Krieg begangen wurde.

(...)

Hören wir auch - endlich - den Überlebenden der muslimischen Massaker zu, in den vielen serbischen Dörfern um das - muslimische - Srebrenica, jener in den drei Jahren vor dem Fall Srebrenicas wiederholt begangenen und von dem Stadtkommandanten befehligten Massaker, die im Juli 1995 - schreckliche Rache und ewige Schande für die verantwortlichen Bosno-Serben - zu dem großen Gemetzel führten, "dem größten in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg".

Fügen wir immerhin hinzu, dass alle Soldaten oder muslimischen Männer aus Srebrenica, die die Drina - die Grenze zwischen den beiden Staaten - überquerten und aus Bosnien in das damals von Milosevic regierte Serbien flohen, dass all diese Soldaten, die in dem "feindlichen" Serbien ankamen, heil blieben - hier, kein Gemetzel, keine Massaker.

Ja, hören wir, nachdem wir "die Mütter von Srebrenica" gehört haben, auch die Mütter, oder auch nur eine Mutter des nahe gelegenen serbischen Dorfes Kravica, wenn sie von dem an der orthodoxen Weihnacht 1992/1993 von den muslimischen Streitkräften Srebrenicas begangenen Massaker erzählt, dem auch Frauen und Kinder zum Opfer fielen (und nur für ein solches Verbrechen trifft das Wort "Genozid" zu).

(...)

Während der Vorbereitungen des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien war ich mehrfach in Rambouillet, und am Ende, angesichts des voraussehbaren Scheiterns der "Verhandlungen", des westlichen Diktats, von einem Belgrader Fernsehsender befragt, habe ich das serbische Volk (in meinem Herzen die Bombardierung, die Besatzung und die Lager, vor allem Jasenovac, das Nazi-Kroatien unter der deutschen Besatzung in Jugoslawien 1941 bis 1944) mit dem jüdischen Volk verglichen. Und da, in meiner, glaub' mir, Leser, Leserin, Not, in dem Durcheinander in meinem Kopf, habe ich tatsächlich einen Satz gesagt, der in etwa lautete "die Serben sind noch größere Opfer als die Juden..."

Von den deutschen Medien später darauf angesprochen, konnte ich nicht glauben, eine derartige Dummheit tatsächlich ausgesprochen zu haben - zumal diese Dummheit überhaupt nicht zu meinem Gefühl im Moment des auf Französisch vor der Kamera abgegebenen Statements passte. Ungläubig hörte ich das Tonband an - und, indeed, ich hatte auf lächerliche Weise die Worte verwechselt. Aber Achtung! Ich habe mich sofort schriftlich korrigiert - und die deutschen Medien haben meine Korrektur veröffentlicht - die Frankfurter Allgemeine Zeitung Wort für Wort - ohne jeden Kommentar - die schriftliche Richtigstellung meiner Verwechslung wurde damals akzeptiert. Warum jetzt nicht mehr?

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[1] "Verriß des Hauses" - Leutz, auch wenn es so klingt: Das ist kein Scheiß den ich mir ausgedacht hab. Ischwör! Der Autor, Alexander Schimmelbusch, sollte einen Artikel über Peter Handke, besser noch: über sein Werk schreiben, geschrieben hat er einen Artikel über Handkes Haus.

[2] Oder Eierstöcke, ich will die Damens nicht vergessen.

[3] Einer der größten Hosenscheißer in der Literaturgeschichte überhaupt war Bert Brecht, der sich selbst gerne als mutigen Tabubrecher inszenierte.

[4] Es mag so mancher jetzt aufjaulen, weil ich Simmel in diesem erlauchten Zusammenhang erwähne.

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