Zweierlei Arten von Philosophen und von Theologen

Und siehe, es entzündete sich im Internet - wo sonst? - ein Streit um die Frage, ob es für einen Philosophen notwendig sei, Altgriechisch zu können. Ich aber, wahrlich ich sage euch: Es gibt zwei Arten von Philosophen, zum einen die Philosophen-Philosophen, zum anderen die Philosophie-Philosophen. Letztere denken sich irgendwelche Theorien über Gott und die Welt aus, erstere verwalten diese Theorien. Es gibt, versteht sich, Überschneidungen zwischen den beiden Gruppen (Schnittmengen der beiden Teilmengen, damit hier auch mal ein bisserl 1 Wissenschaft reinkommt). Die Philosophen-Philosophen sind Diplom-Philosophen, Philosophen mit Diplom, mit Philosophen-Diplom (damit sie was Eigenes haben, wenn die Kinder aus dem Haus sind), die anderen sind nicht selten Amateure ohne solide einschlägige Ausbildung, Hobby-Philosophen also. Der Plato etwa, der nicht mal den Hauptschulabschluß hatte oder der Linsenschleifer Spinoza oder der Jurist Karl Marx.

Ein Philosophie-Philosoph laßt einen Satz unter sich fallen, der Philosophen-Philosoph beschnüffelt das Fallengelassene, klassifiziert es und legt es aus. Dann kommt ein anderer Philosophen-Philosoph und bewertet die Aussage des ersten Philosophen als "richtig" oder "falsch". Ist der Philosophen-Philosoph 2 ranghöher als der Philosophen-Philosoph 1, muß letzterer zur Strafe noch ein Semester dranhängen, sind beide gleichrangig gibt es einen wunderschönen wissenschaftlichen Disput und der Nachmittag ist wieder mal auf angenehme Weise verbracht.

Was ich sagen will: Bin ich gezwungen, als Philosophie-Professor meinen Lebensunterhalt verdienen, weil ich sonst nichts gelernt habe, muß ich also junge Leute in die Geschichte der Philosophie von den Vorsokratikern bis... äh, Sloterdijk oder auch Precht einführen, dann sind solide Kenntnisse des Altgriechischen sicherlich hilfreich [1]. Mache ich mir dagegen Gedanken über die Beschaffenheit der Welt und die Rolle Gottes in ihr oder außer ihr, dann sind Griechischkenntnisse so was von wurscht, das glaubst du nicht. Der Philosophie-Philosoph will ja nachdenken und nicht Plato oder Aristoteles nachdenken. Plato und Aristoteles sind - man glaubt es kaum - auch nur Menschen gewesen, sie haben Vorschläge gemacht, wie und wohin man denken sollte, unverbindliche, zuweilen kluge Vorschläge. Schaumermal, wohin uns dieser Vorschlag führt.

Der einzig greifbare Vorzug, den Plato und Aristoteles vor den mehr oder weniger zeitgenössischen Philosophen haben ist der, daß sie bereits (länger) tot sind als ihre jüngeren Kollegen. Der Mensch nämlich, bedenkt auch dies wohl, ist ein Narr, er kniet umso andächtiger vor einem Denker, je länger dieser schon tot ist. Moses gilt als Großer Prophet, käme dagegen heute einer und berichtete von seiner jüngsten Wanderung durch den Bayerischen Wald, es sei ihm auf dem Gipfel des Lusen Gott in einem brennenden Dornbusch erschienen und habe ihm 13 Gebote und dazu noch seinen wahren Namen verraten, so würde er in der Klapse oder bei RTL 2 landen.

Je länger etwas her ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß es wohl schon irgendwie stimmen würde. Wie gesagt, der Mensch ist ein Narr.

Und weil wir mit dem brennenden Dornbusch

auch bereits die Theologie gestreift haben, möchte ich noch anmerken, daß es auch hier zweierlei grundlegend verschiedene Zweige dieser Wissenschaft gibt. Das eine ist die beschreibende Theologie, die Texte analysiert, Überlieferungsschichten dieser Texte freikratzt und das Verhalten der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft im Wechsel der Zeiten und Weltgegenden beschreibt und analysiert. Diese Art der Theologie kann auch ein Atheist betreiben, ganz so wie jemand Ameisen wissenschaftlich beschreiben kann, ohne selber Ameise zu sein. Die andere Art ist die gestaltende Theologie, die sich Glaubenslehren ausdenkt, gegebenenfalls ändert und anpaßt, und die natürlich auch die jeweils nachwachsende Generation in die Glaubenslehre einführt. Für letztere Art von Theologie braucht's Theologen, die gläubig sind oder zumindest so tun.

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[1] Obwohl... eigentlich ist es auch in diesem Falle wurscht. Es gibt inzwischen so viele verschiedene und so viele gute Übersetzungen aus dem Altgriechisch auch der abseitigsten Griechen, daß es wirklich nicht mehr not tut, daß selbst ein Philosophen-Philosoph noch mit eigener Nase die Originaltexte durchschnüffeln muß.

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thurnhoferCC

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