Der ehemalige Fußballprofi Thomas Berthold sprach am 8.8.20 auf der „querdenken 711“-Demonstration in Stuttgart und wetterte gegen „ein, zwei Wissenschaftler oder Vertreter des RKI“, welche mit ihren „Spekulationen“ die Gesellschaft „besudelten“. Und weil er diese „Spekulationen“ nicht ernst nimmt, forderte er seine Zuhörer auf, es mit dem Maskentragen nunmehr sein zu lassen: „Wir müssen auch dazu kommen, selbstbestimmt zu leben – jeder von euch kann selbst entscheiden, ob er eine Maske aufzieht oder die Maske zu Hause lässt.“ Damit redete er sich in die Herzen all jener, die das, was sie für ihre Freiheit halten, bereits dann eingeschränkt sehen, wenn man sie darum bittet, für einen gewissen Zeitraum eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, um sich und andere zu schützen. Zwei Tage später fragte Henryk M. Broder auf der Achse des Guten suggestiv: „Man kann ja auch mal fragen, was mit der individuellen Freiheit passiert?“ Ja, was passiert denn mit der? Wird etwa ein Tempolimit auf den Autobahnen - Broders Chef, dem Porschefahrer Poschardt, zufolge „das letzte Freiheitsfeld“ – gefordert? Nein, das dann doch nicht. Es geht nur um Abstandsregeln und die leidige Mund-Nasen-Bedeckung. Aber man könnte ja, wo wir schon dabei sind, fragen, was mit der individuellen Freiheit, das Haus ohne Kleidung verlassen zu dürfen, passiert ist. Wie lästig sind oft Schlüpfer und Hose, wenn man doch eben nur ein paar Chips vom Büdchen holen möchte. Wie, dieses Verbot regelt eine Gepflogenheit unter zivilisierten Menschen? Warum gilt das nicht für das Tragen einer Maske?

Aber ein konformistischer Rebell kann das Quengeln nicht lassen. Broder schwadroniert von „irgendwelchen Autokraten“, die ihm die wenige verbleibende Zeit „klauen“ wollten und Berthold „möchte, dass wir unser altes Leben wieder zurückbekommen“. Wenn es denn ein kommodes Leben als gut situierter Frührentner und „TV-Experte“ sein soll, dann hätte ich das auch gerne zurück. Wenn es aber darum geht, dass alte und Menschen aus Risikogruppen sich wieder in die Supermärkte trauen können, verzichte ich, weder alt noch Teil einer Risikogruppe, gerne und trage eben eine Maske. Es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel besorgte Bürger im Rumpelstilzchenmodus.

(Und man könnte einmal die Frage diskutieren, ob das Mantra vom normalen Leben, das man zurück haben wolle, nichts anderes ausdrückt als das Grauen vor dieser Normalität. Von der Einsicht, dass das, was sie als ihre „Freiheit“ begreifen, nichts anderes ist als Zwang, ganz zu schweigen.)

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

10 Kommentare

Mehr von thomas schweighäuser (ex Gotha)